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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte kürzlich im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde (Beschluss vom 2. November 2020, Az.: 1 BvR 2727/19) darüber zu entscheiden, ob eine außerordentliche Kündigung in Folge einer rassistischen Äußerung einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellt. Daraufhin entbrannte eine hitzige Diskussion in der Rechtswissenschaft und in den sozialen Netzwerken; weniger aufgrund der Entscheidung des BVerfG, sondern mehr aufgrund eines „Kommentars“ des Juristen Dr. Rüdiger Zuck in der arbeitsrechtlichen Fachzeitschrift NZA, der sich in erschreckendem Maße rassistischer Stereotype bediente und die Entscheidung des Gerichts scharf kritisierte.
Beleidigungen in der Betriebsratssitzung
Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 2017 im Rahmen einer Betriebsratssitzung bei einem heftigen Wortgefecht gegenüber einem dunkelhäutigen Kollegen die Laute „Ugha, Ugha!“ geäußert, woraufhin sein Kollege ihn als „Stricher“ bezeichnete. Anschließend ereilte den Beschwerdeführer, der bereits einschlägig abgemahnt worden war, die fristlose Kündigung, woraufhin dieser Kündigungsschutzklage erhob. Die Arbeitsgerichte erachteten die Kündigung als rechtmäßig und erklärten das Arbeitsverhältnis für beendet.
Das LAG Köln (Urteil vom 6. Juni 2019, Az.: 4 Sa 18/19) hatte in seiner Entscheidung mit beeindruckendem Argumentationsaufwand den Sinngehalt der vom Beschwerdeführer getätigten Äußerungen ausgelegt und die Sache einer umfangreichen Beweisaufnahme unterzogen. Die Kammer zog dabei auch die vier Kommunikationsebenen nach Schulz von Thun heran und kam zu dem Ergebnis: Es ging auf allen vier Ebenen nicht lediglich um eine schlicht derbe Beleidigung seines Kollegen, sondern um eine menschenverachtende und rassistische Beleidigung. Daran ändere auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts, es sei nicht rassistisch gemeint gewesen, „Affe“ sei nichts anderes als „Sau“ und schließlich sei auch Oliver Kahn mit Bananen beworfen worden. Der Beschwerdeführer blieb im gesamten Verfahren uneinsichtig und das LAG kam zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung des bereits einschlägig abgemahnten Klägers rechtmäßig war und das Arbeitsverhältnis beendet hatte. Ein milderes Mittel sei bei einer solch schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung und Uneinsichtigkeit nicht ersichtlich gewesen und eine einschlägige Abmahnung war der außerordentlichen Kündigung ebenfalls vorangegangen.
Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG
Nach einem kurzen Abstecher zum Bundesarbeitsgericht, fühlte sich der Beschwerdeführer schließlich durch die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Die Arbeitsgerichte hätten sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht gegenüber dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers abgewogen und man dürfe ihm außerdem keine rassistische Grundhaltung vorwerfen.
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Die Verfassungsbeschwerde wäre auch unbegründet gewesen, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.
Die Instanzgerichte hätten die Wertungen aus Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde), Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG (Diskriminierungsverbot) nicht verkannt und damit sei der Beschwerdeführer durch die Entscheidungen auch nicht in seinen Grundrechten verletzt. Der Eingriff in die Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen sei gerechtfertigt. Die Meinungsfreiheit trete nämlich zurück, wenn menschenverachtende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigungen oder Schmähkritik darstellen. Das hätten die Arbeitsgerichte unter Anwendung von §§ 104, 75 Abs. 1 BetrVG und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag finden, auch nicht verkannt. Die Arbeitsgerichte hätten ausführlich begründet, dass und warum es sich um eine menschenverachtende Äußerung handelt, welche die Menschenwürde tangiert.
Zutreffend sei die konkrete Situation von den Arbeitsgerichten als maßgeblich angesehen worden, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wurde. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal nicht nur eine derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, war nicht zu beanstanden. Auch die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 BGB geforderte Gesamtabwägung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nebenbei betont der Senat unter Verweis auf § 3 Abs. 3 AGG, § 12 Abs. 3 AGG und § 75 Abs. 1 BetrVG noch ausdrücklich, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, ihr Personal vor rassistischen Anfeindungen zu schützen.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen?
Im Ergebnis keine überraschende Entscheidung aus Karlsruhe, aber eine richtige. Überraschend vielleicht nur, dass es der Nichtannahmebeschluss in die Pressemitteilungen des BVerfG geschafft hat.
Auf den Beitrag des Herrn Dr. Zuck möchten wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen – nicht zuletzt, um die dort verwendeten rassistischen Stereotypen nicht zu reproduzieren. Der Beck Verlag hat in der Zwischenzeit reagiert, sich entschuldigt und von Rassismus „distanziert“ (und den Beitrag jedenfalls aus dem Online Zugriff entfernt). Das ist im Ergebnis gut und richtig. Der Inhalt des Beitrages lässt sich unter keinem Gesichtspunkt beschönigen oder rechtfertigen. Nur dürfen wir eines nicht vergessen: All das löst nicht das Grundproblem. Und das Grundproblem ist ein in unserer Gesellschaft (offenbar) tief verwurzelter Rassismus, mit dem wir uns dringend auseinandersetzen müssen. Das zeigt nicht zuletzt die hier besprochene Entscheidung und die Kommentierung von Zuck. Wie es bereits das BVerfG wiederholte, ist es auch die Pflicht von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, ihre Angestellten vor rassistischen und menschenverachtenden Übergriffen und Anfeindungen zu schützen. Es muss auch ein anderes Verständnis und eine andere Sensibilität dafür erzeugt werden, wo Rassismus beginnt und was man eben nicht mehr sagen und tun sollte. Dies ist eine gesellschaftliche Aufgabe und der Fall, dem die Entscheidung des BVerfG zugrunde liegt und ihre Kommentierung durch Zuck zeigen, dass auf diesem Weg noch sehr viel zu tun ist.
Thomas Wahlig
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