Das Landgericht Münster hat in seinem Urteil vom 15. April 2021 (LG Münster, Urteil vom 15. April 2021 – 8 O 345/20) der Betreiberin der Lizenzspielerabteilung des SC Paderborn fast 10.000 Euro gegen das Land Nordrhein-Westfalen zugesprochen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem SC Paderborn den Verdienstausfall nach den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zu erstatten, den der Verein einem seiner Profispieler für die Dauer seiner zweiwöchigen häuslichen Quarantäne gezahlt hatte.
Neben den arbeitsrechtlichen Vergütungsvorschriften hatte sich das Landgericht mit den Besonderheiten der häuslichen Quarantäne eines Profifußballers zu beschäftigen.
Das Infektionsschutzgesetz sieht in § 56 Abs. 1 IfSG einen Entschädigungsanspruch des/r – im Regelfall nach behördlicher Anordnung – in Quarantäne versetzen (im Wortlaut des IfSG: abgesonderten) Arbeitnehmer:in vor, sofern diese/r aufgrund der Quarantäne die geschuldete Tätigkeit nicht erbringen kann und hierdurch einen Verdienstausfall erleidet.
Da die Entschädigung gemäß § 56 Abs. 5 IfSG (bis zu sechs Wochen) zunächst von dem Arbeitgeber, anstelle der eigentlich entschädigungspflichtigen Behörde, an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird, kann sich der Arbeitgeber die Entschädigungszahlung auf Antrag von der zuständigen Behörde erstatten lassen. Die Lizenzspielerabteilung des SC Paderborn machte knapp 10.000 Euro geltend, die sie als Verdienstausfall an einen ihrer Lizenzspieler gezahlt hatte, der sich kraft behördlicher Anordnung in zweiwöchiger häuslicher Quarantäne befand.
Kein Arbeitslohn für das Training im Homeoffice sondern Entschädigungszahlung im Sinne des § 56 IfSG
Das Landgericht Münster hatte im Schwerpunkt seiner Entscheidung zu klären, ob der Verein den Betrag als Verdienstausfall im Sinne des § 56 IfSG zahlen durfte oder der Verein nicht simplen regulären Arbeitslohn schuldete. Zu beantworten war die Frage, ob der in Quarantäne geschickte Profispieler des SC Paderborn nicht etwa in der häuslichen Quarantäne durch Heimtraining seine Arbeitsleistung als Profispieler erbracht hat.
Der SC Paderborn hatte nämlich schon vor der behördlichen Anordnung der Quarantäne des betroffenen Profispielers, der Empfehlung des DFL folgend, für die gesamte Mannschaft den regulären Spiel- und Trainingsbetrieb eingestellt und stattdessen Einzel- und Kleingruppentrainings eingeführt. Das entschädigungspflichtige Land Nordrhein-Westfalen vertrat im Prozess die Ansicht, dass es dem Spieler in Quarantäne, in gleichem Maße wie seinen Mannschaftskollegen des SC Paderborn, die durch den eingeschränkten Trainingsbetrieb auch schon in eine Art „Home-Office“ versetzt seien, möglich war, seine Arbeitsleistung als Profifußballer zu erbringen, und zwar durch Aufrechterhalten von Fitness bzw. Spielfähigkeit durch Heimtraining.
Keine Arbeitsleistung des Fußballprofis auf dem Spinning-Bike möglich
Nach Zeugeneinvernahme des Profispielers kam das Landgericht zu dem Schluss, dass der betroffene Profispieler eben auch gerade im Unterschied zu seinen Mannschaftskollegen durch die häusliche Quarantäne gehindert war, seine Arbeitsleistung als Profifußballspieler zu erbringen. Qualitativ und quantitativ blieb die Trainingsmöglichkeit hinter derjenigen der restlichen Mannschaftsmitglieder zurück. So war der betroffene Spieler daran gehindert, an Kleingruppen- und Lauftraining im Freien teilzunehmen. Die vom Verein bereitgestellte Ausstattung in der häuslichen Quarantäne mit Spinning-Bike und weiteren Sportgeräten ermöglichte aus Sicht des Gerichts kein gleich effektives Training. Es fehlte zudem an einer Möglichkeit für den Verein, das Heimtraining seines Spielers zu kontrollieren.
Verdienstausfall im Sinne des Infektionsschutzgesetzes – Keine Vergütungspflicht nach anderen Regelungen
Der infektionsschutzrechtliche Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass der/die Arbeitnehmer:in einen Verdienstausfall erleidet, ihm/ihr die Vergütung also nicht auf anderem Wege erhalten bleibt.
