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“Einrichtungsbezogene Impfpflicht” – ein zahnloser Papiertiger?

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Eines der ersten Projekte der neuen Bundesregierung war Ende 2021 die Verabschiedung des §20a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG). Umgangssprachlich wird §20a IfSG als „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ bezeichnet. Bei genauerer Betrachtung ist §20a IfSG aber nichts anderes als ein Immunitätsnachweis und mitnichten eine gesetzliche Impfpflicht! Aber nicht nur die Bezeichnung ist verwirrend, auch viele Fragen der Umsetzung sind nach wie vor ungeklärt.

Was regelt §20a IfSG?

§20a Abs.1 IfSG legt fest, dass Personen, die in den dort genannten Einrichtungen, also z.B. in einem Krankenhaus, einer Arztpraxis oder einem Altenwohnheim, tätig sind, nach dem 15. März 2022 entweder „geimpft oder genesen“ sein müssen oder nicht geimpft werden können. Die Regelung ist befristet bis 31. Dezember 2022.

Wer gilt als geimpft oder genesen?

Wichtig ist zu beachten, dass grundsätzlich nur asymptomatische Personen als geimpft oder genesen gelten. Asymptomatisch sind Personen, bei denen kein typisches Symptom oder sonstiger Anhaltspunkt für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegt. Als Symptome gelten Atemnot, Husten, Fieber und Geruchs- oder Geschmacksverlust (§ 2 Nr. 1 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV).

Geimpft ist jemand, der einen Impfnachweis hat (§ 2 Nr. 2 SchAusnahmV). Diesen Impfnachweis erhält, wer eine Impfung mit einem zugelassenen Impfstoff in der erforderlichen Anzahl erhalten hat (§ 2 Nr. 3 SchAusnahmV). Details, welche Impfstoffe das sind und wie häufig eine Impfung zu erfolgen hat, finden sich auf der Homepage des Paul-Ehrlich-Instituts (www.pei.de/impfstoffe/covid-19).

Genesen ist, wer einen Genesenennachweis hat (§2 Nr. 4 SchAusnahmV). Diesen Nachweis erhält, wer durch eine vorherige Infektion einen Immunitätsschutz erworben hat (§2 Nr. 5 SchAusnahmV). Details legt das Robert-Koch-Institut fest (www.rki.de/covid-19-genesenennachweis). Seit Mitte Januar gilt der Genesenenstatus nur noch 90 Tage.

Was müssen Arbeitgeber vor dem 15. März 2022 beachten?

§20a IfSG unterscheidet zwischen Beschäftigten, die bereits in einer der genannten Einrichtungen beschäftigt sind, und solchen, die nach dem 15. März 2022 erstmals in einer solchen Einrichtung arbeiten.

Zunächst treffen die Beschäftigten Pflichten. Sie müssen bis 15. März 2022 entweder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis vorlegen, aus dem sich ergibt, dass eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.

Legt der Beschäftigte keinen entsprechenden Nachweis vor oder hat der Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit, hat der Arbeitgeber das zuständige Gesundheitsamt hierüber zu unterrichten. Im Rahmen dieser Unterrichtung hat der Arbeitgeber auch personenbezogene Daten zu übermitteln.

Bei Personen, die ab 16. März 2022 erstmals in einer Einrichtung tätig werden sollen, muss der Nachweis vor dem Beginn der Tätigkeit vorliegen. Auch hier gilt: bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit ist das zuständige Gesundheitsamt zu unterrichten.

Verliert der Nachweis seine Gültigkeit (beim Genesenennachweis nach 90 Tagen), ist ein neuer Nachweis innerhalb eines Monats nach Ende der Gültigkeit vorzulegen. Genau wie bei dem erstmaligen Nachweis ist das Gesundheitsamt zu unterrichten, falls kein Nachweis erbracht wird oder Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit bestehen.

