Der Entscheidung des BAG vom 19.02.2019 (Az.: 9 AZR 541/15) folgen nunmehr die ersten instanzgerichtlichen Entscheidungen. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass das BAG Anfang des Jahres entschieden hat, dass es keinen automatischen Verfall von nicht beantragtem Urlaub mehr gibt. Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers erlischt nunmehr nur dann am Ende eines Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über den konkreten Anspruch und die Verfallfristen belehrt, der Arbeitnehmer den Urlaub aber dennoch nicht genommen hat.
Die zwischenzeitlich veröffentlichten Entscheidungsgründe
geben weitere wichtige Praxishinweise darüber, wie die Arbeitnehmer über ihre
Ansprüche informiert werden müssen. Der Arbeitgeber muss sich – so das BAG –
bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen „konkret“ bezeichneten
Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und hierbei eine „völlige
Transparenz“ wahren. Diesen Anforderungen kann er z.B. dadurch genügen, indem
er dem Arbeitnehmer
- zu Beginn des Kalenderjahres in Textform
mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen,
- ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so
rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres
genommen werden kann und
- ihn über die Konsequenzen belehrt, die
eintreten, wenn er den Urlaub dennoch nicht beantragt (Verfall am Ende des
Kalenderjahres, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaub im
Kalenderjahr zu nehmen, ihn aber nicht beantragt).
Abstrakte Angaben diesbezüglich, etwa im Arbeitsvertrag, in
einem Merkblatt oder einer Kollektivvereinbarung, genügen den beschriebenen
Anforderungen nach Auffassung des BAG in der Regel nicht. Nicht erforderlich
soll sein, dass der Arbeitgeber seine Mitteilung über den bestehenden
Urlaubsanspruch ständig aktualisiert, etwa anlässlich jeder Änderung des
Umfangs des Urlaubsanspruchs. Entscheidend seien letztlich jedoch stets die
Umstände des Einzelfalls.
Dieser Rechtsprechung des BAG hat sich nun auch das LAG Köln
mit Urteil vom 09.04.2019 (Az. 4 Sa 242/18) angeschlossen. Die Entscheidung des
LAG, dass die streitgegenständlichen Urlaubsansprüche des klagenden
Arbeitnehmers daher nicht gem. § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG verfallen waren, weil
der Arbeitgeber ihn nicht konkret aufgefordert hatte, den Urlaub zu nehmen, war
somit nicht überraschend. Für
Arbeitgeber jedoch von Relevanz sind die weiteren Ausführungen des LAG:
Die Obliegenheit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer konkret
aufzufordern, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen, ist nicht auf den originären
Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich
auch auf Urlaub aus vorangegangenen
Kalenderjahren. Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer auch für die letzten
Kalenderjahre die Urlaubsansprüche geltend machen kann, die mangels konkretem
Hinweis des Arbeitgebers nicht verfallen konnten.
Für die Praxis stellt sich die Frage, ob ein solches
„Ansammeln“ von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre hinweg unbegrenzt möglich
sein kann. Begrenzungen „nach oben“ sind der Rechtsprechung grundsätzlich nicht
fremd. So verfallen bekanntermaßen z.B. Urlaubsansprüche bei längerfristig
erkrankten Arbeitnehmern innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des jeweiligen
Kalenderjahrs, in dem die Ansprüche entstanden sind. Diese Frist kann nach
Auffassung des LAG Köln jedoch nicht auf die vorliegende Fallkonstellation
übertragen werden, da der Arbeitgeber nicht schutzbedürftig sei. Er habe –
anders als in den Fällen der Erkrankung von Arbeitnehmern – von der Anwesenheit
des Mitarbeiters profitiert, weshalb sich der Arbeitgeber unrechtmäßig
bereichere, wenn bereits erworbene Ansprüche des Arbeitnehmers auf bezahlten
Jahresurlaub erlöschen würden.
Bislang ist höchstrichterlich noch nicht entschieden,
ob es für das „Ansammeln“ von Urlaubsansprüchen durch die Arbeitnehmer tatsächlich
überhaupt keine Begrenzung geben soll, wenn es der Arbeitgeber über mehrere
Jahre versäumt hat, auf bestehende Urlaubsansprüche rechtzeitig und
ordnungsgemäß hinzuweisen. In dem der Entscheidung des LAG Köln zugrundeliegenden
Fall hat der Arbeitnehmer erfolgreich Ansprüche aus insgesamt drei
Kalenderjahren eingeklagt. Ob die Rechtsprechung künftig eine vergleichbare
Obergrenze wie in den Fällen der krankheitsbedingten Nichtinanspruchnahme von
Urlaub entwickelt oder jedenfalls die Anwendung der gesetzlichen
Regelungsverjährung von drei Jahren zum Jahresende (§ 195 BGB) bejaht,
bleibt abzuwarten.