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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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BAG festigt Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Teilzeitfaktors bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen 

Anwalt schuettelt Hand mit Handwerker

Neues aus der Practice Group Betriebliche Altersversorgung:

Das Bundesarbeitsgericht (im Folgenden: BAG) hat seine gefestigte Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Teilzeit bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen fortgesetzt. Die Historie zeigt, dass derartige Fälle trotz der langjährigen Rechtsprechungsentwicklung weiterhin regelmäßig zur höchstrichterlichen Entscheidung anstehen. Erst im Jahr 2020 Jahr hatte das BAG die Berücksichtigung von Teilzeit in einem Pensionsplan mit gespaltener Rentenformel für wirksam erachtet (Urteil vom 3. Juni 2020 Az.: 3 AZR 480/18, wir berichteten auf dem Blog). An diese Entscheidung knüpfte das BAG durch das Urteil vom 23. März 2021 (Az.: 3 AZR 24/20) an; siehe auch dazu unseren Blogbeitrag. Mit seiner aktuellen und damit dritten Entscheidung innerhalb von drei Jahren (20. Juni 2023 – Az.: 3 AZR 221/22) setzt der dritte Senat seine Linie trotz zwischenzeitlichem Wechsel des Vorsitzenden weiter fort. 

Ausgestaltung der Rentenformel im vorliegenden Fall

Hintergrund der Entscheidung war, dass die Klägerin bei der Beklagten rund 36 Jahre beschäftigt gewesen ist und in dieser Zeit sowohl in Voll- als auch in Teilzeit tätig war. Über das gesamte Arbeitsverhältnis betrachtet betrug der durchschnittliche Beschäftigungsgrad 78,9 % (26,72 Wochenstunden). Die Versorgungsordnung stellte hingegen auf die letzten zehn Dienstjahre ab, in welchen der Beschäftigungsgrad gleichbleibend bei 50 % (17,5 Wochenstunden) lag. 

Der Rentenformel lagen zwei Rechenschritte zugrunde. 

  • Im ersten Rechenschritt wurde ein sog. Festrentenbetrag mit den Dienstjahren multipliziert. In diesen Festrentenbetrag floss u.a. als rentenfähiges Einkommen das im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalls bezogene Einkommen ein, über welches mittelbar auch der Teilzeitgrad Berücksichtigung findet.  

In Fällen, in denen sich die Arbeitszeit erst am Ende des Beschäftigungsverhältnisses, im Zweifel nur für die letzten 12 Monate, reduziert, reduziert sich entsprechend proportional somit auch das Ergebnis in Rechenschritt 1. In gleicher Weise könnte das Ergebnis dieses Rechenschritts nach oben beeinflusst werden, wenn die Arbeitszeit im letzten Jahr vor Rentenbezug erhöht wird. 

  • In einem zweiten Rechenschritt wird das berechnete Ergebnis einer Korrektur unterzogen, um nicht gewollte Verzerrungen der Höhe der Betriebsrente aufgrund einer nicht repräsentativen Erhöhung oder Herabsenkung der Arbeitszeit und damit der Vergütung zu vermeiden. Dazu wird ein Quotient aus der durchschnittlichen Arbeitszeit innerhalb der letzten 10 Jahre und der Arbeitszeit im letzten Jahr (die über die dafür bezogene Vergütung im ersten Rechenschritt berücksichtigt wird) gebildet. Das Ergebnis des ersten Rechenschritts wird mit diesem Faktor multipliziert. 

Konkret bedeutet dies: Hat etwa ein Mitarbeiter in den letzten fünf Jahren in einer 50%tigen Teilzeit gearbeitet, zuvor aber in Vollzeit, würde im ersten Schritt nur das Teilzeitgehalt für seine 50%tige Teilzeit einfließen. Im zweiten Schritt wird die durchschnittliche Teilzeit innerhalb der letzten 10 Dienstjahre von 75% (5 Jahre 50% und 5 Jahre 100%) ins Verhältnis zum Teilzeitgrad im letzten Jahr (hier im Beispiel 50%) gesetzt, was 3/2 ergibt. Der Rentenbetrag aus dem ersten Rechenschritt wird sodann mit diesem Faktor multipliziert, im Beispiel somit mit dem Faktor 1,5. Über den zweiten Rechenschritt wird damit im Ergebnis der durchschnittliche Teilzeitgrad in den letzten 10 Dienstjahren für die Berechnung der Betriebsrente mitberücksichtigt. 

Die nachstehende Grafik verdeutlicht dies: 

 

Die Klägerin war der Meinung, dass sich die Korrektur im zweiten Rechenschritt nicht nur auf den Zeitraum der letzten zehn Jahre, sondern auf das gesamte Beschäftigungsverhältnis erstrecken muss. Ansonsten würden ihrer Ansicht nach Dienstzeiten in Teilzeit (die bei ihr zufällig am Ende der Dienstzeit lagen) überproportional berücksichtigt. 

