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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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EU-Richtlinie transparente Arbeitsbedingungen – Umsetzung in Österreich

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Mit unserem Blogbeitrag vom 26.3.2024 haben wir bereits über die – voraussichtlich – kommenden gesetzlichen Änderungen des Nachweisgesetzes berichtet und die Frage aufgeworfen, ob jetzt der digitale Arbeitsvertrag in Deutschland kommt.

Nachfolgend nun der Blick über die Grenze und zu den Neuerungen diesbezüglich in Österreich – ein Beitrag von Dr. Anna Mertinz aus Wien:

Am 28.2.2024 beschloss der österreichische Nationalrat die Umsetzung einiger Neuerungen im Arbeitsrecht im Sinne der EU-Richtlinie transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen („Arbeitsbedingungenrichtlinie“). 

Die Gesetzesänderungen sind mit 28.3.2024 in Kraft getreten (öBGBl. I Nr. 11/2024).

Neuerungen im Zusammenhang mit dem Dienstzettel (§ 1164a ABGB, § 2 AVRAG)

Nach österreichischem Recht ist es Pflicht des Arbeitgebers, einen Dienstzettel auszustellen. Dieser Dienstzettel hat gewisse Mindestangaben zu enthalten. Der Dienstzettel ist kein Vertrag, sondern eine Wissenserklärung des Arbeitgebers über die vereinbarten Rechte und Pflichten. Der Dienstzettel ist den Arbeitnehmenden unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. In der Praxis wird meist ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, der über die Mindestangaben eines Dienstzettels hinaus noch Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien enthält. Im Fall eines schriftlichen Arbeitsvertrages, der alle Mindestangaben erhält, ist kein zusätzlicher Dienstzettel erforderlich. 

Für ab 28.3.2024 neu abgeschlossene Dienstverhältnisse gibt es nun erweiterte Mindestangaben.

(Neue verpflichtende Informationen für echte Dienstnehmende sind fett gekennzeichnet):

1. Name und Anschrift des Arbeitgebers,

2. Name und Anschrift des Arbeitnehmers,

3. Beginn des Arbeitsverhältnisses,

4. bei Arbeitsverhältnissen auf bestimmte Zeit das Ende des Arbeitsverhältnisses,

5. Dauer der Kündigungsfrist, Kündigungstermin, Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren,

6. gewöhnlicher Arbeits(Einsatz)ort, erforderlichenfalls Hinweis auf wechselnde Arbeits(Einsatz)orte, Sitz des Unternehmens,

7. allfällige Einstufung in ein generelles Schema,

8. vorgesehene Verwendung und kurze Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung,

9. die betragsmäßige Höhe des Grundgehalts oder -lohns, weitere Entgeltbestandteile wie z.B. Sonderzahlungen, gegebenenfalls die Vergütung von Überstunden, Fälligkeit und Art der Auszahlung des Entgelts,

10. Ausmaß des jährlichen Erholungsurlaubes,

11. vereinbarte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers, sofern es sich nicht um Arbeitsverhältnisse handelt, auf die das Hausbesorgergesetz, BGBl. Nr. 16/1970, anzuwenden ist, gegebenenfalls Angaben zu den Bedingungen für die Änderung von Schichtplänen, und

12. Bezeichnung der auf den Arbeitsvertrag allenfalls anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (Kollektivvertrag, Satzung, Mindestlohntarif, festgesetzte Lehrlingsentschädigung, Betriebsvereinbarung) und Hinweis auf den Raum im Betrieb, in dem diese zur Einsichtnahme ausliegen,

13. Name und Anschrift des Trägers der Sozialversicherung und der Betrieblichen Vorsorgekasse (BV-Kasse) des Arbeitnehmers oder für Arbeitnehmer, die dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, unterliegen, Name und Anschrift der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse,

14. Dauer und Bedingungen einer vereinbarten Probezeit,

15. gegebenenfalls den Anspruch auf eine vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung.

Die Angaben gemäß den Ziffern 5, 6, 9 (ausgenommen die Angaben zum Grundgehalt oder-lohn), 10, 11, 14, 15 können durch Verweis auf die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen abgedeckt werden.

Neuerungen im Zusammenhang mit Informationspflichten bei längeren Dienstreisen und Entsendungen 

Ist der/die echte Dienstnehmende voraussichtlich länger als einen Monat im Ausland, muss ihm/ihr vor der Abreise Folgendes schriftlich mitgeteilt werden (Neuerungen fett):

1. der Staat, in dem die Arbeitsleistung erbracht werden soll und deren voraussichtliche Dauer,

2. die Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist,

3. allenfalls Bedingungen für die Rückführung nach Österreich und

4. allfällige zusätzliche Vergütung für die Auslandstätigkeit einschließlich eines höheren Mindestentgelts nach den lohnrechtlichen Bestimmungen des Staates, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird,

5. allfälliger Aufwandersatz nach anwendbaren österreichischen Bestimmungen und nach den Bestimmungen des Staates, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird,

6. einen Hinweis auf die Website des Staates, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems, ABl. Nr. L 159 vom 28.05.2014, S. 11.

