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Ihr PWWL-Redaktionsteam

Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Spotlights

Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

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Mit den Gesetzänderungen zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (kurz „eAU“) wurde die Pflicht der versicherten Arbeitnehmer zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber ihren Krankenkassen geändert. Diese Neuerung gilt seit dem 1. Oktober 2021. Aber auch für Arbeitsverhältnisse stehen Veränderungen an. Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2022 wird die Pflicht der Arbeitnehmer zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber ihren Arbeitgebern modifiziert. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber müssen sich diesen Änderungen anpassen. 

Bereits Anfang 2020 haben wir über digital durchgeführte Behandlungen und Krankschreibungen sowie den Beweiswert daraufhin ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen informiert („Mit ein paar Klicks zur Online-Krankschreibung…“; https://pwwl.de/mit-ein-paar-klicks-zur-online-krankschreibung/).

Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Ferndiagnosen

Ergebnis unseres Blogbeitrags war, dass im Anschluss an eine solche Ferndiagnose ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kein bzw. allenfalls nur ein sehr geringer Beweiswert zukommt. Dies gilt jedenfalls für die in dem früheren Blogbeitrag aufgegriffene Behandlungsart des Hamburger Start-Up’s, bei dem wenige Klicks auf einer Internetseite zur Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreichten, ohne dass der Arzt den Patienten zu irgendeinem Zeitpunkt zu Gesicht bekommen hat. 

Anders mag dies im Rahmen aufwendig durchgeführter Sprechstunden mittels Video-Schalte zu beurteilen sein. Aber auch hier sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Behandlung hoch. Ein Arzt muss die Möglichkeit haben, sich vom Patienten ein Gesamtbild über den Gesundheitszustand verschaffen zu können. Der Arzt muss imstande sein, Besonderheiten erkennen und gegebenenfalls näher untersuchen und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit bewerten zu können. Sog. Fernuntersuchungen unterliegen einer besonderen ärztlichen Sorgfaltspflicht. Werden diese Anforderungen nicht eingehalten, braucht eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht als Beweis einer Arbeitsunfähigkeit akzeptiert zu werden.

Arbeitgeber sollten bei Ferndiagnosen daher ein gewisses Feingefühl entwickeln. Erlangt der Arbeitgeber von einer derartigen Behandlungsform Kenntnis, lohnt es sich aus Arbeitgebersicht, die Arbeitsunfähigkeit sowie hierüber ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Einzelfall bei Zweifeln kritisch zu hinterfragen.  

Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

In Ergänzung dieses Themenkomplexes möchten wir mit diesem Beitrag über die (anstehende) Einführung der sog. elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung informieren. 

Bisherige Rechtslage 

Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit war der Arbeitnehmer bislang nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verpflichtet, seiner Krankenkasse seine Arbeitsunfähigkeit zu melden und bei entsprechender Nachforderung auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Im Verhältnis des versicherten Arbeitnehmers zu seiner Krankenkasse kann die Nichteinhaltung dieser Pflichten ein Ruhen des Krankengeldanspruches rechtfertigen, ohne dass sich eine solche Pflichtverletzung gegenüber der Krankenkasse aber auf das Arbeitsverhältnis des versicherten Arbeitnehmers mit seinem Arbeitgeber auswirkt.

Gegenüber dem Arbeitgeber war der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 5 Abs. 1 EFZG verpflichtet, dem Arbeitgeber einerseits die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen. Andererseits hatte der Arbeitnehmer die Pflicht, seinem Arbeitgeber auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen, sofern die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauerte oder der Arbeitgeber die Vorlage zu einem früheren Zeitpunkt verlangte.

Was ist neu?

