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Die Meinungsfreiheit und das Arbeitsrecht – Zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen der Freiheit der Meinungsäußerung und der Pflicht zur Rücksichtnahme auf den Arbeitgeber in Zeiten polarisierender Krisen

Frau und Mann in Diskussion

Einleitung

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und gilt selbstverständlich auch im Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer dürfen sich daher auch im Betrieb politisch äußern und zum Tagesgeschehen Stellung nehmen. Arbeitgeber haben politische Diskussionen im Unternehmen regelmäßig zu dulden, sofern die Arbeitnehmer hierdurch nicht gegen ihre Arbeitspflicht verstoßen. Wie die Fälle der prominenten Fußballprofis El Ghazi und Mazraoui zeigen, die in Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt öffentlich kontrovers diskutierte Posts in den sozialen Netzwerken absetzten, können Meinungsäußerungen von Arbeitnehmer:innen aber auch für handfeste Konflikte im Arbeitsverhältnis sorgen. Denn Arbeitnehmer:innen geben ihre politischen und weltanschaulichen Haltungen nicht am Werkstor ab. Gerade in Zeiten multipler Krisen bleiben dabei Konflikte im Arbeitsverhältnis nicht aus. Wie weit das Recht der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis reicht und wann Arbeitnehmer:innen durch ihre Äußerungen gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen, beleuchtet dieser Blogbeitrag.

I. Situation am Arbeitsplatz – Die Meinungsfreiheit gilt auch im Arbeitsverhältnis

Das Grundgesetz gewährleistet im Rahmen der Meinungsfreiheit wertendes Dafür- oder Dagegenhalten etwa in Bezug auf politische Fragen und Ereignisse. Die Meinungsfreiheit endet aber dort, wo es dem Äußernden ausschließlich auf die Herabwürdigung des Gegenübers oder bestimmter Personengruppen ankommt.

Sie gilt auch im Arbeitsverhältnis, wird dort aber ebenfalls nicht schrankenlos gewährleistet. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und darf ihm daher durch seine Äußerungen nicht schaden. Hier muss die Rücksichtnahmepflicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung abgewogen werden. Doch wo genau verläuft die Grenze zwischen zulässiger Meinungsäußerung und Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis? 

Verbot provozierender Meinungsäußerungen im Betrieb

Paradigmatisch für diese schwierige Abgrenzung stehen die Entscheidungen des BAG zum Tragen von „Anti-Franz-Josef-Strauß-Plaketten“ im Betrieb, die in den 80er Jahren die Gemüter erhitzten. Danach können provozierende Meinungsäußerungen im Betrieb eine Kündigung rechtfertigen, wenn durch diese eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist. Hierzu sind Störungen im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter („Betriebsfrieden“), im Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich erforderlich. Diese Voraussetzungen sah das BAG etwa als gegeben an, wenn ein Mitarbeiter demonstrativ im Betrieb eine auffällig gestaltete „Anti-Strauß-Plakette“ trägt, der Anblick der Plakette die Aufmerksamkeit andersdenkender Mitarbeiter auf sich zieht, diese sich der Meinungsäußerung nicht entziehen können und hierdurch von der Arbeit abgehalten werden (Urteil vom 9.12.1982 – 2 AZR 620/80).

Der Sachverhalt mag aus heutiger Sicht skurril anmuten. Die vom BAG skizzierten Grundsätze sind aber auch heute noch maßgeblich, wenn es um kontroverse Meinungsäußerungen von Arbeitnehmer:innen geht, die zwar provozieren, mit denen die Arbeitnehmer:innen aber den Boden der Meinungsfreiheit nicht verlassen. Die Hürden für das Vorliegen einer Pflichtverletzung sind in diesem Zusammenhang hoch. Soll mit der Störung des Betriebsfriedens argumentiert werden, kann es etwa erforderlich sein, dass Mitarbeiter:innen sich weigern, mit den andersdenkenden Kolleg:innen zusammenzuarbeiten, und es muss zu konkreten Störungen im Betriebsablauf kommen. Mangels derartiger Weigerungen hielt etwa das LAG Nürnberg (Urteil vom 13.1.2004 – 6 Sa 128/03) eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer für unwirksam, der sich im Pausenraum befürwortend im Hinblick auf die Anschläge vom 11. September 2001 äußerte. Die Äußerungen stießen in der Belegschaft zwar auf Ablehnung; der Arbeitgeber konnte aber nicht hinreichend darlegen, dass die Belegschaft eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer verweigert hat.

