Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 18. Februar 2020 (3 AZR 206/18) zur Haftung von Arbeitgebern für falsche Auskünfte und Informationen gegenüber Arbeitnehmern entschieden. Obwohl die Urteilsgründe nicht vorliegen, lassen sich wesentliche Aspekte der Entscheidung bereits aus der Pressemitteilung (Nr. 8/20) und den Entscheidungen der Vorinstanzen entnehmen.
Sachverhalt
Der Kläger war zwischen 1983 und 2014 bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer im kommunalen Öffentlichen Dienst“ (TV-EUmw/VKA) hatte der Kläger die Möglichkeit, Teile seines Arbeitsentgelts in Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln (sog. „Entgeltumwandlung“).
Als Partner für die Entgeltumwandlung wählte die Beklagte die zur Sparkassengruppe M gehörende „neue leben Pensionsverwaltung AG“. Mit dieser schloss sie einen „Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse bzw. eine Direktversicherung“ ab.
Auf Einladung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats fand bei der Beklagten im April des Jahres 2003 eine Betriebsversammlung statt. In diesem Rahmen informierte ein Mitarbeiter der Sparkasse als „Fachberater für betriebliche Altersversorgung“ über Fragen der Entgeltumwandlung. Daraufhin entschloss sich der Kläger im September 2003 zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung mit der „neue leben Pensionsverwaltung AG“. Als Versicherungsbeginn wurde der 1. Dezember 2003 vereinbart.
Seit dem 1. Dezember 2014 bezieht der Kläger eine Altersrente. Die betriebliche Rentenversicherung mit der „neue leben Pensionsverwaltung AG“ übernahm er vereinbarungsgemäß bei seinem Ausscheiden bei der Beklagten und kündigte sie zum 31. Januar 2015, woraufhin ihm der angesparte Kapitalbetrag in Höhe von EUR 35.704,00 EUR abzüglich der darauf entfallenden Steuern ausgezahlt wurde.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung am 23. September 2003 bestand für Einmalzahlungen aus einer betrieblichen Altersversorgung keine Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Dies änderte sich jedoch mit Wirkung zum 1. Januar 2004. Mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf befasste sich der Bundestag bereits im Frühjahr des Jahres 2003. Am 9. September 2003 wurde er in erster Lesung beraten und am 14. November 2003 als „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ verabschiedet. Demnach waren fortan Einmalzahlungen, wie sie der Kläger im Jahr 2015 von der „neue leben Pensionsverwaltung AG“ erhalten hatte, mit einem Einundzwanzigstel für maximal 21 Monate in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtig.
Mit Schreiben vom 15. März 2016 forderte die Krankenversicherung des Klägers von diesem die Nachzahlung der auf die Einmalzahlung entfallenden Beiträge für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe von insgesamt EUR 1.253,16.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hätte ihn über das laufende Gesetzgebungsverfahren und den Umstand, dass deshalb ab dem 1. Januar 2004 für Einmalzahlungen aus der betrieblichen Altersversorgung Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten sind, informieren müssen. Die Nichtaufklärung stelle einen Beratungsfehler dar, für den die Beklagte hafte. Ohne die Aufklärung habe er einen möglichen Schaden nicht kalkulieren, geschweige denn von der Entgeltumwandlung Abstand nehmen können. Der Mitarbeiter der Sparkasse sei als Erfüllungsgehilfe der Beklagten anzusehen, so dass diese auch für dessen Verfehlungen hafte.
Er forderte von der Beklagten deshalb Schadensersatz in Höhe der nachzuzahlenden Krankenversicherungsbeiträge.
Instanzenzug
Das Arbeitsgericht Dortmund (Urteil vom 11. Mai 2017 – 3 Ca 177/17) hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Die Beklagte habe den Kläger nicht falsch oder unzureichend informiert und habe im Übrigen auch keine gesteigerten Hinweis- und Aufklärungspflichten gehabt.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 6. Dezember 2017 – 4 Sa 852/17, juris) das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 1.253,16 zu zahlen.
