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Keine private Handynutzung während der Arbeit – darf der Arbeitgeber das einseitig ohne Beteiligung des Betriebsrats bestimmen?

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Einleitung

Der treue Begleiter des Menschen – nein, hiermit ist gerade nicht der Hund gemeint, sondern ein kleiner allgegenwärtiger Gegenstand: Das Handy. Insbesondere wenn es sich hierbei um ein internetfähiges Smartphone handelt, befindet es sich in der Regel jederzeit in Greifweite. Egal, ob bei einem Restaurantbesuch auf dem Tisch, beim Fernsehen auf dem Sofa oder auch während der Arbeit auf dem Schreibtisch. Dieses Kommunikationsmedium ermöglicht nicht nur fortwährende Erreichbarkeit, sondern birgt auch das Risiko der permanenten Ablenkung. Besonders am Arbeitsplatz kann dies beim Arbeitgeber auf Verärgerung stoßen. Während stetig neue Apps in den Stores auf den Download warten, rückt zunehmend die Frage in den Vordergrund: Darf ich als Arbeitgeber am Arbeitsplatz die Nutzung des Privathandys verbieten? Und inwiefern hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht?  

I. Grundsätzliche Möglichkeit des Ausspruchs eines Handyverbots

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber befugt, ein Handyverbot am Arbeitsplatz gegenüber den Arbeitnehmern auszusprechen, unabhängig davon, ob die Möglichkeit eines Handyverbots bereits im Arbeitsvertrag explizit geregelt ist. Eine solche Anordnung fällt gemäß § 106 GewO unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss allerdings die Grenzen billigen Ermessens berücksichtigen und muss etwa in Notfällen die Nutzung dulden. 

II. Beschluss des BAG vom 17.10.2023

Bis zu einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17.10.2023 (Az.: 1 ABR 24/22) herrschte jedoch bzgl. der Frage, ob dem Betriebsrat bei der Frage eines Handyverbots am Arbeitsplatz ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zusteht, aufgrund divergierender Entscheidungen der Instanzrechtsprechung Unklarheit. 

1. Anlass der Entscheidung: Konflikt mit dem Betriebsrat

Der aktuellen Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin, ein Automobilzulieferer, wies die Arbeitnehmer durch eine im Betrieb ausgehängte Mitarbeiterinformation an, dass „jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet“ sei. Bei Verstößen drohte die Arbeitgeberin arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur fristlosen Kündigung an. Der Betriebsrat forderte daraufhin die Arbeitgeberin auf, diese Maßnahme zu unterlassen und wies in diesem Zusammenhang auf sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hin. Der Betriebsrat stieß sich insbesondere an dem Umstand, dass es an einigen Arbeitsplätzen in den Bereichen Produktion und Versand häufiger zu Arbeitsunterbrechungen aufgrund eines notwendigen Maschinenumbaus oder ausstehender Wareneingänge kam. In dieser Zeit konnten die Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin anderweitig eingesetzt werden oder sollten anfallende Nebenarbeiten erledigen, wie Aufräumen des Arbeitsplatzes oder Nachfüllen von Verbrauchsmaterial. Der Betriebsrat argumentierte, insbesondere in Zeiten, in denen keine Arbeit anfalle, kollidiere die Verwendung von Mobiltelefonen und Smartphones nicht mit der vertraglichen Pflichterfüllung. Die Arbeitgeberin hielt das Handyverbot jedoch weiterhin aufrecht.

2. Das sagt das BAG

Auf das vom Betriebsrat eingeleitete Beschlussverfahren hin entschied das BAG, dass die einseitige Anordnung des Handyverbots durch die Arbeitgeberin nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt.

2.1. Unterscheidung zwischen betrieblicher Ordnung und Arbeitsverhalten 

Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu, wenn es sich um eine Frage der betrieblichen Ordnung handelt. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Hiervon zu unterscheiden sind Maßnahmen des Arbeitgebers, die das sogenannte Arbeitsverhalten regeln. Diese sind nicht mitbestimmungspflichtig, da mit diesen Maßnahmen die Arbeitspflicht unmittelbar abgefordert oder konkretisiert wird. Wirkt die Maßnahme des Arbeitgebers sowohl auf das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten, ist der überwiegende Regelungszweck maßgeblich. 

2.2. Handyverbot zielt auf Steuerung des Arbeitsverhaltens ab

Die Weisung der Arbeitgeberin, während der Arbeitszeit keine Handys zu privaten Zwecken zu nutzen, zielt darauf ab, ein zügiges und konzentriertes Arbeiten der Arbeitnehmer zu gewährleisten und Ablenkung zu unterbinden. Sie ist daher auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet. Nach Ansicht des BAG verfügen Handys über eine Vielzahl unterschiedlichster Funktionen, die Arbeitnehmer von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung abhalten könnten, wie u.a. Telefonate führen, (Sprach-)Nachrichten versenden bzw. empfangen oder auf im Internet verfügbare Inhalte wie soziale Netzwerke zugreifen. Die typischen Verwendungsarten von Handys erfordern eine aktive Bedienung. Dies soll während der Arbeitszeit unterbleiben. Das BAG hebt hervor, dass entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch keine andere Beurteilung geboten ist, weil das Handyverbot auch Zeiträume umfasst, in denen es zu betriebsbedingten Arbeitsunterbrechungen kommen kann. Auch während dieser Zeiten ist die Arbeitgeberin aufgrund des Direktionsrechts berechtigt, die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer einzufordern. Dem Betriebsrat steht damit nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitgeberin die Handynutzung auch während einer Arbeitsunterbrechung untersagt, ein Mitbestimmungsrecht zu. Ein Mitbestimmungsrecht steht dem Betriebsrat auch nicht aufgrund der Möglichkeit zu, dass das Handyverbot auch das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen kann. Dies sei zwar nicht generell ausgeschlossen, das BAG betont aber, dass es auf den überwiegenden Regelungszweck der Maßnahme ankommt. Dieser betrefft vorliegend das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer. 