Die Entscheidung des BAG vom 20. Juni 2023

Das BAG hielt die Versorgungsordnung für wirksam und hat die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Betriebsrente bestätigt. Dabei betont das BAG in seiner Begründung erfreulicherweise gleich mehrfach den Spielraum für Arbeitgeber bei der Gestaltung von Versorgungsordnungen. Im vorliegenden Fall kam der Arbeitgeberin zugute, dass die zunächst als Gesamtzusage ausgestaltete Versorgungsordnung durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst wurde, in der die bisherige Zusage inhaltsgleich fortgeführt worden ist, sodass die Versorgungsordnung im Ergebnis aufgrund von § 310 Abs. 4 BGB keiner AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB zugänglich war. 

Eine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Teilzeit und damit einen Anspruch aus § 4 Abs. 1 TzBfG hat das BAG abgelehnt. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen seiner Teilzeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Eine Reduzierung der Ansprüche nach dem Teilzeitgrad (pro-rata-temporis), dem quantitativen Verhältnis der tatsächlichen Arbeitszeit im Vergleich zur Vollzeit, ist jedoch zulässig. 

Das BAG betont in seinem Urteil, dass der Arbeitgeber sich im vorliegenden Fall freiwillig zur Einführung einer betrieblichen Altersversorgung als zusätzlicher Sozialleistung entschieden und dabei den Weg einer endgehaltsbezogenen Versorgung gewählt hat. Damit hat der Arbeitgeber entschieden, dass er die von ihm zugesagten Versorgungsleistungen an der zuletzt bezogenen Vergütung orientieren möchte, um damit den am Ende des Arbeitsverhältnisses bestehenden Lebensstandard abzusichern. Hiervon sind bspw. Versorgungsordnungen zu unterscheiden, wonach mit jedem Jahr der Betriebstreue auf Basis der jeweils aktuellen Vergütung Versorgungsbausteine erdient werden, die sich über die Jahre zur Gesamtversorgungsleistung aufsummieren. 

Endgehaltsbezogene Versorgungszusagen werden dagegen durch das Endgehalt und die Dauer der Dienstzeit geprägt. Wird die Teilzeit lediglich über den Entgeltfaktor berücksichtigt, bestätigt dies den gewollten Endgehaltsbezug und verstößt nicht gegen den pro-rata-Temporis-Grundsatz. Der gewollte Endgehaltsbezug und damit die Orientierung der Versorgung an dem zuletzt gegebenen Lebensstandard würde sogar konterkariert, wenn die Teilzeitquote der gesamten Dienstzeit herangezogen würde. Dies sowohl, wenn – wie vorliegend – die zunächst höhere Vergütung in lange zurückliegenden Dienstjahren in Vollzeittätigkeit berücksichtigt würde, als auch im umgekehrten Fall, wenn nach längerer Teilzeitbeschäftigung ein Wechsel in Vollzeittätigkeit erfolgt und damit vor Rentenbeginn der Lebensstandard (deutlich) ansteigt, dies aber in der Versorgung nicht hinreichend zum Ausdruck kommt. 

Würde man, wie von der Klägerin beabsichtigt, nicht nur die zuletzt bezogene Vergütung bzw. diejenige der letzten zehn Dienstjahre, sondern diejenige der gesamten Dienstzeit berücksichtigen, so käme dies einer deutlichen Entwertung des bewusst gewählten Endgehaltsbezugs der Versorgungszusage gleich. Im konkreten Fall würde die Betriebsrente um den Faktor 1,58 ansteigen, wenn man die Teilzeitquote über die gesamte Beschäftigungszeit berücksichtigen würde. 

Auch ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) liegt nicht vor. Mit der zuletzt bezogenen Vergütung knüpft die Versorgungsordnung an ein objektives Kriterium an, aus welchem sich weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters oder Geschlechts ergibt. Das BAG stellt lediglich vorsorglich klar, dass auch eine Ungleichbehandlung nach dem AGG durch die Ziele der endgehaltsbezogenen Zusage gerechtfertigt wäre. 

Fazit

Das BAG gibt Arbeitgebern weiterhin große Spielräume bezogen auf die Berücksichtigung von Teilzeit in ihren Pensionsordnungen. Entscheiden sich Arbeitgeber dazu, mittels endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen eine Betriebsrente zu gewähren, die den zuletzt bestehenden Lebensstandard und sozialen Besitzstand absichern, ist dies zulässig. Dafür ist nach gefestigter Rechtsprechung ein Betrachtungszeitraum der letzten 10 Jahre geeignet. 

Johannes Wicklerer
Johannes Wickler

Johannes Wickler ist spezialisiert auf betriebliche Altersversorgung, SE-Gründungen, Mitbestimmungsmanagement, die Gestaltung von Arbeitsverträgen, Auflösungsvereinbarungen sowie auf Unternehmensumstrukturierungen.

Karsten Keller

Karsten Keller ist spezialisiert auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und Auflösungsvereinbarungen sowie auf betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen.

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