Das Gesundheitsamt kann den Arbeitnehmer dann seinerseits zur Vorlage des Nachweises auffordern. Bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Attestes darüber, dass eine Person aufgrund einer medizinische Kontraindikation nicht geimpft werden kann, hat das Gesundheitsamt das Recht, eine ärztliche Untersuchung hierüber anzuordnen.

Letztlich kann das Gesundheitsamt dann anordnen, dass eine Person in einem solchen Unternehmen nicht mehr tätig werden oder es nicht mehr betreten darf. Es ist also denkbar, dass ein Betretungsverbot ausgesprochen wird, aber der Arbeitnehmer noch im Homeoffice für das Unternehmen tätig werden darf.

Es handelt sich in jedem Fall um eine Ermessensentscheidung im Einzelfall. Umso mehr erstaunt es, wenn einzelne Gesundheitsämter bereits jetzt ankündigen, keine Beschäftigungs- oder Betretungsverbote auszusprechen. Eine pauschale Absage an Beschäftigungs- und Betretungsverbote ist mit einer Ermessensentscheidung im Einzelfall nicht vereinbar.

Darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter nach dem 15. März 2022 ohne Vorlage eines Nachweises noch beschäftigen?

Höchst umstritten und nach wie vor ungeklärt ist, ob ein Arbeitgeber Mitarbeiter nach dem 15. März 2022 ohne Vorlage eines entsprechenden Nachweises weiter beschäftigen darf. Die Systematik des Gesetzes spricht eher dafür. Zwar handelt es sich bei dem Nachweis ausweislich der Gesetzesbegründung um eine Tätigkeitsvoraussetzung. Man könnte daher vermuten, dass bei Fehlen einer Tätigkeitsvoraussetzung auch ein Beschäftigungsverbot besteht. Die eben dargestellte Systematik, wonach am Ende das Gesundheitsamt über ein Beschäftigungs- oder Betretungsverbot entscheidet, spricht aber eindeutig dagegen. Ein automatisches Tätigkeits- oder Beschäftigungsverbot würde wohl einen so schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Arbeitnehmer einerseits und der Unternehmen andererseits darstellen, dass dieser kaum zu rechtfertigen wäre. Wenn der Nachweis dazu dient, die sog. vulnerablen Gruppen zu schützen, erscheint es kaum nachvollziehbar, warum ein Mitarbeiter in der Verwaltung des Krankenhauses, der in einem Gebäude arbeitet, in dem keine kranken Menschen behandelt werden, dort nicht weiter tätig sein sollte. Gleiches gilt für das Pflegepersonal in Kinderkliniken, die in der Regel ebenfalls kaum Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben.

Derzeit hoffen viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Klarstellung durch den Gesetzgeber. Bis dahin gehen wir davon aus, dass weder ein Tätigkeits- noch ein Beschäftigungsverbot besteht.

Darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter, der keinen Nachweis vorliegt, freistellen?

Ein generelles Recht zur Freistellung gibt es sicherlich nicht. Im Einzelfall kann eine Freistellung aber durchaus gerechtfertigt sein, wenn ansonsten der Schutz anderer Personen nicht sicher gestellt werden kann. Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalls. Die Testpflicht am Arbeitsplatz für nicht genesene oder geimpfte Personen gilt weiter, ferner sind auch Hygienevorschriften zu beachten. Im Grundsatz spricht also nichts gegen eine Fortsetzung der Beschäftigung. 

Muss der Arbeitgeber die Vergütung im Falle einer Freistellung zahlen?

Leider gibt es hierzu auch noch keine Klarheit. Wenn dem Arbeitnehmer eine Tätigkeitsvoraussetzung fehlt und der Arbeitgeber im Einzelfall ein Recht zur Freistellung hat, dann spricht aus unserer Sicht viel dafür, dass kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht. 

Dr. Michael Witteler
Dr. Michael Witteler

Dr. Michael Witteler ist spezialisiert auf datenschutzrechtliche Angelegenheiten an der Schnittstelle von Arbeitsrecht und Datenschutz. Er ist Head der PWWL Practice Group Data & Privacy.

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