Neues aus der Practice Group Restructuring
Wer gekündigt wird, bekommt dafür
eine Abfindung. Richtig? Nicht ganz. Einen echten gesetzlichen Anspruch auf die
Zahlung einer Abfindung hat ein Arbeitnehmer nur in wenigen Fällen, beispielsweise
nach einem gerichtlichen Auflösungsurteil oder wenn die Abfindung in einem
Sozialplan oder Tarifvertrag festgeschrieben ist. Im „Normalfall“ besteht ein
solcher Anspruch hingegen nicht. Das eingangs erwähnte Gerücht hält sich
dennoch beständig. Das liegt daran, dass Abfindungen häufig „aus freien
Stücken“ gezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer im Gegenzug auf eine
Kündigungsschutzklage verzichtet. Mit der Abfindung erkauft sich der
Arbeitgeber also die schnelle, unkomplizierte Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gegen eine Kompensationsleistung. Das kann aus Arbeitgebersicht wirtschaftlich
sehr sinnvoll sein, weil man sich einen möglicherweise kostspieligen Kündigungsschutzprozess
spart, das Risiko minimiert und für klare Verhältnisse sorgt.
Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit ist aber, wie hoch die Abfindung ausfällt. Wie wird eine Abfindung also richtig berechnet?
Abfindung nach § 1a KSchG
Ein Fall der „freiwilligen“ Abfindung ist gesetzlich geregelt, nämlich § 1a KSchG. Demnach hat der Arbeitnehmer nach einer betriebsbedingten Kündigung einen Anspruch auf eine Abfindung, wenn er die Frist für eine Kündigungsschutzklage verstreichen lässt und der Arbeitgeber ihm hierfür eine Abfindung gemäß § 1a KSchG versprochen hat. Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Monatsverdienst ist dabei der individuelle Bruttomonatsverdienst im Monat des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist allerdings nicht der tatsächliche, sondern der regelmäßige Verdienst. Unregelmäßige Verdienstschwankungen, verursacht bspw. durch ausnahmsweise Überstunden, Krankheit, Urlaub oder Kurzarbeit, sind nicht zu berücksichtigen.
Der Monatsverdienst umfasst dabei nicht nur das Grundgehalt, sondern auch sämtliche regelmäßigen Zusatzzahlungen wie bspw. Gefahrenzulagen, Schichtzuschläge, Nachtarbeitszuschläge, Prämien und Provisionen. Einmalzahlungen mit Entgeltcharakter, wie bspw. ein 13. Monatsgehalt, Boni, Tantiemen, Umsatzbeteiligungen müssen anteilig umgelegt werden.
Die Betriebszugehörigkeit
entspricht der Dauer des Arbeitsverhältnisses in Jahren, wobei ein Zeitraum von
mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden ist.
Eine entsprechende Formel sieht
deshalb wie folgt aus:
Abfindung = 0,5 x Bruttomonatsverdienst x Betriebszugehörigkeit
Vereinbarte Abfindungen
Häufig werden in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen, aber auch in gerichtlichen Vergleichen abweichende Abfindungen vereinbart. In diesen wird – wie in § 1a KSchG – die Verständigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages vereinbart. Wie hoch dieser Geldbetrag ausfällt, ist nicht vorgeschrieben und unterliegt damit den freien Verhandlungen der Parteien.
Um den Verhandlungen einen klaren
Rahmen zu geben, sie möglichst unabhängig von den subjektiven Empfindungen der
Parteien zu machen und – in Fällen, in denen mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig
gekündigt werden – Binnengerechtigkeit herzustellen, ist es nicht üblich, direkt
über konkrete Beträge zu verhandeln. Üblich ist vielmehr, auch hier nach der
Formel des § 1a KSchG zu verfahren, dabei aber den Multiplikationsfaktor (bei §
1a KschG: 0,5) neu zu verhandeln.