Demnach habe die Beklagte den Kläger über die mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingetretene Beitragspflicht informieren müssen. Dies sei Ausfluss der sich aus den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB ergebenden Nebenpflichten der Beklagten, die Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden könne. Hieraus ergäben sich auch Hinweis- und Informationspflichten, die sich nicht darin erschöpften, nur keine falschen oder unvollständige Informationen zu erteilen. Vielmehr müssten Arbeitgeber gerade bei erkennbaren Informationsbedürfnissen der Arbeitnehmer auch von sich aus geeignete Hinweise geben. Dies gelte erst recht bei komplexen Themen wie der betrieblichen Altersversorgung. Gerade bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen sei der Arbeitnehmer in erhöhtem Maße schutzbedürftig, weil es dort nicht allein um Vertrauensschutz, sondern unmittelbar um Entgeltschutz ginge.
Die Beklagte habe den Kläger deshalb bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über die zu diesem Zeitpunkt schon absehbare Gesetzesänderung und deren Auswirkungen auf den Kläger informieren müssen. Jedenfalls aber müsse sie sich die Kenntnis des Sparkassenmitarbeiters zurechnen lassen, der bei Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung unstreitig Kenntnis hatte. Dieser sei als Erfüllungsgehilfe der Beklagten im Sinne von § 278 Abs. 1 BGB anzusehen.
Entscheidung des BAG
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Nach Ansicht des BAG haftet der Arbeitgeber zwar grundsätzlich für Schäden, die seinen Arbeitnehmern aufgrund falscher oder unvollständiger Auskünfte entstanden sind. Dies gelte auch dann, wenn er zur Auskunft nicht verpflichtet war, sie aber dennoch erteilt hat.
Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber den Kläger aber zu keinem Zeitpunkt über Sachverhalte informiert, die durch die (geplante) Gesetzesänderung zu seinen Lasten geändert wurden. Hierzu sei er auch nicht verpflichtet gewesen, da ihn keine allgemeine Pflicht zur Wahrung der Vermögensinteressen der Arbeitnehmer treffe. Es könne deshalb auch dahinstehen, ob der Sparkassenmitarbeiter als Erfüllungsgehilfe der Beklagten anzusehen sei.
Fazit
Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen.
Zwar sind die endgültig abgefassten Entscheidungsgründe noch abzuwarten.
Die vom Landesarbeitsgericht Hamm vorgenommene Ausweitung der Auskunfts- und Informationspflichten würde in Fällen wie dem vorliegenden aber eine unbillige Haftungsverschiebung zu Ungunsten des Arbeitgebers bedeuten. Die Leistungsbeziehung bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen bestand im vorliegenden Fall zwischen Arbeitnehmer und Versicherung. Die hierauf bezogenen, vom LAG Hamm bemühten Aufklärungs- und Informationspflichten aus den §§ 241 Abs. 2, 242 BGB können deshalb auch nur in diesem Verhältnis zum Tragen kommen und ggf. eine Haftung auslösen. Dies ist insbesondere deshalb sachgerecht, weil eine Versicherungsgesellschaft naturgemäß wesentlich besser und umfassender über die mit dem Versicherungsverhältnis einhergehenden, den Versicherungsnehmer betreffenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Implikationen informiert ist.
Etwas Anderes kann richtigerweise nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber sich in dieses Verhältnis „einmischt“ und aus freien Stücken Informationen und Auskünfte erteilt. In einem solchen Fall ist es aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen, dem Arbeitgeber die Haftung für die Richtigkeit dieser Auskünfte und Informationen aufzubürden.
Aufgrund des hohen Haftungsrisikos für Falschinformationen ist Arbeitgebern deshalb unbedingt dazu zu raten, vor der Erteilung von Auskünften und Informationen gegenüber Arbeitnehmern genau zu prüfen, ob sie hierzu verpflichtet sind. Dies gilt nach der nun ergangenen Entscheidung des BAG insbesondere dann, wenn neben dem Arbeitnehmer noch ein Dritter, bspw. eine Versicherung beteiligt ist.