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Zulässigkeit und Grenzen der Herausnahme zweckbefristet Beschäftigter aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans

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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat am 20. September 2022 im Einklang mit der Rechtsprechungslinie des Bundesarbeitsgerichts eine weitere Entscheidung zur Zulässigkeit und den Grenzen der Herausnahme zweckbefristet Beschäftigter aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans getroffen. Neben der Besprechung des neuen Urteils wirft dieser Beitrag auch einen Blick auf die Grundsätze zum Geltungsbereich von Sozialplänen bei befristeten Beschäftigten.

Die Entscheidung in Kürze

Bei der Herausnahme zweckbefristet Beschäftigter aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans liegt dann eine Benachteiligung aufgrund der Befristung vor, die nach § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, wenn sich der Zweck der Befristung mit der Betriebsänderung in Form einer Betriebsschließung inhaltlich deckt (LAG Berlin-Brandenburg vom 20.9.2022 – 8 Sa 425/22). Das Arbeitsverhältnis endet dann nicht nur wegen bzw. aufgrund der Befristung, sondern aufgrund der Betriebsschließung. Zweckbefristet beschäftigte Arbeitnehmende sind daher der gleichen Überbrückungssituation ausgesetzt und benötigen den gleichen Ausgleich wie unbefristet Beschäftigte; sie können sich ebenso wenig auf eine Beendigung einstellen und haben ebenso wenig Einfluss darauf wie befristet beschäftigte Arbeitnehmende.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob der zweckbefristet beschäftigte Kläger Ansprüche aus einem Sozialplan auf Zahlung einer Abfindung hat. Die Beklagte betrieb ein Betankungsunternehmen für Flugzeuge, in welchem der Kläger seit Juli 2013 als Flugzeugtankwart beschäftigt war. Er war zunächst in einem kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnis und seit Juli 2014 in einem zweckbefristeten Arbeitsverhältnis tätig. Hintergrund der Zweckbefristung war die anstehende Schließung des Flughafens, auf dem die Parteien die Betankungen vornahmen, sowie die korrespondierende Betriebsschließung bei der Beklagten. Die Beklagte schloss deshalb ab 2012 nur noch zweckbefristete Verträge mit ihren Mitarbeitern ab. Die Schließung des Flughafens verzögerte sich allerdings bis 2020. Bis dahin war der Kläger weiterhin bei der Beklagten im zweckbefristeten Arbeitsverhältnis tätig. 

Aufgrund der anstehenden Schließung des Flughafens schloss die Beklagte bereits 2014 mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan ab. Nach diesem wurden alle befristet Beschäftigten aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans ausgenommen. Außerdem sollte der Sozialplan nur für Arbeitnehmer gelten, die bereits am 30.6.2012 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten standen.

Die Beklagte teilte dem Kläger im April 2020 mit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristungsabrede am 30.11.2020 enden werde. Vorsorglich kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum selben Zeitpunkt. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung der Abfindung aus dem Sozialplan.

Die Entscheidung

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, die Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte Erfolg. Das Berufungsgericht bejahte einen Anspruch des Klägers aus dem Sozialplan i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG und § 134 BGB. 

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG dürfen befristet beschäftigte Arbeitnehmende wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als vergleichbare unbefristet Beschäftigte, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

Das Berufungsgericht sah in der Herausnehme von befristet Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans eine ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund der Befristung. 

Die Regelung des Sozialplans, welche Mitarbeitende, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen, unabhängig davon, wann dieses begründet wurde, aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans ausnimmt, führt zu einer Benachteiligung aller zweckbefristet Beschäftigten. Auch die Stichtagsregelung stellte ein Schlechterstellung dar, da von dieser alle befristet Beschäftigten betroffen waren. 

Das Landesarbeitsgericht sah auch keinen sachlichen Grund für die Schlechterstellung aufgrund Befristung. Zwar haben die Betriebsparteien einen Gestaltungsspielraum bei der Frage, ob und in welchem Umfang sie die durch die Betriebsschließung entstehenden Nachteile ausgleichen wollen. Sie müssen jedoch auch den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG beachten. Maßgeblich ist dabei, ob ein Sachgrund für die Gruppenbildung gegeben war, d. h., ob die Herausnahme von befristet Beschäftigten mit dem durch den Sozialplan verfolgten Zweck zu vereinbaren war. Zweck eines Sozialplans ist der zukunftsbezogene Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile infolge einer Betriebsänderung.

