Neues aus der Practice Group Restructuring
Der Sozialplan im Allgemeinen
In dieser Beitragsreihe beschäftigen wir uns mit allen rechtlichen und tatsächlichen Themen rund um den Sozialplan. Im ersten Teil geht es um den Sozialplan im Allgemeinen, bevor wir uns in den darauffolgenden Beiträgen insbesondere der richtigen Bemessung des Sozialplanvolumens widmen.
Restrukturierungen eines Betriebes kommen in der Praxis häufig vor: sie können aus wirtschaftlichen Gründen notwendig werden, Folge eines Mergers von zwei Unternehmen sein oder durch die Substituierung von Arbeitsplätzen durch künstliche Intelligenz im Zuge zunehmender Digitalisierung verursacht werden. In all diesen Situationen wird der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung treffen, sein vorhandenes Arbeitsvolumen an einen sinkenden Arbeitskräftebedarf anzupassen. Häufig geht eine solche unternehmerische Entscheidung mit einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG einher. Besteht ein Betriebsrat, so ist hierüber ein Interessenausgleich zu versuchen und ein Sozialplan abzuschließen. Nachfolgend möchten wir uns ausschließlich mit dem Sozialplan befassen:
Was
ist der Zweck und was konkreter Inhalt eines Sozialplanes? Das Gesetz definiert
den Sozialplan in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG als „Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen
Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung
entstehen“. Anders als dies häufig in der Praxis verstanden wird, hat der
Sozialplan damit keine vergangenheitsbezogene Entschädigungs-, sondern eine
zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion. Es geht um die Überbrückung materieller
Einbußen. Bei der sachgerechten Ausgestaltung eines Sozialplans sind diese
Nachteile zu prognostizieren.
Die im Rahmen eines Sozialplans ausgleichsfähigen wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer beschränken sich dabei lediglich auf materielle Nachteile, nicht auf immaterielle Einbußen. Im Einzelfall mögen immaterielle Beeinträchtigungen wie z.B. der Verlust sozialer Beziehungen oder die Entwertung des langjährig erworbenen Spezialwissens den Arbeitnehmer härter treffen als die materiellen Folgen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit aber eindeutig und schließt den Ausgleich immaterieller Nachteile aus. Der schwerwiegendste zu kompensierende wirtschaftliche Nachteil ist der Verlust des Arbeitsplatzes. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch aus dem bisher bestehenden Arbeitsverhältnis, damit ist aber noch nicht gesagt, was an dessen Stelle tritt. Denkbar ist, dass ein Arbeitnehmer übergangslos eine neue, gleich oder sogar besser vergütete Tätigkeit aufnehmen kann. Dann ist sein wirtschaftlicher Nachteil null. Andere Arbeitnehmer können direkt in den Bezug einer Altersrente aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze wechseln. Auch sie haben keinen Nachteil. Im Regelfall werden aber die Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren, zumindest übergangsweise beschäftigungslos sein und in diesem Zeitraum Arbeitslosengeld beziehen. Wie schnell die entlassenen Arbeitnehmer ein neues Beschäftigungsverhältnis aufnehmen, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab – neben der generellen Arbeitsmarktsituation und der Attraktivität des Arbeitnehmers für diesen Arbeitsmarkt zählen beispielsweise auch das Netzwerk des Arbeitnehmers, seine Flexibilität, sein Lebensalter und nicht zuletzt auch der Faktor Glück dazu. Viele dieser Faktoren werden automatisch berücksichtigt, wenn man zur Berechnung der wirtschaftlichen Nachteile das statistische Material der Bundesagentur für Arbeit heranzieht: Über die Statistiken ist bestimmbar, wie lange ein Arbeitnehmer mit einer bestimmten Ausbildung und Qualifikation an einem bestimmten Ort und mit einem bestimmten Lebensalter voraussichtlich arbeitslos sein wird.
Nach
§ 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG hat der Sozialplan die Wirkung einer
Betriebsvereinbarung. Im Verhältnis zum Tarifvertrag gilt nicht der
Tarifvorbehalt, sondern ausschließlich das Günstigkeitsprinzip. Bereits
bestehende tarifliche Regelungen zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile bei
Arbeitsplatzverlust haben daher keine Sperrwirkung für einen Sozialplan.
Ein Sozialplan kann auf zwei Arten zustande kommen:
Zum einen können sich Betriebsrat und Arbeitgeber über seinen Inhalt verständigen und eine entsprechende Vereinbarung treffen. Dabei steht es den Parteien grundsätzlich frei, wie sie Inhalt und Volumen des Sozialplans bestimmen. Wichtig ist es aus Arbeitgebersicht dabei nur, die Leistungen des Sozialplans nicht unter Verletzung der Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu verteilen. In der Praxis häufig anzutreffen sind Differenzierungen nach dem Lebensalter, die nicht immer gerechtfertigt sind oder die Chancen der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt angemessen widerspiegeln.
Zum anderen kann ein Sozialplan als Gegenstand erzwingbarer Mitbestimmung auch durch Spruch der Einigungsstelle zustande kommen. Nach § 112 Abs. 5 BetrVG muss die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung über den Sozialplan sowohl die Belange der betroffenen Arbeitnehmer als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen berücksichtigen.
Wann tatsächlich wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer ausgeglichen oder gemildert werden, wo also die Unter- und die Obergrenze des Sozialplanvolumens liegen und ob und unter welchen Voraussetzungen auf das Vermögen einer Konzernobergesellschaft zugegriffen werden darf, wenn das arbeitgebende Unternehmen finanziell nicht dazu in der Lage ist, einen angemessenen Sozialplan zu finanzieren, erfahren Sie in den nächsten Teilen der Beitragsreihe.
Unsere Practice Group Restructuring berät Sie sehr gerne zu diesem Thema.