Verbot rassistischer, menschenverachtender oder volksverhetzender Äußerungen

Andere Maßstäbe gelten dann, wenn Arbeitnehmer:innen mit radikalen Äußerungen den Boden der Meinungsfreiheit verlassen. Kommt in Äußerungen von Arbeitnehmer:innen eine  eindeutig rassistische, menschenverachtende oder volksverhetzende Gesinnung zum Ausdruck, können sie sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Es kann dann eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vorliegen, wenn sie sich in einer solchen Weise gegenüber Kolleg:innen oder Kund:innen des Arbeitgebers äußern. So erblicken die Gerichte insbesondere in rassistischen Äußerungen (etwa die Bezeichnung einer Vorgesetzten als „Ming-Vase“) gegenüber Kolleg:innen regelmäßig einen Grund zum Ausspruch einer Kündigung, die je nach Einzelfall auch ohne vorherige Abmahnung wirksam sein kann.

Der Graubereich dazwischen – Wie weit reicht die Meinungsfreiheit?

Wann besteht für Arbeitgeber eine rechtliche Handhabe, wenn Arbeitnehmer:innen im Zusammenhang mit einer der diversen aktuellen globalen Konfliktlagen kontroverse Meinungen äußern und der Betriebsfrieden gefährdet zu sein scheint?

Die Schwierigkeit liegt für Arbeitgeber bei der Handhabung von Äußerungen, bei denen nicht eindeutig feststeht, dass sie noch unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen oder sich außerhalb dessen befinden. Denn von der Meinungsfreiheit geschützt sind Äußerungen auch dann, wenn sie begründet oder grundlos sind, emotional oder rational sind, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos angesehen werden.

So verlassen Mitarbeiter:innen in aller Regel nicht bereits den Boden der Meinungsfreiheit, wenn sie im Gespräch mit Kolleg:innen offen Solidarität mit einer Konfliktpartei der zahlreichen Konflikte äußern, die sich gerade global zutragen. Die bloße Äußerung eines Zugehörigkeits- oder Verbundenheitsgefühls muss regelmäßig hingenommen werden, auch wenn sich etwa aufgrund der Aktualität der Thematik kontroverse Positionen in der Belegschaft gegenüberstehen. Provozieren Arbeitnehmer:innen jedoch ihre Kolleg:innen durch fortgesetzte Meinungsäußerungen, können sich die Kolleg:innen den Äußerungen nicht entziehen und kommt es hierdurch zu Störungen in den betrieblichen Abläufen, kann die Schwelle zur Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten allerdings überschritten sein.

Eine rote Linie wird auch dann überschritten, wenn Mitarbeiter:innen über Solidaritätsbekundungen hinaus etwa einen Angriffskrieg oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen kriegerischer Konflikte betriebsöffentlich gutheißen. Nicht nur kann in einem solchen Verhalten eine während der Arbeitszeit begangene Straftat (§ 140 StGB) liegen, auch können sich von dem Konflikt mittelbar oder unmittelbar betroffene Kolleg:innen angegriffen fühlen. Erschwerend kann es sich auswirken, wenn Arbeitnehmer:innen für derartige Äußerungen auf Betriebsmittel des Arbeitgebers zurückgreifen. Das kann etwa der Fall sein, wenn sie zur Kundgabe ihrer Auffassungen den betrieblichen E-Mail-Verteiler des Arbeitgebers nutzen. In solchen Fällen können Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung berechtigt sein.

