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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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Einführung von Kurzarbeit durch fristlose Änderungskündigung

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In unserem Beitrag vom 14. April 2020 (Einseitige Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung?) haben wir uns bereits mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen nicht tarifgebundene Arbeitgeber in Betrieben ohne Betriebsrat Kurzarbeit einseitig durch (außerordentliche) Änderungskündigung einführen können, wenn die Arbeitsverträge der Mitarbeiter keine Regelung zu Kurzarbeit enthalten und einzelne Mitarbeiter eine einvernehmliche Vereinbarung ablehnen. Quintessenz dieses Beitrags war, dass eine Änderungskündigung – insbesondere in Form der außerordentlichen Änderungskündigung – als letzte Möglichkeit des Arbeitgebers zur Durchsetzung von Kurzarbeit unseres Erachtens zulässig sein muss, wobei sich Arbeitgeber mit einer solchen Maßnahme auf arbeitsrechtlich weitgehend ungeklärtes Terrain begeben.

Entscheidung zur Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung

Auch Anfang 2021 ist die praktische Relevanz der Kurzarbeit angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie unverändert hoch. Im Hinblick auf die Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung hat das Arbeitsgericht Stuttgart mit Urteil vom 22. Oktober 2020, Az. 11 Ca 2950/20, erste Leitlinien geschaffen und dabei die Position der Arbeitgeber gestärkt:

Das Arbeitsgericht hielt in dem entschiedenen Fall eine außerordentliche Änderungskündigung zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit für gerechtfertigt. 

Grundsätze des BAG zur Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung nicht übertragbar

Dabei stellte das Gericht zunächst fest, dass die durch das BAG in früherer Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur reinen Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung auf eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit nicht übertragbar sind. Das BAG stellt bei einer Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung insbesondere darauf ab, dass ohne die Reduzierung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen müssen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen. Zudem fordert das BAG einen Sanierungsplan als milderes Mittel. 

Diese Kriterien wären in der Konstellation der Kurzarbeit nicht praktikabel, da die Möglichkeit zur vorübergehenden Absenkung der Personalkosten Arbeitgeber ja gerade vor einer massiven wirtschaftlichen Schieflage bewahren soll. So sah es auch das Arbeitsgericht Stuttgart und verwies zur Begründung auf die nur vorübergehende Natur der Kurzarbeit, während eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung meist auf Dauer angelegt ist, sowie die gleichzeitige Absenkung der Arbeitszeit im Verhältnis zur Absenkung des Entgelts bei Kurzarbeit. Das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wird bei einer Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit anders als bei einer Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung somit gerade nicht berührt.

Kriterien für die Verhältnismäßigkeit der Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit

Eine Änderungskündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Das Arbeitsgericht Stuttgart nennt in den Entscheidungsgründen verschiedene Kriterien, die insoweit eine Rolle spielen:

  • Die persönlichen Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld müssen bei dem von der Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer vorliegen.
  • Der Arbeitgeber muss eine angemessene Vorlauffrist einhalten. Im entschiedenen Fall waren dies gut drei Wochen. Dies hielt das Gericht für verhältnismäßig.
  • Die Einführungsmöglichkeit der Kurzarbeit muss zeitlich begrenzt sein. In dem entschiedenen Fall führte der Arbeitgeber Kurzarbeit für knapp 7,5 Monate ein.  
  • Der Arbeitgeber muss zuvor erfolglos versucht haben, die Kurzarbeit einvernehmlich durch Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer einzuführen.

An diesen Kriterien sollten sich Arbeitgeber, die den Ausspruch von Änderungskündigungen zur Einführung von Kurzarbeit erwägen, derzeit orientieren.

Ausdrückliche Zulässigkeit einer fristlosen Änderungskündigung

Abschließend geht das Arbeitsgericht Stuttgart ausdrücklich auf die Frage ein, ob eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist des jeweiligen Arbeitnehmers erklärt werden muss oder ob auch eine außerordentliche Änderungskündigung in Betracht kommt, mit der die Kurzarbeit nach Ablauf der angemessenen Ankündigungsfrist von wenigen Wochen eingeführt werden kann. 

Das Instrument der Kurzarbeit dient gerade dazu, einen vorübergehenden und kurzfristig aufgetretenen Arbeitsausfall zu überbrücken. Dies wäre bei einer lediglich ordentlichen Änderungskündigung jedenfalls bei Arbeitnehmern mit längeren Kündigungsfristen nicht sinnvoll möglich. Diesen Umstand würdigte auch das Arbeitsgericht Stuttgart und erklärte in dem entschiedenen Fall ausdrücklich eine fristlose Änderungskündigung für zulässig. 

Zusammenfassung und Fazit

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart ist noch nicht rechtskräftig. Dennoch ist sie ein erfreuliches Signal für Arbeitgeber, die bei der Einführung von Kurzarbeit am Widerstand einzelner Arbeitnehmer scheitern. Solange sich noch keine konstante Rechtsprechung zur Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung entwickelt hat, ist Arbeitgebern zu empfehlen, sich bei Ausspruch einer solchen Änderungskündigung an den durch das Arbeitsgericht Stuttgart geschaffenen Leitlinien zu orientieren.

Thomas Wahlig

Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.

Meike Christine Rehner

Meike Christine Rehner ist spezialisiert auf internationales und europäisches Arbeitsrecht, Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsrecht, Unternehmensrestrukturierungen und Kündigungsrechtsstreitigkeiten.

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