Dabei bildet der Faktor 0,5 häufig den gedanklichen Ausgangspunkt. Der Rest ist Risikoabwägung beider Parteien: Je höher das Risiko des Arbeitgebers, einen möglichen Kündigungsschutzprozess zu verlieren, desto höher der Faktor. Je besser die Chance des Arbeitnehmers, schnell wieder einen gleichwertigen Job zu finden, desto niedriger der Faktor. Wichtig ist hier aus Arbeitgebersicht die gute und saubere Vorbereitung der Verhandlungen: Der Arbeitgeber sollte sein Risiko in einem möglichen Kündigungsschutzprozess genau und objektiv einschätzen können und möglichst über Informationen darüber verfügen, ob der Arbeitnehmer bereits einen neuen Job gefunden hat oder sich nicht mehr vorstellen kann, an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückzukehren. In diesen Konstellationen wird häufig gepokert. Gute Vorbereitung und ein konsequentes Verhalten des Arbeitgebers – beispielsweise eine klare Obergrenze – zahlen sich in der Regel aus.
Um keinen zu hohen Faktor als neue Benchmark zu etablieren, werden häufig „Pakete“ geschnürt und zusätzlich zur Abfindung weitere Kompensationen, beispielsweise eine Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, die Zahlung eines Pauschalbetrags für jedes unterhaltspflichtige Kind, eine Outplacementberatung, die Übernahme von Rechtsberatungskosten oder die Kompensation einer etwaigen Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld vereinbart.
Eine entsprechende Formel könnte
also in etwa so aussehen:
Abfindungspaket =
Faktor x Bruttomonatsverdienst x Betriebszugehörigkeit
+ Freistellung, Pauschalbetrag, Outplacementberatung, etc.
Sozialplanabfindung, Abfindung nach gerichtlichem Urteil und Nachteilsausgleich
Als weitere Anspruchsgrundlagen für Abfindungen kommen die Sozialplanabfindung nach § 112 BetrVG, die Abfindung nach gerichtlichem Urteil nach §§ 9, 13, 14 KSchG und der Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG in Betracht. Diese haben gemeinsam, dass ihre konkrete Höhe nicht bzw. nicht allein in der Hand des Arbeitgebers liegt. So müssen Sozialpläne nach § 112 BetrVG mit dem Betriebsrat verhandelt werden und sind Gegenstand erzwingbarer Mitbestimmung. Wir befassen uns in einer separaten Reihe von Beiträgen mit den Grundsätzen der Bemessung des Sozialplanvolumens . Die Höhe der Abfindung nach gerichtlichem Urteil und der Nachteilsausgleich werden vom Arbeitsgericht unter Anwendung von § 10 KSchG festgesetzt, der je nach Lebensalter und Betriebszugehörigkeit relative Höchstgrenzen für die Abfindung vorschreibt. Diese Höchstgrenzen spielen eine wichtige Rolle, wenn im Streit steht, ob der Arbeitnehmer, mit dem man Trennungsverhandlungen führt, leitender Angestellter im kündigungsschutzrechtlichen Sinne (§ 14 Abs. 2 KSchG) sein könnte. Dann kann der Arbeitgeber nämlich auch bei unwirksamer Kündigung einen Auflösungsantrag stellen und das Arbeitsverhältnis vom Arbeitsgericht gegen eine entsprechende Abfindung auflösen lassen.
Fazit
Einen echten Anspruch auf eine Abfindung gibt es – entgegen der landläufigen Meinung – nicht immer, sondern nur in den gesetzlich geregelten Fällen. Üblich ist die Anwendung von Formeln, die die Betriebszugehörigkeit und das Bruttomonatsgehalt berücksichtigen. Wie § 10 KSchG zeigt, kann aber auch ein Altersfaktor bei der Bemessung der Abfindung sinnvoll sein. Dabei ist gewisse Vorsicht geboten, weil das AGG altersbezogene Ungleichbehandlungen nur bei Bestehen sachlicher Gründe zulässt.
Unsere Practice Group Restructuring berät Sie sehr gerne zu diesem Thema.