Das BAG hatte
sich in seiner Entscheidung vom 20.02.2018
– 3 AZR 43/17 mit der Frage zu befassen, ob es eine unzulässige
Benachteiligung darstellt, wenn eine Versorgungsordnung Ehegatten von der
Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung ausschließt, die mehr als 15 Jahre
jünger sind als die versorgungsberechtigte Person (sog. Altersabstandsklausel).
Was war passiert?
Die Klägerin ist
die Witwe des im Jahr 2011 verstorbenen S. Dem verstorbenen S wurde während
seiner Tätigkeit für die P GmbH im Jahr 1990 eine betriebliche Altersversorgung
zugesagt. Die maßgebliche Versorgungsordnung setzt für den Anspruch auf
Hinterbliebenenversorgung u.a. voraus, dass der Ehegatte nicht um mehr als 15
Jahre jünger ist als der Berechtigte.
Die Klägerin ist
18 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann S, weshalb der Klägerin Hinterbliebenenrente
unter Bezugnahme auf die Altersabstandsklausel in der Versorgungsordnung
verwehrt wurde. Die Klägerin sah darin eine Benachteiligung und verlangte
(Nach-) Zahlung der Hinterbliebenrente.
Die Entscheidung und Begründung des BAG
Das
Bundesarbeitsgericht sah hierin weder eine Benachteiligung wegen des Alters nach
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch eine unangemessene
Benachteiligung nach AGB – Recht (§ 307 BGB).
Zu Begründung führte
das BAG aus, dass eine Altersabstandsklausel zwar eine unmittelbare
Benachteiligung wegen des Alters bewirke, diese aber im vorliegenden Fall gem.
§ 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt sei.
Der Ausschluss von
mehr als 15 Jahren jüngeren Ehegatten begrenze die mit der Gewährung einer
Hinterbliebenenversorgung verbundenen finanziellen Risiken und diene damit dem
Interesse des Arbeitgebers an einer überschaubaren und kalkulierbaren
Versorgungslast, mithin einem legitimen Zweck gem. § 10 Satz 1 AGG.
Darüber hinaus
sei die Altersabstandsklausel auch angemessen und erforderlich gem. § 10 Satz 2
AGG. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren sei der – die Ehe prägende
– gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner von vornherein darauf angelegt,
dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den
Versorgungsberechtigten verbringt. Einem hohen Altersabstand innerhalb einer
Ehe sei es, so das BAG weiter, typischerweise immanent, dass der jüngere
Ehepartner einen größeren Zeitabschnitt seines Lebens ohne die an die
Einkommenssituation des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers gekoppelten
Versorgungsmöglichkeiten erleben wird.
Es ist daher
legitim, wenn ein Versorgungsschuldner dieses bereits strukturell im
Lebenszuschnitt des Versorgungsberechtigten angelegte Risiko nicht durch die
Zusage einer Hinterbliebenenversorgung übernimmt.
Das BAG betonte
ferner, dass auch Regelungen, die eine Staffelung oder Quotelung der Hinterbliebenenversorgung
für mehr als 15 Jahre jüngere Hinterbliebene vorsehen, ebenso wenig ein gleich
geeignetes milderes Mittel darstellen, wie eine Beschränkung der Bezugsdauer
oder die Festlegung einer Höchstsumme.
Unter Verweis auf
das begründete und billigenswerte Interesse der Versorgungsschuldnerin an einer
Begrenzung der Hinterbliebenenversorgung verneint das BAG sodann auch einen
Verstoß gegen das AGB-rechtliche Verbot einer unangemessenen Benachteiligung nach
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Anmerkung
- Mit
überzeugender Begründung hält das BAG einen Altersabstand von 15 Jahren für den
Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung für zulässig. Offen bleibt
allerdings die Frage, ab welchem Altersabstand nicht mehr von einem „die Ehe
prägenden, hohen Altersabstand“ bzw. „größeren Zeitabschnitt“ auszugehen ist.
Hinweise hierauf lassen sich der Entscheidung des BAG nur insoweit entnehmen,
als dass es u.a. darauf abstellt, dass bei mehr als 80 % aller Ehepaare statistisch
betrachtet der Altersabstand weniger als sieben Jahre beträgt und ein
Altersabstand von 15 Jahren „den üblichen
Abstand in erheblichem Maße“ übersteige. Es bleibt abzuwarten, wie sich die
Rechtsprechung hierzu entwickeln wird.
- Zu der
Frage, ob grundsätzlich neben der unmittelbaren Benachteiligung wegen des
Alters auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts durch Altersabstandsklauseln
in Betracht kommt (statistisch dürften mehr Männer jüngere Frauen heiraten als
andersherum), musste das BAG in der vorliegenden Entscheidung keine Stellung
nehmen. Die Klägerin hatte hierzu schlichtweg (leider) nichts vorgetragen.
- Schließlich
ließ das BAG dahinstehen, ob es sich bei Altersabstandsklauseln um
„Altersgrenzen“ i.S.d. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG handelt und folglich (auch) eine Rechtsfertigung
der Benachteiligung nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG in Betracht kommen könnte.
Dies
verwundert deshalb, weil derselbe Senat des BAG in seiner Entscheidung vom
14.11.2017 – 3 AZR 781/16 (im Zusammenhang mit Spätehenklauseln) anknüpfend an
die Entscheidung des EuGH vom 24.11.2016 – C-443/15 [Parris] seine bisherige
Rechtsprechung zur Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG bzw. Art. 6 Abs. 2 der
Richtlinie 2000/78/EG aufgegeben hat. Das BAG geht nunmehr davon aus, dass auch
Hinterbliebenenversorgungen unter den Anwendungsbereich von § 10 Satz 3 Nr. 4
AGG fallen können, wenn sich die Höhe der Hinterbliebenenversorgung an der Höhe
der betrieblichen Altersrente oder der Invaliditätsrente orientiert.