Gemessen daran ist ein befristet Beschäftigter von der Betriebsschließung genauso betroffen, wie ein unbefristet Beschäftigter. Sowohl der unbefristet Beschäftigte als auch der befristet Beschäftige kannten den konkreten Zeitpunkt der Beendigung nicht. Beide Gruppen waren der gleichen Ungewissheit, den gleichen Planungsschwierigkeiten und der gleichen – unsicheren – Situation ausgesetzt, ob wie und wann eine Überbrückung in eine Anschlussbeschäftigung erforderlich werden würde. Es liegt gerade nicht die Situation vor, wonach das Arbeitsverhältnis nicht wegen der Betriebsänderung endet, sondern wegen bzw. aufgrund der Befristung. Ohne die gleichzeitige Betriebsschließung wäre das Arbeitsverhältnis des zweckbefristet beschäftigten Klägers nicht beendet, sondern fortgesetzt worden. Dies ist nicht vergleichbar mit einer Situation, in der sich ein Arbeitnehmender darauf einstellen kann, dass sein Arbeitsverhältnis – ohne Veranlassung des Arbeitgebenden – an einem festgelegten Kalendertag enden wird.

Gleiches gilt für die Stichtagsregelung des Sozialplans. Diese ist nur dann zulässig, wenn sie Leistungen auf die Beschäftigten beschränkt, die Nachteile durch die Betriebsänderung haben. Vorliegend haben jedoch die durch die Stichtsgsregelung ausgeschlossenen befristet Beschäftigten dieselben Nachteile wie die unbefristet Beschäftigten. 

Damit liegt eine Benachteiligung durch beide vorgenannten Regelungen im Sozialplan vor, ohne dass ein rechtfertigender Sachgrund besteht. Die Regelungen sind unwirksam, es besteht ein Anspruch auf Abfindung.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts geht konform mit einer Reihe von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit der Herausnahme befristet Beschäftigter aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans. Es lassen sich dabei folgende Fallgruppen bilden:

Fallgruppe 1: Arbeitsverhältnis endet aufgrund Befristung

Zweck eines Sozialplans ist der zukunftsbezogene Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile infolge einer Betriebsänderung. Es muss deshalb eine Kausalität zwischen dem Ausscheiden des Beschäftigten und der Betriebsänderung bestehen. 

Endet ein Arbeitsverhältnis aufgrund einer vertraglich vereinbarten Befristung, so ist diese Voraussetzung grundsätzlich nicht erfüllt und eine Herausnahme der befristet Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans zulässig und sachgerecht.

Fallgruppe 2: Arbeitsverhältnis endet aufgrund von Zweckbefristung, welche an die Betriebsänderung anknüpft

Anders gelagert ist der Fall bei einem zweckbefristeten Arbeitsvertrag, bei dem eine in der Zukunft geplante Betriebsänderung den Zweck darstellt, der die Befristung sachlich rechtfertigt. Mit dem Eintritt des Zwecks und der dadurch bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses realisiert sich dann nämlich die sozialplanpflichtige Betriebsänderung. Die Herausnahme dieser Arbeitnehmergruppe aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans stellt eine Umgehung der Sozialplanpflicht für Betriebsänderungen dar. 

Fallgruppe 3: Arbeitsverhältnis endet aufgrund von Zweckbefristung, welche an die Betriebsänderung anknüpft, der Termin war jedoch vereinbart worden

Endet das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Zweckbefristung, welche an die Betriebsänderung anknüpft, haben die Parteien jedoch einen Beendigungstermin vereinbart, so sind drei verschiedene Konstellationen zu unterscheiden:

Endet das Arbeitsverhältnis aufgrund der an die Betriebsänderung geknüpften Zweckbefristung vor Ablauf der kalendermäßigen Befristung, so ist allein erstere kausal und eine Herausnahme aus dem Geltungsbereich nicht möglich. Es handelt sich um eine mit der Fallgruppe 2 vergleichbare Konstellation.

Endet das Arbeitsverhältnis zum vereinbarten Zeitpunkt der Befristungsabrede aber vor der Betriebsänderung, so ist die kalendermäßige Befristungsabrede kausal und die Herausnahme des befristet Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des Sozialplans zulässig.