II. Privat ist privat?

Äußern sich Arbeitnehmer:innen dagegen während ihrer Freizeit, ist dies grundsätzlich deren Privatsache. Es gibt keine allgemeine arbeitsvertragliche Pflicht zum „Wohlverhalten“ in der Freizeit. Fälle wie die Social Media Posts der beiden genannten Fußballprofis zeigen aber, dass Arbeitgeber in besonderen Fällen ein Interesse daran haben können, dass Arbeitnehmer:innen auch privat auf die Interessen der Arbeitgeber Rücksicht nehmen – etwa dann, wenn die Äußerungen der Arbeitnehmer:innen auf den Arbeitgeber zurückfallen. Es besteht dann ein Bezug zwischen dem Verhalten der Arbeitnehmer:innen in der Freizeit und ihrem Arbeitsverhältnis. In solchen Fällen können Arbeitnehmer:innen auch im privaten Kontext dazu verpflichtet sein, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Derartige Pflichten können insbesondere in Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Netzwerke bestehen.

Bezug zum Arbeitsverhältnis durch die Ausgestaltung des Nutzerprofils auf Social Media

Wann in Fällen der Nutzung von Social Media durch Arbeitnehmer:innen in der Freizeit ein konkreter Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben sein kann, veranschaulicht eine Entscheidung des LAG Sachsen (Urteil vom 27.2.2018 – 1 Sa 515/17):

In diesem Fall unterhielt der Arbeitnehmer unter seinem Namen ein Profil bei Facebook, in dem er seinen Beruf als Straßenbahnfahrer und seinen Arbeitgeber (eine kommunale Gesellschaft) angab. Auf seinem Profilbild trug der Arbeitnehmer die Dienstkleidung seines Arbeitgebers. Mit dem so gestalteten Profil setzte der Kläger zwei ausländerfeindliche Kommentare auf Facebook ab. Das Gericht hielt die aufgrund der beiden Posts vom Arbeitgeber ausgesprochene außerordentliche Kündigung für wirksam. Aufgrund der Ausgestaltung des Profils auf Facebook des Arbeitnehmers war ein Bezug zwischen den beiden ausländerfeindlichen Posts zum Arbeitsverhältnis gegeben. Durch die Kundgabe seiner ausländerfeindlichen Gesinnung hat der Arbeitnehmer gegen die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verstoßen, der ein Interesse daran hat, hiermit nicht in Verbindung gebracht zu werden. 

Verfassen Arbeitnehmer:innen also eigene Beiträge auf Social Media mit etwa ausländerfeindlichen Inhalten, mit denen sie den Boden der Meinungsfreiheit verlassen, können Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung berechtigt sein, wenn das Nutzerprofil oder der Inhalt des Beitrages einen Bezug zum Arbeitgeber aufweisen.

Liken und Teilen von Beiträgen auf Social Media als Kündigungsgrund?

Soziale Netzwerke sehen neben dem Absetzen von eigenen Kommentaren eine Vielzahl an Möglichkeiten vor, mit den Beiträgen anderer Nutzer zu interagieren. Kann eine kündigungsrelevante Äußerung eines Arbeitnehmers auch in dem „Liken“ oder Teilen problematischer Beiträge Dritter liegen?