III. BAG distanziert sich von früherer Rechtsprechung in der „Radioentscheidung“ 

Das BAG hatte sich bereits in der Vergangenheit mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Medienkonsum der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zu beschäftigen. In seiner sogenannten Radioentscheidung vom 14.01.1986 (Az.: 1 ABR 75/83) entschied das BAG darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern verbietet, im Betrieb während der Arbeitszeit Radio zu hören. Dies bejahte das BAG. Die Frage, ob im Betrieb während der Arbeitszeit Radio gehört werden darf, betreffe die Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer. Mitbestimmungsfrei seien Anordnungen des Arbeitgebers, die das Arbeitsverhalten betreffen, wenn der Arbeitgeber also näher bestimmt, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen sind. Das Verbot Radio zu hören, betreffe aber gerade nicht die Frage, in welcher Weise bestimmte Arbeiten auszuführen sind. Ein Arbeitnehmer sei bereits aufgrund seines Arbeitsvertrags verpflichtet, konzentriert und fehlerfrei zu arbeiten. Es bedürfe damit keiner Weisung des Arbeitgebers, um eine entsprechende Pflicht zu begründen. Ein Arbeitnehmer könne seine Arbeit konzentriert, zügig und fehlerfrei verrichten, selbst wenn er dabei Radio hört. Arbeite der Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Konzentration fehlerhaft, verstoße er gegen seine Pflichten, unabhängig davon, ob die Pflichtverletzung auf das Radiohören zurückzuführen sei. Der Arbeitgeber könne das Verhalten des Arbeitnehmers zwar beanstanden, er könne ihm aber nicht vorschreiben, wie er die Ursachen seiner fehlerhaften Arbeitsleistung beseitigen müsse. Plakativ führt das BAG aus, der Arbeitgeber könne dem Arbeitnehmer schließlich auch nicht vorschreiben, wann er zu Bett gehen müsse, um konzentriert arbeiten zu können. Es könne dagegen nicht ausgeschlossen werden, dass das Radiohören andere Arbeitnehmer bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung störe. Nach alledem betreffe ein Radioverbot die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer.

In der Folge wurde in der Instanzrechtsprechung die Auffassung vertreten, auch ein Handyverbot unterliege der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dieser Rechtsprechung erteilt das BAG nun eine klare Absage.  

Zur Feststellung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nutzt das BAG zwar damals wie auch heute die Unterscheidung zwischen betrieblicher Ordnung und Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer. Insoweit hält das BAG an seiner damaligen Rechtsprechung im Rahmen der Radioentscheidung fest. 

Explizit stellt der Senat jedoch fest, dass er an einem etwaigen engeren Verständnis des Begriffs des Arbeitsverhaltens aus der Radioentscheidung nicht mehr festhalte. Dennoch bleibt angesichts der offensichtlichen Unterschiede zwischen der Nutzung eines Radios und eines Handys offen, ob ein Radioverbot nicht auch aus heutiger Sicht mitbestimmungspflichtig ist. Es muss stets im Einzelfall der objektive Schwerpunkt der Maßnahme und somit der konkrete Regelungszweck ermittelt werden.

IV. Bedeutung für die Praxis/Fazit

Die Entscheidung des BAG vom 17.10.2023 bringt überzeugend Klarheit für Arbeitgeber, nachdem die Instanzgerichte die Frage nach dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einem Handyverbot bislang unterschiedlich beurteilt haben. Das BAG stellt klar, dass das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats vom überwiegenden Regelungszweck der Maßnahme abhängt. 

Arbeitgeber sollten bei Maßnahmen, die sowohl das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betreffen, im Einzelfall sorgfältig prüfen, welchem Bereich die Maßnahme schwerpunktmäßig zuzuordnen ist und vorhandene Spielräume bei der konkreten Ausgestaltung der Maßnahme nutzen. Betrifft der überwiegende Regelungszweck der Maßnahme die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung, unterliegt sie keiner Mitbestimmung. Die Argumentation des BAG im entschiedenen Fall dürfte den Arbeitgebern einige Spielräume eröffnen, aber auch Diskussionen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten über den überwiegenden Regelungszweck einer Maßnahme entfachen.  

Dr. Eva Trost

Dr. Eva Trost ist spezialisiert auf Restrukturierungen, Massenentlassungen sowie auf die Bereiche Arbeitnehmerüberlassung und Datenschutz.

Franziska Kuse

Franziska Kuse ist spezialisiert auf Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen.

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