Schwieriger ist nun der Fall zu beurteilen, in dem der tatsächliche Beendigungszeitpunkt mit der kalendermäßigen Befristungsabrede und der Zweckbefristung, welche an die Betriebsänderung anknüpft, zusammenfällt. In dieser Konstellation sind sowohl die kalendermäßige Befristungsabrede als auch die mit der Betriebsschließung korrespondierende Zweckbefristung kausal für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Ausgehend vom Sinn und Zweck des Sozialplans, dem Abfedern von wirtschaftlichen Nachteilen aufgrund von Arbeitsplatzverlust durch Betriebsänderung, lässt sich vertreten, dass eine Herausnahme aus dem Geltungsbereich des Sozialplans möglich ist, da die Arbeitnehmenden aufgrund der kalendermäßigen Befristung wissen, wann der Arbeitsplatz entfallen wird. Auch ohne Eintreten der Betriebsänderung und Eintritt des Zweckbefristungsgrundes wäre das Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf beendet worden. Dies unterscheidet diese Konstellation von der reinen Zweckbefristung, bei welcher das Enddatum offen und die Betriebsänderung allein kausal für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. 

Es erscheint aber auch vertretbar, dass aufgrund der Kausalität der Betriebsänderung die etwaige Herausnahme der befristet Beschäftigten aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans eine Umgehung der Sozialplanpflicht für Betriebsänderungen darstellt. Dies ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, sodass aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen wäre, befristet Beschäftigte nicht aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans auszunehmen.

Fallgruppe 4: Arbeitsverhältnis endet aufgrund von Zweckbefristung, welche nicht an die Betriebsänderung anknüpft

Davon ist wiederum die Konstellation zu unterscheiden, bei welcher das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Zweckbefristung endet, welche nicht an die Betriebsänderung anknüpft, wie zum Beispiel eine Elternzeitvertretung. Endet das Arbeitsverhältnis regulär am Ende der Elternzeitvertretung, welche nur zufällig mit der Betriebsänderung zusammenfällt, so ist die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans zulässig. Es fehlt dann an der Kausalität zwischen Betriebsänderung und dem Ausscheiden des Beschäftigten. 

Anders zu beurteilen wäre der Fall jedoch, wenn der zweckbefristete Vertrag vor Ende der Elternzeitvertretung aufgrund der Betriebsänderung endet. Dann ist die Betriebsänderung kausal für das Ende des Arbeitsverhältnisses und die Arbeitnehmenden können nicht vom Sozialplan ausgenommen werden. 

Fallgruppe 5: Arbeitsverhältnis endet aufgrund sachgrundloser kalendermäßiger Befristung, welche mit Betriebsänderung zusammenfällt

Auch für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund sachgrundloser kalendermäßiger Befristung endet und der Zeitpunkt nur zufällig mit der Betriebsänderung zusammenfällt, ist eine Herausnahme der Arbeitnehmehmenden aus dem Geltungsbereich des Sozialplans möglich. Grund für das Ausscheiden der Beschäftigten ist dabei die Befristung, nicht die Betriebsänderung. Es besteht die Möglichkeit, sich im Vorfeld nach einer neuen Beschäftigung umzusehen, da der Beendigungszeitpunkt bekannt ist. Es gibt keine grundsätzliche Pflicht der Arbeitgebenden, etwaige wirtschaftliche Nachteile einer Befristung auszugleichen.

Eine solche Zweckbefristung mit festem Beendigungstermin ist im Übrigen auch dann wirksam, wenn sich der Termin als falsch erweist. Es kommt hier entscheidend darauf an, dass im Zeitpunkt der Befristungsabrede eine zutreffende Prognose zugrunde lag.

Fallgruppe 6: Arbeitsverhältnis endet nicht aufgrund von Befristung, sondern durch betriebsbedingte Kündigung oder durch Aufhebungsvertrag aufgrund einer Betriebsänderung 

Gleiches muss gelten, wenn Arbeitnehmende wegen einer Betriebsänderung zu einem früheren Zeitpunkt durch betriebsbedingte Kündigung oder durch Aufhebungsvertrag ausscheiden, da dann wiederum die Betriebsänderung den Beendigungsgrund darstellt und nicht die Befristung. In diesen Fällen ist die Herausnahme von zweckbefristet Beschäftigten aus dem Geltungsbereich von Sozialplänen ebenfalls unzulässig.

Fazit 

Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung und dem neu ergangenen Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist eine relativ hohe Rechtssicherheit gegeben, wenn beurteilt werden soll, ob ein (zweck)befristet Beschäftigter von dem Anwendungsbereich eines Sozialplans zulässigerweise ausgenommen werden kann. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung oder aufgrund der Betriebsänderung endet.

Thomas Wahlig

Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.

Linda Wetzl, LL.M.

Linda Wetzl ist spezialisiert auf Kündigungsrechtsstreitigkeiten, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen, die Gestaltung von Arbeitsverträgen und Auflösungsvereinbarungen sowie auf tarifrechtliche Fragestellungen.

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