Das „Liken“ strafbarer Inhalte

Bei einem sogenannten „Like“ (zu Deutsch etwa: „gefällt mir“) versieht der Nutzer des sozialen Netzwerks den Beitrag eines Dritten mit einer nonverbalen eigenen Erklärung („Daumen hoch“). Der Erklärungsgehalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Deutsche Arbeitsgerichte haben das „Liken“ strafbarer Inhalte auf Facebook bislang stets als Zustimmung zum jeweiligen Inhalt und damit als entsprechende Meinungsäußerung des Arbeitnehmers gewertet. Die aufgrund des „Likens“ problematischer Inhalte ausgesprochenen Kündigungen scheiterten bislang jedoch auf der Ebene der Interessenabwägung. Denn das „Liken“ als regelmäßig spontane Reaktion stelle nicht mehr als ein unüberlegtes „Kopfnicken“ dar. Als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten fallen sie daher schwächer ins Gewicht als eine „eigene“ Meinungsäußerung (etwa ArbG Kaiserslautern, Urteil vom 19.7.2016 – 8 Ca 316/16). Diese Beurteilung liegt auf der Linie der aktuellen Rechtsprechung des EGMR, der im Hinblick auf einen „Like“ neben der Auslegung als Zustimmung offenbar auch die Auslegung als bloße Interessensbekundung für denkbar hält (EGMR, Urteil vom 15.6.2021 – 35786/19). 

Ob es sich bei einem „Like“ tatsächlich um eine unüberlegte und damit abgeschwächte Form der Meinungsäußerung handelt, wird somit vom konkreten Fall abhängen. So kann etwa beim seriellen Liken problematischer Inhalte ein und desselben Autors ein überlegtes Handeln vorliegen. Das nachweislich überlegte „Liken“besonders drastischer Inhalte könnte somit im Einzelfall eine Kündigung rechtfertigen. 

Das Teilen strafbarer Inhalte

Daneben bieten zahlreiche soziale Netzwerke eine Funktion an, mittels derer Beiträge Dritter im eigenen Bekanntenkreis geteilt werden können. Die geteilten Beiträge können vom Nutzer dabei auch mit einem eigenen Kommentar versehen werden. Bei der Frage, ob mit dem bloßen Teilen eine Zueignung der fraglichen Inhalte und damit eine Meinungsäußerung des Teilenden einhergeht, differenzieren deutsche Gerichte danach, ob der geteilte Beitrag mit einem zustimmenden Kommentar durch den Arbeitnehmer versehen wird. Ansonsten könne es sich – anders als beim „Liken“ – auch um eine bloße Weiterverbreitung ohne Zueignung des fraglichen Inhalts handeln (OLG Dresden, Urteil vom 7.2.2017 – 4 U 1419/16).

Auch dann, wenn Arbeitnehmer:innen strafbare Inhalte in den sozialen Netzwerken „lediglich“  teilen, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, ob darin ein Zueigenmachen der strafbaren Äußerung und damit unter Umständen ein Kündigungsgrund gesehen werden kann. Bei dem wiederholten Teilen vergleichbarer strafbarer Inhalte kann viel dafür sprechen, dass in dem Teilen auch eine Zustimmung zur fraglichen Position kundgegeben wird. 

Fazit

Aufgrund des Schutzes der Meinungsfreiheit müssen Arbeitgeber sorgfältig abwägen, wie sie auf kontroverse Meinungsäußerungen im Betrieb reagieren. Häufig dürfte zunächst ein klärendes Gespräch mit den Arbeitnehmer:innen zu suchen sein. Belassen es Arbeitnehmer:innen aber nicht dabei, z.B. politisch für eine der Konfliktparteien der derzeitigen globalen Krisen Partei zu ergreifen, sondern heißen sie betriebsöffentlich begangene Kriegsverbrechen gut, kann ein Grund zum Ausspruch einer Kündigung gegeben sein. Gleiches gilt, wenn eine Äußerung in Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit umschlägt. Findet das fragliche Verhalten der Arbeitnehmer:innen in deren Privatbereich, z.B. den sozialen Netzwerken, statt, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein, wenn das Nutzerprofil oder der Post einen Bezug zum Arbeitgeber aufweist.

Britta Alscher

Britta Alscher ist spezialisiert auf die Beratung von Unternehmen zu Compliance-Themen und die rechtlichen Aspekte des betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Florian Lutz

Florian Lutz ist spezialisiert auf Fragen bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen sowie des Betriebsverfassungsrechts.

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