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Darf der Arbeitgeber Impfungen gegen das Coronavirus anordnen?

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Die Zulassung erster Impfstoffe ist ein Lichtblick im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie. Nachdem die Nachrichten von Biontech, Pfizer und Moderna Ende letzten Jahres noch eine kleine Euphorie-Welle auslösten, zeigen die letzten Wochen, dass der Weg aus der Pandemie trotz Impfung noch ein weiter werden wird. Umso eher gilt es, sich weiterhin mit den Entwicklungen der Pandemie auch im Arbeitsrecht auseinanderzusetzen.

Sicher scheint zu sein, dass die erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie einer hohen Impfbereitschaft bedarf. Es gibt aber auch Skepsis im Hinblick auf die Impfung. Trotz dieser Skepsis und obwohl der Impfstoff noch sehr knapp ist, begann sehr schnell eine Diskussion um eine Impfpflicht.

Auch Arbeitgeber sehen sich zunehmend mit arbeitsrechtlichen Fragen rund um die Impfpflicht konfrontiert. Dies spiegelt sich auch in unserer Beratungspraxis – vor allem im Gesundheitswesen – wider. Diese Entwicklung haben wir zum Anlass genommen, uns auch hier in unserem Blog mit den wesentlichen arbeitsrechtlichen Aspekten einer Impflicht auseinanderzusetzen.

Aufklärungs- und Informationspflichten des Arbeitgebers

Ein wichtiger Aspekt in dieser Diskussion – vor allem aus der Perspektive der Unternehmens- und Geschäftsführung – sind die Aufklärungs- und Informationspflichten des Arbeitgebers. Eng verknüpft mit dieser Frage sind Schadensersatz- und Haftungsfragen. Neben der kürzlich in Kraft getretenen Arbeitsschutzverordnung hat die Bundesregierung im Zuge der Pandemie die Anforderungen an den Arbeitsschutz durch den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard sowie durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel konkretisiert.

Im Gegensatz zu diesen sehr coronaspezifischen Vorgaben im Hinblick auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind die Aufklärungs- und Informationspflichten des Arbeitgebers auf allgemeine Vorschriften zurückzuführen. Branchen- und coronaunabhängig treffen jeden Arbeitgeber Schutzpflichten im Hinblick auf arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren gem. §§ 618 Abs. 1 BGB, 3, 4 ArbSchG. Im Falle eines Verstoßes gegen diese Schutzpflichten kann jeder Arbeitgeber sich schadensersatzpflichtig machen. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein Arbeitnehmer sich im Betrieb mit dem Coronavirus infiziert. Regelmäßig springt in solchen Fällen die gesetzliche Unfallversicherung ein. Doch im Schadensfall kann diese den Arbeitgeber in Regress nehmen, wenn dieser einen Arbeitsunfall, wie z.B. eine Coronainfektion, grob fahrlässig herbeigeführt hat.

In der Praxis wird eine Haftung des Arbeitgebers dadurch ausgelöst, dass der Arbeitgeber bestehende Schutzvorschriften grob fahrlässig nicht beachtet hat. Neben den organisatorischen und technischen Schutzmaßnahmen, die der Arbeitgeber zum Schutz vor einer Coronainfektion zu treffen hat, sind auch Organisation und Aufklärung Teil des Arbeitsschutzes. Aufgrund der Nichtbeachtung dieser Aufklärungs- und Informationspflichten kann der Arbeitgeber sich im Einzelfall  auch im Zusammenhang mit Coronainfektionen haftbar machen. Allerdings existieren diesbezüglich keine genauen Vorgaben, sodass die Aufklärungs- und Informationspflichten der Arbeitgeber sich branchen-, tätigkeits- und arbeitsplatzabhängig unterscheiden.

Arbeitgeber aus dem Gesundheitswesen sind gut beraten, auf die allgemeinen impfspezifischen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention sowie der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts zurückzugreifen. Zur Reduzierung von Haftungsrisiken gegenüber Arbeitnehmern und Patienten sowie deren Besuchern empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

  • Aufklärung zu tätigkeitsspezifischen Infektionsgefährdungen, ggf. Anraten einer Impfung und Angebot von Vorsorgeuntersuchungen
  • Dokumentation des bestehenden Impfschutzes des Personals
  • Angepasster Einsatz von nicht geimpftem Personal (u.a. Einsatz von nicht geimpftem Personal bei immunsupprimierten Patienten beschränken)
  • Schaffung von Impfangeboten vor Ort
  • Transparente Kommunikation des erwarteten Nutzens und der Risiken einer Impfung

Diese strengen Anforderungen im Hinblick auf Aufklärungs- und Informationspflichten des Arbeitgebers gelten vor allem für das Gesundheitswesen und dort vor allem da, wo ein gesteigertes Infektionsrisiko aufgrund der Tätigkeit, wie z.B. für Ärzte und Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen besteht.