Der Spieler zeigte keine Krankheitssymptome, sodass der Verein nicht zur Zahlung nach § 3 EFZG verpflichtet war. Ebenso wenig zur Zahlung von Annahmeverzugslohn nach § 615 Satz 1 BGB, denn nach Einschätzung des Landgerichts lag in der freiwilligen Einschränkung des regulären Spiel- und Trainingsbetriebs kein Verzicht auf die Arbeitsleistung der Spieler, sondern eine Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten der Profispieler. Diese konkretisierte Leistung, die Teilnahme an dem eingeschränkten Training, konnte der betroffene Spieler aufgrund seiner Quarantäne eben nicht in Annahmeverzug begründender Weise anbieten. Eine Entgeltfortzahlungspflicht nach § 616 BGB lehnte das Landgericht mit Verweis auf die zwingend enge Auslegung des Tatbestands ab: § 616 BGB müsse in zeitlicher Hinsicht auf einige Tage beschränkt bleiben. Nach Argumentation des Landgerichts wird andernfalls der Arbeitgeber unbillig belastet und faktisch verhindert, dass die infektionsschutzgesetzlichen Regelungen greifen, die die Kosten dem Land zuweisen, dessen Behörde eine Quarantäneanordnung erlässt.
Ausblick und Bewertung
Auf die Länder könnten aufgrund der Entscheidung des Landgerichts Münster hohe Entschädigungsansprüche von Profispielern zukommen. Im Februar 2021 befand sich beispielsweise Thomas Müller vom FC Bayern München in einer 14-tägigen Quarantäne. Sein Jahresgehalt wird auf 15 Mio. Euro geschätzt, so dass sich der für ihn geltend zu machende Entschädigungsanspruch für 14 Tage auf ca. 595.000,00 Euro belaufen dürfte. Die Entscheidung des Gerichts ist allerdings durchaus diskutabel. Entscheidend dürfte die Frage sein, ob ein symptomfreier und damit trainingsbereiter Spieler in häuslicher Quarantäne seiner Arbeitsleistung nachgehen kann oder nicht, wenn parallel seine Mannschaftskollegen „normal“ trainieren dürfen?
Die „Quarantäne-Trainingslager“, die einige Vereine, beispielsweise Hertha BSC Berlin, zuletzt absolvieren mussten und bei denen sich alle Spieler in Quarantäne befanden, sind ein anderer Fall, weil hier alle Spieler gemeinsam unter Anleitung des Trainerteams in der Quarantäne trainieren. Ihre Arbeitsleistung wird für die Dauer der Quarantäne dahin konkretisiert, dass sie ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zum regelmäßigen Trainieren auf diese Weise nachkommen. Dennoch zeigt der Fall der Mannschaftsquarantäne, dass auch im Home-Office ein vernünftiges Training durchaus möglich ist. Hertha BSC konnte sich danach vor dem Abstieg retten, der FC Bayern München verlor in der Vorsaison nach der langen lockdownbedingten Quarantäne kein Spiel mehr und gewann sechs Titel.
Dennoch dürfte der Fall eines einzelnen Spielers in Quarantäne anders zu bewerten sein, weil es an dem gemeinsamen Trainingserlebnis fehlt. Die Begründung des Landgerichts, das Home-Office-Training bleibe qualitativ und quantitativ hinter dem Training der anderen Spieler zurück, ist nachvollziehbar und nicht von der Hand zu weisen. Die Entscheidung erging nach einer Beweisaufnahme und genauen Analyse der Trainingsmöglichkeiten des Spielers und ist deshalb in diesem Fall durchaus sachgerecht. Hinzu kommt ein weiterer, aus unserer Sicht wesentlicher Punkt: Das Training ist ja kein Selbstzweck, die eigentliche arbeitsvertragliche Leistung des Spielers besteht in der Teilnahme am regulären Spielbetrieb, im Falle des SC Paderborn Pflichtspielen der 2. Bundesliga. Hieran kann ein Spieler während seiner Quarantäne ebenfalls nicht teilnehmen. In dem vom Landgericht Münster entschiedenen Fall war ein Zeitraum (13. bis 27. März 2020) betroffen, in welchem der Spielbetrieb der Bundesligen ausgesetzt war. Später gab es jedoch zahlreiche Fälle von Quarantäne-Anordnungen gegenüber einzelnen Spielern in beiden Bundesligen (etwa der oben erwähnte Thomas Müller), während parallel der Spielbetrieb regulär weiterlief. Es spricht viel dafür, dass in diesen Fällen erst recht von einem Entschädigungsanspruch des Vereins nach IfSG auszugehen ist, genauso wie viel dafür spricht, dass die Entscheidung des Landgerichts Münster in der Sache richtig ist. Wir sind uns jedoch auch sicher, dass größere Clubs mit höheren Spielergehältern eher zurückhaltend mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nach dem IfSG umgehen werden, weil ihnen die gesellschaftspolitische Sprengkraft eines solchen Vorgehens bewusst sein dürfte. Offizielle Empfehlungen der DFL oder des DFB zu dieser Frage konnten wir nicht finden.