Mit der Einführung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) hat der
Gesetzgeber Praktikanten zu Arbeitnehmern im Sinne des MiLoG erklärt und für sie
damit eine Mindestvergütung sichergestellt. Ausgenommen von der
Mindestlohnpflicht wurden in § 22 Abs. 1 MiLoG allerdings drei besondere
Praktikumskonstellationen:
- das in einer Ausbildungsordnung vorgeschriebene
Pflichtpraktikum,
- das Praktikum von bis zu drei Monaten zur
Orientierung für eine Berufs- oder Hochschulausbildung sowie
- das ausbildungs- oder studienbegleitende
Praktikum von bis zu drei Monaten, wenn nicht schon zuvor ein solches
Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat.
Nach dem Gesetzestext gilt in zwei der drei Fälle die
Ausnahme vom Mindestlohn nur für Praktika, die eine Dauer von höchstens drei
Monaten nicht überschreiten. Doch wie diese zeitliche Grenze genau zu lesen
ist, darüber wird in der Rechtsprechung und Literatur gestritten. Sind damit
nur Praktika ausgeschlossen, die von Anfang an länger geplant waren oder auch solche, bei denen eine spätere Abänderung
der ursprünglichen Planung dazu führt, dass die drei Monate überschritten
werden? Kommt es bei der Überschreitung auf die formale Dauer des Bestehens des
Praktikumsverhältnisses an oder darauf, dass der Praktikant sein Praktikum tatsächlich
für eine Dauer von mehr als drei Monaten „ableistet“? Und wenn eine
Überschreitung der drei Monate die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns
begründet – gilt dies dann von Tag 1 des Praktikums an (ex tunc) oder erst
ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Überschreitung (ex nunc)?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einer aktuellen
Entscheidung (BAG vom 30. Januar 2019 – 5 AZR 556/17) die
Gelegenheit, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Die Praktikantin einer
Reitanlage legte ihren Fall – ein die drei Monate überdauerndes
(Orientierungs-)Praktikum – zur Überprüfung vor.
In der Berufungsinstanz beim Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf
war die Klage der Praktikantin abgewiesen worden (LAG Düsseldorf vom 25.
Oktober 2017 – 7 Sa 995/16). Das LAG hatte entschieden, dass ihr Praktikum als
ein dreimonatiges Orientierungspraktikum für eine Berufs- oder
Hochschulausbildung anzusehen sei. Dass es sich inhaltlich um ein Praktikum und
nicht ein Arbeitsverhältnis gehandelt hatte, war zwischen beiden Parteien zuletzt
unstreitig. Streitig war aber insbesondere, ob die Dauer von drei Monaten
überschritten worden war. Rein formal hatte das Praktikum nämlich am 3. Oktober
2015 begonnen und erst am 25. Januar 2016 geendet – zwischen Beginn und Ende
lagen also mehr als drei Monate. Die Praktikantin war allerdings vom 3. bis
zum 6. November 2015 arbeitsunfähig erkrankt und hatte sich vom 20.
Dezember 2015 bis zum 11. Januar 2016 wegen eines von ihr gewünschten Familienurlaubs
– absprachegemäß – nicht auf der Reitanlage befunden.
Das LAG nahm an, dass es bei § 22 Abs. 1 MiLoG darauf
ankomme, ob ein über drei Monate hinausgehendes Praktikum tatsächlich „geleistet“
worden sei. Zulässig sei dabei insbesondere eine Aufteilung des zu leistenden
Praktikums in mehrere Abschnitte, die zusammengerechnet drei Monate nicht
überschreiten dürften. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Sinn und Zweck der
gesetzlichen Regelung ließen auf den Willen des Gesetzgebers schließen, dass
eine zeitliche Unterbrechung des Dreimonatszeitraums nicht möglich sein solle.
Insbesondere die Tatsache, dass § 22 Abs. 1 MiLoG anders als etwa im
Kündigungsschutzgesetz nicht die Formulierung „ohne Unterbrechung“ verwende,
zeige den Willen des Gesetzgebers. Auch der Sinn und Zweck der zeitlichen
Höchstbegrenzung – die Verhinderung der Ausnutzung einer „kostenlosen
Hilfskraft“ über eine bestimmte Praktikumsdauer hinaus – stehe einer Aufteilung
auf Zeitabschnitte nicht entgegen. Wenn eine solche Aufteilung Gegenstand einer
vorherigen Absprache zwischen den Parteien sei und auf Wunsch und im Interesse
des Praktikanten erfolge, seien die Unterbrechungszeiten bei der Dreimonatsgrenze
nicht mitzurechnen. Einer vorherigen Absprache bedürfe es vor allem, um einer
missbräuchlichen Ausklammerung nicht geleisteter Praktikumstage im Nachhinein
entgegenzuwirken.
Das BAG ist in seiner Entscheidung der Vorinstanz gefolgt.
Es schloss sich sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung dem LAG
an. Ein Praktikum könne jedenfalls aus Gründen in der Person des Praktikanten
rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit
verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und
zeitlicher Zusammenhang bestehe und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt
nicht überschritten werde.
Neu ist insoweit der Verweis des BAG auf die Notwendigkeit
eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs. Damit möchte das BAG evtl. ausschließen,
dass unterschiedliche Kurz-Praktika nachträglich und missbräuchlich in ein
einheitliches Praktikum umdeklariert werden. So sind etwa ausbildungs- oder
studienbegleitende Praktika von bis zu drei Monaten Dauer nur einmal beim
demselben Ausbildenden möglich, ohne dass der Mindestlohn gewährt werden muss (§ 22 Abs. 1 Nr. 3MiLoG).
Inwieweit sich das Bundesarbeitsgericht in den
Urteilsgründen auch zur Frage äußern wird, ob ohne die absprachegemäßen
Unterbrechungen eine Mindestlohnpflicht ex tunc oder ex nunc bestanden hätte,
bleibt abzuwarten, da bisher nur die Pressemitteilung vorliegt. Das LAG hatte
diese Frage offen gelassen. Die ganz große Klärung der Mindestlohnfragen im
Praktikum ist daher vorerst noch ausgeblieben.