In allen anderen Bereichen dürften an die Aufklärungs- und Informationspflichten für Arbeitgeber weniger strenge Anforderungen zu stellen sein. Da in diesem Bereich bisher wenig bis gar keine konkreten Informationen und Vorgaben existieren, empfiehlt es sich in jedem Fall die Arbeitsschutzstandards und -regeln zu beachten und bestmöglich nach den eigenen Möglichkeiten Informations- und Aufklärungsarbeit zu leisten.

Kann der Arbeitgeber Impfungen anordnen?

Sowohl politisch und sozial als auch arbeitsrechtlich am strittigsten dürfte die Frage nach einer Impfpflicht für Bürger und auch Arbeitnehmer sein. Nach der Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV), die die Impfreihenfolge festlegt, haben zunächst nur Menschen mit „höchster Priorität“ Anspruch auf eine Schutzimpfung. Zu dieser Gruppe zählen insbesondere auch Arbeitnehmer im Gesundheitswesen. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass keine allgemeine Impfpflicht geplant ist und auch keine indirekte Impfpflicht durch Ausnahme Geimpfter von den Einschränkungen erfolgen soll. 

Dementsprechend stellen sich Arbeitgeber die Frage, ob sie eine Impfung anordnen können. Vor allem im Bereich Pflege und Gesundheit ist dies ein heiß diskutiertes Thema. Eine gesetzlich geregelte Impfpflicht für Arbeitnehmer existiert bisher nur im Gesundheitswesen und nur in Bezug auf die Masernschutzimpfung. 2020 trat in Deutschland das Masernschutzgesetz in Kraft, das zu einer umfangreichen Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geführt hat. Die Wirksamkeit dieser Änderung ist rechtlich nicht unumstritten. Eine anstehende Entscheidung des BVerfG zur Impflicht gegen Masern, die auch hinsichtlich der möglichen Pflicht zu einer Coronaschutzimpfung für Klarheit sorgen könnte, steht noch aus.

Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung wie bei der Masernschutzimpfung, kann für ein Recht des Arbeitgebers auf Anordnung einer Coronaschutzimpfung nur auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 106 GewO, § 241 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Nach § 106 GewO steht dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht in Bezug auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb zu. Über § 241 Abs. 2 BGB ist zudem auch der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet, auf dessen Interessen und Belange Rücksicht zu nehmen. Beide Vorschriften sind dabei auf das Arbeitsverhältnis beschränkt.

Die beiden unbestimmten Generalklauseln sind dabei durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu konkretisieren. Dabei sind bei der Impfung gegen das Coronavirus insbesondere folgende Aspekte zu bedenken: 

Der Schutz von Kollegen, Patienten, Heimbewohnern und Besuchern vor dem ansteckenden Virus stellt zunächst selbstverständlich ein legitimes Ziel des Arbeitgebers dar. Weitere Voraussetzung ist jedoch auch, dass die Impfung zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet ist. Davon kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn ein geimpfter Mitarbeiter eine geringere oder gar keine Gefahr mehr für andere darstellt. Angesichts fehlender klinischer Studien zu dieser sog. sterilen Immunität, kann hiervon zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch nicht sicher ausgegangen werden. 

Im Vergleich zur Impfpflicht dürfte für den Arbeitgeber auch keine mildere, gleich effektive Maßnahme zur Verfügung stehen. Mildere Mittel stellen z. B. die Einhaltung der AHA+L Regeln, Schnelltests oder Fieberkontrollen dar. Gegen eine gleich effektive Wirksamkeit könnte unter anderem sprechen, dass insbesondere Schnelltests fehlerhaft sein können und auch nicht alle Infizierten die gleichen Symptome wie z. B. Fieber aufweisen. 

Bei der abschließenden Abwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen ist zudem zu beachten, dass die Anordnung einer Impfung erheblich in das Recht des Arbeitnehmers auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreift (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Bei Arbeitnehmern, die in der Gesundheits- und Pflegebranche beschäftigt sind, bestehen daneben aber auch noch die berechtigen und gewichtigen Interessen der Patienten sowie von Heimbewohnern einer Pflegeeinrichtung, sich im Krankenhaus oder Pflegeheim nicht mit dem Coronavirus zu infizieren (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Dies gilt umso mehr, als dass eine überwiegende Anzahl der Patienten zur sog. Risikogruppe gehört. Daher lässt sich, im Gegensatz zu anderen Branchen, im Gesundheitssektor durchaus ein Zurücktreten der Arbeitnehmerbelange gegenüber den Interessen der Patienten und des Arbeitgebers vertreten. Diese besondere Fürsorgepflicht gegenüber Heimbewohnern oder Patienten spiegelt sich z.B. auch in den allgemeinen Besuchsverboten in Pflegeheimen, der Einstufung dieser Gruppe durch die Bundesregierung als erster Adressat der Impfung oder dem neu eingefügten § 23 Abs. 3 S. 1 IfSG wieder. 

