Die
Anzahl übergewichtiger Menschen in Deutschland ist seit Jahren konstant hoch.
Etwa jeder zweite Erwachsene ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes übergewichtig.
Dies beschäftigt nicht nur die Krankenkassen, sondern in jüngerer Zeit auch die
Arbeitsgerichte.
Das
LAG Niedersachen (Urteil v. 29.11.2016, Az. 10 Sa 216/16) musste sich mit der
Frage auseinandersetzen, ob eine (schwere) Adipositas eine Behinderung
darstellt. In dem Fall ging es um die Wirksamkeit einer Befristung. Es war
streitig, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Befristungsabrede wegen
Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen unwirksam war.
Die Unwirksamkeit der Befristungsabrede hätte nach § 16 S. 1 TzBfG
ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zur Folge, welches frühestens zum
vereinbarten Ende ordentlich – unter Beachtung etwaigen Kündigungsschutzes –
hätte gekündigt werden können.
Der
Kläger war bei der Beklagten befristet von März 2014 bis Februar 2016 als
Kraftfahrer im öffentlichen Dienst beschäftigt. Zum Zeitpunkt seiner
Einstellung wies der Kläger bereits einen Body-Mass-Index (BMI) von 41,67 kg/m²
entsprechend einer Adipositas Grad III auf. Im Rahmen der Einstellungsuntersuchung
wurden– von einem erhöhten Belastungsblutdruck abgesehen – keine
Auffälligkeiten festgestellt. Während seiner Beschäftigung wurden dem Kläger
gute Leistungen von seinem Vorgesetzten bescheinigt.
Eine
weitere ärztliche Untersuchung anlässlich der Übernahme in ein unbefristetes
Beschäftigungsverhältnis ergab zwar einen BMI von nunmehr 44,5 kg/m². Dennoch
war der Kläger weiterhin uneingeschränkt in der Lage, seiner Tätigkeit
nachzugehen. Trotz guter Leistungen des Klägers erfolgte keine Übernahme in ein
unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Dies begründete die Beklagte damit,
dass – wie von der untersuchenden Ärztin bestätigt – die Besorgnis bestehe,
dass mittelfristig mit einer Gesundheitsgefährdung zu rechnen sei.
Hierin
sah der Kläger eine Diskriminierung wegen einer Behinderung.
Das
LAG Niedersachsen hat sich der Auffassung des Klägers jedoch nicht
angeschlossen.
Im
Dezember 2014 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es kein
allgemeines Diskriminierungsverbot wegen Adipositas gibt, da die Erkrankung
ihrem Wesen nach nicht zwangsläufig eine Einschränkung zur Folge habe. Gleichwohl
könne eine Adipositas als Behinderung im Sinne der Antidiskriminierungsrichtlinie
eingestuft werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen hierfür erfüllt seien.
Dieser Rechtsprechung hat sich das LAG Niedersachsen angeschlossen.
Das
LAG hat den Begriff der Behinderung unter Bezugnahme auf den EuGH definiert als
Einschränkung, die insbesondere auf
physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die
in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen
und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern,
hindern kann. Dies sei etwa auf Grund eingeschränkter Mobilität oder bei
Auftreten von tätigkeitshinderlichen Krankheitsbildern der Fall. Nur wenn diese
Umstände bedingt durch die Adipositas hinzutreten, kann eine Behinderung in
diesem Sinne vorliegen. Diese Umstände müssen jedoch vom Betroffenen dargelegt
und bewiesen werden. Der Vortrag, die bloße Nichtverlängerung des
Arbeitsverhältnisses belege bereits die Einschränkung bei der Teilhabe am
Arbeitsleben, ist nicht ausreichend, sondern stellt vielmehr einen
Zirkelschluss dar.
Die
Beklagte hat dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf Grund der
mittelfristig zu befürchtenden Gesundheitsgefährdung versagt. Dann kann nach
Auffassung des LAG Niedersachsen während der Beschäftigung keine Behinderung
vorliegen, da eine Gesundheitsgefährdung erst für die Zukunft prognostiziert
wurde, aber derzeit noch nicht vorliegt.
Die
Entscheidung zeigt, dass allein starkes Übergewicht noch nicht für die Annahme
einer Behinderung ausreicht. Erforderlich sind vielmehr besondere Umstände, die
gesondert vorliegen und vor Gericht vorgetragen werden müssen.