Neuerungen in Bezug auf freie Dienstnehmende § 1164a Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Unter freien Dienstverhältnissen versteht man „Dienstnehmende“, die im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses Arbeitsleistungen für einen anderen erbringen, dabei aber nicht als persönlich abhängig anzusehen sind. Da es sich nicht um ein echtes Dienstverhältnis handelt, gelten sie rechtlich als Selbstständige. Je nach Ausgestaltung können diese „freien Dienstverhältnisse“ eher arbeitnehmerähnlich oder eher als selbstständig qualifiziert werden. Die Pflicht zur Ausstellung eines Dienstzettels (und weitere Arbeitnehmerschutzvorschriften) gilt nur für arbeitnehmerähnliche freie Dienstnehmende im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (§ 4 Abs 4 ASVG). 

Für solche ab 28.3.2024 neu abgeschlossene freie Dienstverhältnisse gibt es nun erweiterte Mindestangaben.

(Neue verpflichtende Informationen für freie Dienstnehmende sind fett gekennzeichnet):

  1. Name und Anschrift des Dienstgebers, Sitz des Unternehmens,
  2. Name und Anschrift des freien Dienstnehmers,
  3. Beginn des freien Dienstverhältnisses,
  4. bei freien Dienstverhältnissen auf bestimmte Zeit das Ende des freien Dienstverhältnisses,
  5. Dauer der Kündigungsfrist, Kündigungstermin,
  6. vorgesehene Tätigkeit und eine kurze Beschreibung dieser Tätigkeit,
  7. Entgelt, Fälligkeit und Art der Auszahlung des Entgelts,
  8. Name und Anschrift des Trägers der Sozialversicherung und der Betrieblichen Vorsorgekasse (BV-Kasse) des freien Dienstnehmers.

Neuerungen im Zusammenhang mit Informationspflichten bei längeren Dienstreisen und Entsendungen von freien Dienstnehmenden

Ist der/die freie Dienstnehmende voraussichtlich länger als einen Monat im Ausland, muss ihm/ihr vor der Abreise Folgendes schriftlich mitgeteilt werden:

  1. der Staat, in dem die Tätigkeit erbracht werden soll und deren voraussichtliche Dauer,
  2. die Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist,
  3. allenfalls Bedingungen für die Rückführung nach Österreich und
  4. allfällige zusätzliche Vergütung für die Auslandstätigkeit,
  5. allfälliger Aufwandersatz und
  6. einen Hinweis auf die Website des Staates, in dem die Tätigkeit erbracht wird, nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems.

Verwaltungsstrafen bei Verstößen

Hat der/die ArbeitgeberIn dem/der ArbeitnehmerIn den Dienstzettel nach § 2 AVRAG nicht ausgehändigt, ist dieser/diese von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 100 Euro bis zu 436 Euro zu bestrafen.

Sind mehr als fünf Arbeitnehmende betroffen oder wurde der/die ArbeitgeberIn innerhalb der letzten drei Jahre vor der neuerlichen Übertretung nach dieser Bestimmung rechtskräftig bestraft, beträgt die Geldstrafe 500 Euro bis 2000 Euro.

Für die Einhaltung der genannten Regeln bzw. für die Strafen haften bei juristischen Personen und eingetragenen Personengesellschaften jene Personen, die zur Vertretung nach außen berufen sind, sofern kein verantwortlicher Beauftragter bestellt ist. Bei einer GmbH sind dies beispielsweise die handelsrechtlichen Geschäftsführer. 

Motivkündigungsschutz 

Arbeitnehmende dürfen wegen des Verlangens eines Dienstzettels nicht gekündigt werden. Dies ist nun ausdrücklich in § 15 AVRAG geregelt.

Recht auf Mehrfachbeschäftigung

Es gibt nun ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung (§2i AVRAG). Das bedeutet, es ist möglich neben einem bestehenden Arbeitsverhältnis ein weiteres einzugehen. Die Nebentätigkeit darf nicht (mehr) unter dem Vorbehalt der vorherigen Genehmigung stehen. Eine Nebentätigkeit kann allerdings untersagt werden, wenn sie die Arbeitsleistung beeinträchtigt oder mit den arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist. Arbeitnehmende dürfen zudem aufgrund eines weiteren Arbeitsverhältnisses nicht gegenüber anderen Mitarbeitenden benachteiligt oder deshalb gekündigt werden. Es besteht also ein Motivkündigungsschutz.

Aus-, Fort- und Weiterbildungen als Arbeitszeit 

Aus-, Fort- und Weiterbildungen (§ 11b AVRAG), die aufgrund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Vorschriften, Verordnungen oder einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag, Voraussetzung für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit der Arbeitnehmenden sind, sind als Arbeitszeit zu werten und vom Arbeitgeber zu bezahlen (wenn die Kosten nicht von einem Dritten (z.B. vom AMS) getragen werden.). Auch hierfür wurden ein spezieller Motivkündigungsschutz und ein explizites Benachteiligungsverbot eingeführt.

Dr. Anna Mertinz steht Ihnen zur weiteren Beratung gern zur Verfügung.

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