Diese Grundsätze können jedoch nur dann gelten, wenn die Coronaschutzimfpung auch einen Fremdschutz bietet, da es ansonsten jedem Arbeitnehmer freisteht, in welchem Maße er für seine Gesundheit Vorsorge treffen will. 

Arbeitgeber werden daher vorerst eine Impfpflicht im Unternehmen nicht durchsetzen können. Dies gilt selbst in der Gesundheitsbranche, solange über den Fremdschutz einer Coronaschutzimpfung keine gesicherten Erkenntnisse bestehen. Vielmehr kann hier nur auf Freiwilligkeit gesetzt werden und Arbeitgeber sollten versuchen, die Impfbereitschaft innerhalb der Belegschaft auf andere Weise (wie z.B. durch Informations- und Aufklärungskampagnen) zu stärken.

Fragerecht des Arbeitgebers

Ebenfalls in der Diskussion ist ein Fragerecht des Arbeitgebers im Hinblick auf das Vorhandensein eines Impfschutzes. Gerade im Gesundheitsbereich kann der Arbeitgeber mit dieser Information den Infektionsschutz für Mitarbeiter, Patienten und Pflegebedürftige deutlich verbessern. Gerade als milderes Mittel im Vergleich zu einer Impfpflicht steht ein solches Fragerecht daher im Raum. 

Fragerechte des Arbeitgebers sind aus rechtlicher Sicht insbesondere im Zusammenhang mit Gewerkschaftszugehörigkeit, Schwangerschaft oder Vorstrafen bekannt. Da ein Fragerecht des Arbeitgebers bzw. die damit einhergehende Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung durch den Arbeitnehmer in dessen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreift, begegnet die Rechtsprechung solchen Fragerechten grundsätzlich mit Zurückhaltung. Erforderlich ist in jedem Fall ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage. 

Im Fall das Impfschutzes müssen Arbeitgeber darlegen können, dass diese Frage im engen Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit des Arbeitnehmers steht. Zugunsten des Arbeitgebers gilt es dabei, dessen Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern und Kunden oder Parienten zu berücksichtigen.

Ein Fragerecht des Arbeitgebers im Hinblick auf eine akute Infektion dürfte angesichts der Ansteckungsgefahr ohne weiteres zulässig sein. Gegen ein Fragerecht bezüglich einer Impfung spricht allerdings, dass selbst bei § 23a IfSG die Erhebung des Impfstatus nur dann als rechtmäßig erachtet wird, wenn diese (nach dem Stand der Medizin) auch entsprechende aussagekräftige Ergebnisse in Bezug auf die Entscheidungsfindung liefern kann. Damit kommt es wohl auch hier entscheidend auf die Frage nach der sterilen Immunität an. Sofern hinsichtlich der Coronaschutzimpfung (noch) keine gesicherten Erkenntnisse bezüglich des Drittschutzes bestehen, wird selbst ein Fragerecht des Arbeitgebers abzulehnen sein. Ein anderes Ergebnis ist im Einzelfall höchstens in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen für Mitarbeiter mit direkten Patientenkontakt denkbar. Eine wichtige Kontrollüberlegung ist in diesem Zusammenhang: Wie werden Arbeitnehmer eingesetzt, die angeben nicht geimpft zu sein? Sollte ein etwaiger Impfschutz bei der Personalplanung schon keine Rolle spielen, ist ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfschutz umso fernliegender.

Alledem steht es nicht entgegen, Arbeitnehmer dennoch nach dem Bestehen eines Impfschutzes zu fragen. Jedoch besteht dann ein „Recht zur Lüge“, weshalb Arbeitnehmer überhaupt nicht oder unwahrheitsgemäß antworten dürfen, ohne nachteilige Konsequenzen fürchten zu müssen. 

Darüber hinaus gilt es in allen Fragen der Impfpflicht und des Fragerechts auch noch mitbestimmungs- und datenschutzrechtliche Fragen zu bedenken.

Fazit

Auch die Beantwortung arbeitsrechtlicher Fragen ist von medizinwissenschaftlichen Erkenntnissen abhängig. Solange keine gesicherten Informationen über den Drittschutz bestehen, werden Arbeitgeber im Unternehmen keine Impfpflicht durchsetzen können. Auch ein Fragerecht begegnet rechtlichen Bedenken und wird auf Grundlage des aktuellen Wissensstandes abzulehnen sein. Arbeitgeber sind daher vorerst gut beraten, in Sachen Impfung auf Freiwilligkeit zu setzen. 

Dr. Michael Witteler
Dr. Michael Witteler

Dr. Michael Witteler ist spezialisiert auf datenschutzrechtliche Angelegenheiten an der Schnittstelle von Arbeitsrecht und Datenschutz. Er ist Head der PWWL Practice Group Data & Privacy.

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