Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2021 (Az.: 3 AZR 254/21) bestätigt, dass in individualrechtlichen Versorgungszusagen Mindestehedauerklauseln von 12 Monaten wirksam aufgenommen werden können. Damit schafft es erfreulicherweise weitere Klarheit dahingehend, welche Ausnahmen in individualrechtlichen Versorgungsordnungen vereinbart werden können, um diese für Unternehmen kalkulierbar zu gestalten.
Einordnung der Entscheidung
Mindestehedauerklauseln verlangen, unabhängig vom Zeitpunkt des Abschlusses der Ehe, dass die Ehe eine bestimmte Mindestdauer bestanden haben muss, bevor ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung entsteht. Solche Mindestehedauerklauseln hat auch der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2a SGB VI und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG für die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung vorgesehen.
In Bezug auf Mindestehedauerklauseln hatte das BAG bereits in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2019 – 3 AZR 150/18 entschieden, dass eine Mindestehedauerklausel, die eine Ehedauer von 10 Jahren vorsieht, unangemessen und damit unwirksam ist. Ohne, dass es entscheidend darauf ankam, hatte das BAG dabei bereits auf § 46 Abs. 2a SGB VI hingewiesen und angedeutet, dass eine Mindestehedauer von einem Jahr angemessen und ausreichend gewesen wäre, um eine verlässliche Kalkulationsgrundlage zu schaffen. Diese angedeutete Wertung hat das BAG nun in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2021 erfreulicherweise bestätigt und damit für Rechtssicherheit gesorgt.
Sachverhalt und Entscheidung der Vorinstanz
Die Klägerin war Witwe eines ehemaligen Mitarbeiters der Beklagten. Diese hatte mit dem Mitarbeiter individualvertraglich einen Pensionsvertrag geschlossen, in dem auszugsweise geregelt war:
„1. Stirbt der Mitarbeiter, so erhält der Ehepartner, mit dem er zum Zeitpunkt seines Todes in gültiger Ehe verheiratet war, bis an sein Lebensende Witwen/Witwerrente.
[…]
2. Ein Anspruch besteht nicht, wenn der Mitarbeiter die Ehe geschlossen hat
[…]
c) in den letzten 12 Monaten vor seinem Tode, es sei denn, er ist an den Folgen eines nach der Eheschließung erlittenen Unfalls oder an einer Krankheit gestorben, die erst nach der Eheschließung eingetreten ist.“
Die Ehe der Klägerin wurde am 5. Januar 2018 geschlossen. Am 1. Mai 2018 verstarb ihr Ehemann. Die Beklagte lehnte die Zahlung einer Witwenrente ab. Die Klägerin machte geltend, dass die Ehe nicht aufgrund einer (ihr wohl bekannten) lebensbedrohlichen Erkrankung, sondern vielmehr sogar im Moment der Besserung dieser Krankheit geschlossen worden war.
Die individuelle Versorgungszusage des verstorbenen Ehemanns stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Die Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf eine Mindestehedauer von 12 Monaten benachteiligt den Ehemann als unmittelbar Versorgungsberechtigten jedoch nicht unangemessen. Das LAG München hatte als Vorinstanz ausgeführt, dass der unmittelbar Versorgungsberechtigte im Rahmen einer Hinterbliebenenversorgung ein Interesse hatte, dass sein Ehepartner versorgt wird.
Dem steht das Interesse der Beklagten als Versorgungsschuldnerin gegenüber, ihr finanzielles, mit der Zusage der Betriebsrente einhergehendes Risiko, zu beschränken. Es sei zulässig, im Rahmen einer Interessenabwägung durch eine typisierende Betrachtung darauf abzustellen, dass bei einer Ehedauer von unter 12 Monaten die Vermutung greift, dass eine Versorgungsehe vorliegt. Dafür stellt das LAG München auf die gesetzlichen Vorschriften der § 46 Abs. 2a SGB VI und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG ab, die ebenfalls eine Vermutung für solche Ehen aufstellen, sofern bis zum Tod des Versorgungsempfängers weniger als 12 Monate vergangen sind.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen und damit die Entscheidung des LAG München sowie die bereits in der Entscheidung vom 19. Februar 2019 (3 AZR 150/18) angedeutete Zulässigkeit von Mindestehedauerklauseln im Umfang von zwölf Monaten bestätigt.
Fazit:
Mit der Entscheidung schärft das BAG weiter die zulässigen Grenzen der Gestaltung von Versorgungsordnungen. Ehedauer- und Altersabstandsklauseln waren in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. So hat das BAG etwa eine sogenannte Altersabstandsklausel für zulässig gehalten, wonach ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nur bestehe, wenn der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der Versorgungsberechtigte (dazu auf unserem Blog). Im Rahmen einer weiteren Altersabstandsklausel hat das BAG zudem entschieden, dass eine Kürzung der Hinterbliebenenversorgung ab einem Altersunterschied von 10 Jahren zulässig ist (dazu auf unserem Blog). Und auch eine prozentuale Kürzung der Hinterbliebenenversorgung für jedes Jahr, das einen Altersunterschied von 15 Jahren übersteigt, hat das BAG bereits für zulässig erachtet.
Mit der Bestätigung des Urteils des LAG München schafft das BAG nunmehr auch für Mindestehedauern erfreuliche Rechts- und Gestaltungssicherheit. Offen bleibt in diesem Zusammenhang die Frage, ob in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen auch längere Mindestehedauerklauseln wirksam vereinbart werden können. Diese kollektivrechtlichen Regelungen unterliegen keiner AGB-Kontrolle, werden jedoch ebenfalls am AGG gemessen. Insoweit bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung weiter abzuwarten.