Kurzarbeit weiterhin wichtiges Instrument zur Bewältigung der Corona-Pandemie
Kurzarbeit ist nach wie vor ein wichtiges Instrument zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie. Dies hatte auch die gerade aus dem Amt geschiedene Bundesregierung erkannt, und noch am 24. November 2021 die Kurzarbeitergeldverlängerungsverordnung (KugverlV) erlassen. Über die nach dieser Verordnung bis zum 31. März 2022 geltenden erleichterten Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld haben wir Sie schon in einem früheren Beitrag informiert. Die aus Arbeitgebersicht erfreuliche Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor der Gewährung von Kurzarbeitergeld arbeitsrechtliche Hürden zu überwinden sind. Denn nach wie vor können Arbeitgeber Kurzarbeit nur auf Basis einer arbeitsrechtlichen Grundlage wirksam einführen. Fehlt eine arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Kurzarbeitsklausel und besteht kein Betriebsrat, sind Arbeitgeber auf den Ausspruch einer Änderungskündigung verwiesen, wenn die Arbeitnehmer sich weigern, in Kurzarbeit zu gehen. Die rechtlichen Voraussetzungen sind hier nach wie vor unklar – eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg gibt Anlass, den bisherigen Stand der Diskussion neu aufzuarbeiten.
Schon in zwei früheren Beiträgen haben wir uns mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen nicht tarifgebundene Arbeitgeber in Betrieben ohne Betriebsrat Kurzarbeit einseitig durch (außerordentliche) Änderungskündigung einführen können. In einem ersten Beitrag kamen wir zu dem Ergebnis, dass diesen Arbeitgebern insbesondere die außerordentliche Änderungskündigung als letzte Möglichkeit zur Einführung von Kurzarbeit zur Verfügung stehen muss, wobei diese Frage in der Rechtsprechung noch ungeklärt ist. In einem zweiten Beitrag haben wir das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.10.2020, Az. 11 Ca 2950/20 dargestellt, welches zu dieser Frage erste Leitlinien geschaffen hat. Mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.05.2021 – 10 Sa 1337/20 liegt ein Urteil aus zweiter Instanz zu dieser Fragestellung vor.
Der bisherige Meinungsstand
Ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber Kurzarbeit einseitig durch (außerordentliche) Änderungskündigung einführen können, hat das BAG bislang nicht geklärt. Insbesondere in der Literatur wird hierzu vertreten, eine solche Änderungskündigung sei nach den strengen Maßstäben zu beurteilen, die das BAG für Änderungskündigungen zur Entgeltkürzung entwickelt hat. Eine solche Änderungskündigung kann danach nur gerechtfertigt sein, wenn ohne die Entgeltreduzierung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder einer Betriebsschließung führen. Als milderes Mittel fordert das BAG einen Sanierungsplan. Dieser Auffassung hatte das Arbeitsgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 22.10.2020 eine Absage erteilt. Die Grundsätze für die reine Entgeltkürzung seien nicht anwendbar. Vielmehr sei eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit unter folgenden Voraussetzungen sozial gerechtfertigt:
- Die persönlichen Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld müssen bei dem von der Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer vorliegen.
- Der Arbeitgeber muss eine angemessene Vorlauffrist einhalten. Im entschiedenen Fall waren dies gut drei Wochen. Dies hielt das Gericht für verhältnismäßig.
- Die Einführungsmöglichkeit der Kurzarbeit muss zeitlich begrenzt sein. In dem entschiedenen Fall führte der Arbeitgeber Kurzarbeit für knapp 7,5 Monate ein.
- Der Arbeitgeber muss zuvor erfolglos versucht haben, die Kurzarbeit einvernehmlich durch Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer einzuführen.
Zudem hielt das Arbeitsgericht Stuttgart ausdrücklich eine mit einer Ankündigungsfrist zu verbindende außerordentliche Änderungskündigung für zulässig, wenn in dem Arbeitsverhältnis lange Kündigungsfristen gelten.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Nachdem das Verfahren des Arbeitsgerichts Stuttgart in zweiter Instanz durch Vergleich beigelegt wurde, äußerte sich mit dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein Gericht in zweiter Instanz zu dieser Fragestellung. Wie bereits das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hielt das LAG hier die beiden außerordentlichen Änderungskündigungen zur Einführung der Kurzarbeit für sozial ungerechtfertigt.
Das LAG ließ es offen, welcher der beiden genannten Prüfungsmaßstäbe anzuwenden ist. Denn, so das LAG, auch nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart hätte die Arbeitgeberin im Änderungsschutzverfahren jedenfalls die Tatsachen vortragen müssen, die die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitnehmers zum Bezug von Kurzarbeitergeld begründen. Aus Sicht des LAG genügte der Prozessvortrag der Arbeitgeberin schon diesen Anforderungen nicht, da diese nicht (rechtzeitig) zur wirtschaftlichen Situation im Betrieb, den Gründen für den Arbeitsausfall, dem nur vorübergehenden Charakter des Arbeitsausfalls, zu einem im Arbeitsverhältnis etwa bestehenden Arbeitszeitkonto oder zu Urlaubsansprüchen des betreffenden Arbeitnehmers vorgetragen habe. Auch der bloße Hinweis darauf, dass die Arbeitsagentur Kurzarbeit genehmigt hat, habe nicht ausgereicht.
Zudem betonte das LAG, dass sich das Änderungsangebot jedenfalls nicht weiter vom bestehenden Arbeitsverhältnis entfernen darf, als die Kurzarbeit dies unbedingt erfordert. Denn die Arbeitgeberin bot dem Kläger im Wege der Änderungskündigung eine sogenannte Kurzarbeit-Null an, obwohl nach ihrem Vortrag allenfalls ein Arbeitsausfall von 50% vorgelegen habe.
Hinzuweisen ist auch auf einen handwerklichen Fehler des Arbeitgebers bei Ausspruch der Änderungskündigung, den insbesondere das Arbeitsgericht in erster Instanz bemängelt hatte: In der ersten Änderungskündigung hatte die Arbeitgeberin eine außerordentliche Kündigung zum 22.04.2020 ausgesprochen und zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Kurzarbeit-Null „ab dem 01.04.2020“ angeboten. Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) sah hierin das Angebot einer rückwirkenden Vertragsänderung und ließ bereits hieran die soziale Rechtfertigung dieser Änderungskündigung scheitern
Fazit
Auch nach der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg bestehen die Unsicherheiten hinsichtlich der Maßstäbe fort, die bei der Einführung von Kurzarbeit im Wege der Änderungskündigung anzuwenden sind. Die Entscheidung des LAG zeigt aber aus Arbeitgebersicht einige wesentliche Punkte auf: Wenn sich Arbeitgeber auf die für sie günstige Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Stuttgart berufen wollen, müssen sie nach Auffassung des LAG jedenfalls in der Lage sein, im Prozess detailliert zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld vorzutragen. Hierbei sollte die angebotene Kurzarbeit die regelmäßige Arbeitszeit nur in dem unbedingt erforderlichen Maße herabsetzen. Auch gilt es, bei der Formulierung des Änderungsangebots größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Ob sich andere Gerichte den strengen Anforderungen an den Prozessvortrag anschließen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ein pauschaler Hinweis auf die Genehmigung der Kurzarbeit dürfte nicht ausreichend sein.