Diese Pflichten des Arbeitnehmers wurden zwecks Bürokratieabbaus nunmehr durch die Einführung des sog. elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgeändert:

Eine erste Änderung erfolgte im Rahmen der Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers an die Krankenkasse. Wird nach ärztlicher Untersuchung eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt, so hat der behandelnde Arzt die festgestellten Arbeitsunfähigkeitsdaten seit dem 1. Oktober 2021 nach § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aufzuzeichnen und eigenverantwortlich an die entsprechende Krankenkasse des versicherten Arbeitnehmers zu übermitteln. Die Anzeigepflicht des versicherten Arbeitnehmers gegenüber seiner Krankenkasse entfällt.

Die für Arbeitgeber relevanteren Änderungen erfolgen durch die ab dem 1. Juli 2022 geltenden § 109 SGB IV und § 5 Abs. 1a EFZG. Nach § 109 SGB IV muss die Krankenkasse dem Arbeitgeber nach Eingang einer Arbeitsunfähigkeitsmeldung durch den Arzt den Namen des Arbeitnehmers, Beginn und Ende der ärztlich festge­stellten Arbeitsunfähigkeit, das Ausstelldatum und eine Kennzeichnung als Erst- oder Fol­gemeldung in elektronischer Form als Meldung zum Abruf bereitstellen. Die Krankenkasse muss Arbeitgebern damit den Abruf einer elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ermöglichen. Möchte der Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten, muss er sich zukünftig dieses Abrufverfahrens bei den Krankenkassen bedienen. 

In der Folge die­ses elektronischen Meldeverfahrens wird die in § 5 Abs. 1 Satz 2 bis 5 EFZG vorgesehene Pflicht der Arbeitnehmer zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfallen, was durch den neuen § 5 Abs. 1a Satz 1 EFZG geregelt wird. Arbeitnehmer bleiben lediglich verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Neben der Anzeigepflicht besteht über § 5 Abs. 1a Satz 2 EFZG die Pflicht der Arbeitnehmer, sich zu den in § 5 Absatz 1 Satz 2 bis 4 EFZG genannten Zeitpunkten einem Arzt vorzustellen, das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich vom behandelnden Arzt eine ordnungsgemäß ausgestellte, das heißt insbesondere schriftliche, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 und 4 EFZG mit den für den Arbeitgeber bestimmten Da­ten aushändigen zu lassen. Diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dient jedoch nicht mehr zur Vorlage beim Arbeitgeber, sondern nur noch zu eigenen Beweissicherungszwecken. Der Arbeitgeber kann die Vorlage dieser Bescheinigung künftig nicht mehr verlangen und ist auf das Abrufverfahren verwiesen.

Einschränkungen

Die vorgenannten Änderungen greifen indes nicht bei Arbeitnehmern, die nicht gesetzlich versichert sind. Gleiches gilt bei geringfügiger Beschäftigung in Privathaushalten oder bei einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Letzteres ist auch bei im Ausland ansässigen Ärzten der Fall. In all diesen Fällen bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. 

Fazit

Arbeitgeber müssen ihre internen Prozesse anpassen, wenn sie künftig für den Regelfall eines gesetzlich versicherten Arbeitnehmers und entsprechender Behandlungen bei Kassenärzten auch weiterhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Nachweis über die Arbeitsunfähigkeit ihrer Arbeitnehmer erhalten wollen. Dazu sind sie auf das Abrufverfahren und den Erhalt der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verwiesen.

Arbeitnehmern bleibt die Papierbescheinigung als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel erhalten, um insbesondere in Störfällen (etwa einer fehlgeschlagenen Übermittlung im elektronischen Verfahren) das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG außerprozessual und prozessual nachweisen zu können.

Dr. Tobias Brors, LL.M. (Huddersfield)

Tobias Brors ist spezialisiert auf das Datenschutzrecht, Restrukturierungen, Digitalisierungsprojekte, Verhandlungen mit Betriebsräten, Prozessführung sowie auf die Vertretung in Einigungsstellenverfahren.

Dr. Sebastian Krumnack, LL.M.

Sebastian Krumnack ist spezialisiert auf datenschutzrechtliche Fragestellungen, die Gestaltung von Arbeitsverträgen sowie die arbeitsrechtliche Abgrenzung von Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern.

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