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Clearingverfahren konnte außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen

Gruppe von Menschen steht mit Aktenordnern

Ein international tätiges Luftfahrtunternehmen verlegte mehrere Abteilungen von einem Standort an einen anderen. Zu diesem Zweck schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, in dem unter Bezugnahme auf einen für den Konzern bestehenden Tarifvertrag und auf Konzernbetriebsvereinbarungen ein sog. Clearingverfahren für die betroffenen Arbeitnehmer vereinbart wurde. Dieses Verfahren sah vor, dass betroffenen Arbeitnehmern andere freie Arbeitsplätze im Konzern benannt wurden, auf die sie sich bewerben konnten.

Von der Verlegung war unter anderem ein schwerbehinderter, tariflich nicht ordentlich kündbarer Buchhalter betroffen. Er nahm anschließend drei Jahre lang an dem Clearingverfahren teil. In dessen Rahmen besuchte er Seminare und Sprachkurse. Neun Stellenausschreibungen wurden ihm übermittelt, an sieben Vorstellungsgesprächen nahm er teil, aber die jeweiligen Fachbereiche lehnten ihn jedes Mal ab.

Der Arbeitgeber kündigte dem Buchhalter daher nach Anhörung des Betriebsrats, Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung und mit Zustimmung des Integrationsamts außerordentlich aus betriebsbedingten Gründen mit einer sechsmonatigen Auslauffrist.

Auf die Klage gegen die Kündigung entschied das BAG, dass das Clearingverfahren gleich in zwei Punkten nicht genüge, um die Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urteil vom 27. Juni 2019 – 2 AZR 50/19).

Als ersten Punkt sah das Gericht schon die besonders hohen Anforderungen an den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit im Fall einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung als nicht erfüllt an. Es habe nicht genügt, dass sich der Arbeitgeber auf die Ablehnungen durch seine Fachabteilungen berufen habe. Vielmehr hätte er die Eignung des Buchhalters jedenfalls für die in seinem Unternehmen zu besetzenden Stellen selbst prüfen müssen. Da es hieran schon fehlte, ließ das BAG diesmal offen, ob der Arbeitgeber nicht nur Arbeitsplätze im Unternehmen, sondern sogar im Konzern in die Betrachtung hätte einbeziehen müssen. Zu diesem Ergebnis war das BAG in einer früheren Entscheidung zu einer außerordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gelangt. Dort hatte sich die Verpflichtung zur konzernweiten Suche aus den einbezogenen kollektiven Regelungen ergeben (vgl. BAG vom 10. Mai 2007 – 2 AZR 626/05).

Als zweiten wesentlichen Punkt erkannte das BAG, dass das Clearingverfahren nicht mit einer Sozialauswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG zu vergleichen gewesen sei und diese daher auch nicht habe ersetzen können. Denn das Clearingverfahren habe sich nur mit alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten befasst, während eine Sozialauswahl gerade deren Fehlen voraussetze.

Clearingverfahren mögen demnach ein gutes Mittel sein, um freie Arbeitsplätze im Unternehmen oder konzernweit anzubieten. Die Entscheidung zeigt aber, dass sich damit die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere zu betriebsbedingten Kündigungen nicht umgehen lassen.

Dr. Thomas Thees
Dr. Thomas Thees

Thomas Thees ist spezialisiert auf Dienstvertragsrecht, Gesellschaftsrecht, Prozessführung, Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften sowie auf betriebliche Altersversorgung.

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