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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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Zwingende Beteiligung der Arbeitnehmer bei der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea; „SE“)

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In den letzten Jahren ist die Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea; „SE“) bei Unternehmen wieder vermehrt in den Fokus gerückt. Weitestgehend bekannt ist, dass Unternehmen bei der Gründung einer SE Gesellschaftsrechtler, Steuerrechtler und auch Notare einbinden. Aufgrund der zwingend erforderlichen Beteiligung der Arbeitnehmer am Gründungsprozess bedarf es jedoch auch einer guten arbeitsrechtlichen Vorbereitung und Begleitung des Gründungsprozesses.

Gründe für eine SE-Gründung

Die Beweggründe von Unternehmen, ihre Rechtsform in eine SE zu ändern, sind vielfältig.

Oftmals dient eine SE-Gründung dazu, eine international anerkannte Rechtsform zu wählen, die eine (beabsichtigte) internationale Ausrichtung des Unternehmens betont und zugleich auch börsenfähig ist. Aufgrund des internationalen Ansehens der SE kann diese auch bei einer Investorensuche und Finanzierung am Kapitalmarkt hilfreich sein.

Weiterer Vorteil ist, dass ein Wahlrecht zwischen zwei Leitungssystemen besteht: einer dualistischen SE mit Vorstand und Aufsichtsrat, wie man es typischerweise auch von einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht kennt und einer monistischen SE mit lediglich einem Verwaltungsrat.

Darüber hinaus ermöglicht die Rechtsform der SE, den Gesellschaftssitz innerhalb der EU unkompliziert zu verlegen.

Last but not least und vor allem aus arbeitsrechtlicher Sicht von besonderer Relevanz: Die Gründung einer SE bietet die Möglichkeit, eine individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse im Unternehmen zugeschnittene und zur Firmenkultur passende Ausgestaltung der Arbeitnehmerbeteiligung zu verhandeln und zu vereinbaren.

Praxistipp: Eine frühzeitige Befassung damit, ob die Gründung einer SE für ein Unternehmen sinnvoll ist oder werden kann, ist empfehlenswert. Hierbei sollte idealerweise eine umfassende, d.h. eine gesellschaftsrechtliche, steuerrechtliche und eben auch arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigende Betrachtung der Gesamtsituation im Unternehmen erfolgen. Erfahrungsgemäß ist es zudem äußerst hilfreich, bereits frühzeitig arbeitsrechtliche Aspekte, Herausforderungen und Besonderheiten ausfindig zu machen und deren Lösung mit dem Gesamtprozess zu verzahnen. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Wahl der Gründungsvariante erwähnt, die sowohl gesellschaftsrechtlich zu unterschiedlichen Implikationen führen und arbeitsrechtlich auf den Verlauf und Abschluss des Beteiligungsverfahrens Auswirkungen haben kann. 

Arbeitnehmerbeteiligung

Eine ordnungsgemäße Beteiligung der Arbeitnehmer im Rahmen der Gründung einer SE liegt im Interesse der an der SE-Gründung beteiligten Unternehmen, da eine SE erst in das Handelsregister eingetragen werden kann, wenn entweder eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer abgeschlossen oder die Verhandlungsfrist abgelaufen ist, ohne dass eine Vereinbarung zustande gekommen ist oder die Verhandlungen über die Beteiligungsvereinbarung durch einen Beschluss des besonderen Verhandlungsgremiums abgebrochen wurden (Art. 12 Abs. 2 SE-VO). 

Doch von vorne. Wie beginnt das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren?

Einleitung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens

Die Einleitung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens obliegt den Leitungen der an der Gründung der SE beteiligten Unternehmen. Diese informieren die Arbeitnehmervertretungen (Konzernbetriebsräte, Gesamtbetriebsräte, Betriebsräte) oder – sofern keine Arbeitnehmervertretung besteht – direkt die Arbeitnehmer über das Gründungsverfahren und fordern diese dazu auf, ein besonderes Verhandlungsgremium zu bilden. Gegebenenfalls sind die Information und Aufforderung zudem an eine im Unternehmen vertretene Gewerkschaft zu adressieren. Das dann gewählte besondere Verhandlungsgremium verhandelt mit den Unternehmensleitungen über den Abschluss und Inhalt einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der zukünftigen SE.

Praxistipp: Eine ordnungsgemäße Durchführung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens liegt im Interesse der an der Gründung der SE beteiligten Unternehmen. Daher sollte das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren von den Unternehmen gut vorbereitet und – soweit vom Wahlvorstand gewünscht – entsprechend unterstützend begleitet werden. Zudem sollte der regelmäßig anfallende Koordinierungsaufwand für die Beteiligung der Arbeitnehmer im europäischen Ausland nach den jeweiligen ausländischen Jurisdiktionen nicht unterschätzt werden.

Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums

Für die in jedem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer der an der SE-Gründung beteiligten Gesellschaften, betroffenen Tochtergesellschaften und betroffenen Betriebe werden Mitglieder für das besondere Verhandlungsgremium gewählt oder bestellt.

Die Wahl der Mitglieder aus den europäischen Mitgliedstaaten und Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums bestimmt sich nach dem jeweiligen nationalen Recht. Für die auf Deutschland entfallenden Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums gilt im Grundsatz folgendes: Sofern es in der Unternehmensgruppe mindestens eine Arbeitnehmervertretung (Konzernbetriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat) gibt, werden die Mitglieder durch ein Wahlgremium bestehend aus Mitgliedern des Arbeitnehmervertretungsgremiums in einer geheimen und unmittelbaren Wahl gewählt. 

Existiert in den Betrieben in Deutschland nicht mindestens ein Betriebsrat, werden die auf Deutschland entfallenden Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums direkt durch die Arbeitnehmer gewählt (sogenannte Urwahl).

Bei der Urwahl wählen die Arbeitnehmer zunächst in einer ersten Wahlversammlung einen Wahlvorstand, der sodann für das weitere Wahlverfahren zur Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums zuständig ist. Für die Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums müssen Wahlvorschläge mit entsprechenden Stützunterschriften beim Wahlvorstand eingereicht werden. Werden mehrere wirksame Wahlvorschläge eingereicht, wählen die Arbeitnehmer einen der zur Wahl stehenden Wahlvorschläge (sogenannte Listenwahl); steht hingegen nur ein wirksamer Wahlvorschlag zur Wahl, erfolgt die Wahl einzelner Arbeitnehmer dieser Liste (sogenannte Personenwahl). 

Praxistipp: Da das Wahlverfahren in Deutschland nur in Ansätzen gesetzlich geregelt ist, stellt die Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums Unternehmen und vor allem Wahlvorstände oftmals vor einige Herausforderungen und praktische Fragen, die Kapazitäten binden und einer guten Vorbereitung bedürfen. Dies gilt insbesondere für wahlunerfahrene Unternehmen.

Verhandlungen über eine Beteiligungsvereinbarung zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und den Unternehmensleitungen

Das gewählte besondere Verhandlungsgremium verhandelt mit den Unternehmensleitungen über den Inhalt einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der zukünftigen SE. Die Verhandlungsfrist beträgt sechs Monate und kann einvernehmlich zwischen den Unternehmensleitungen und dem besonderen Verhandlungsgremium um bis zu sechs Monate, also bis zu einer Gesamtdauer von einem Jahr, verlängert werden. Die Verhandlung und der Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung sind die einzige Aufgabe des besonderen Verhandlungsgremiums, welches lediglich ein temporäres Gremium ist und sich nach Abschluss des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens auflöst.

Möglichkeiten der Beendigung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens

Das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren kann grundsätzlich auf drei unterschiedliche Weisen beendet werden:

  • Durch einen Beschluss des besonderen Verhandlungsgremiums, die Verhandlungen mit den Unternehmensleitungen abzubrechen oder nicht aufzunehmen (in der Praxis sehr selten der Fall);
  • durch den Ablauf der Verhandlungsfrist, sofern bis zu diesem Zeitpunkt keine Beteiligungsvereinbarung abgeschlossen wurde (in der Praxis auch eher selten der Fall) oder
  • durch den Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung zwischen dem besonderen Verhandlungsgremium und den Unternehmensleitungen über die zukünftige Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE.

Letztere Beendigungsvariante stellt sowohl den gesetzlichen Regelfall als auch die in der Praxis am häufigsten auftretende Variante der Beendigung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens dar.

Inhalt einer Beteiligungsvereinbarung

Eine Beteiligungsvereinbarung regelt die zukünftige Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE. Diese gliedert sich in zwei Aspekte: Die Errichtung eines SE-Betriebsrats (oder eines alternativen Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer) und eine etwaige Mitbestimmung im Aufsichtsrat (dualistische SE) oder Verwaltungsrat (monistische SE) der zukünftigen SE. Das Gesetz sieht für eine Beteiligungsvereinbarung Mindestinhalte vor, jedoch verbleibt den Parteien auch ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum, welcher genutzt werden kann und sollte, um die Beteiligung der Arbeitnehmer an die Bedürfnisse der künftigen SE und die Firmenkultur anzupassen.

Praxistipp: Der Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung ermöglicht Unternehmen eine auf die Bedürfnisse der SE und ihrer Arbeitnehmer zugeschnittene Mitbestimmungslösung.

Fazit

Die arbeitsrechtlichen Aspekte einer SE-Gründung, insbesondere die ordnungsgemäße Beteiligung der Arbeitnehmer sowie die Verhandlung des Inhalts einer Beteiligungsvereinbarung, sind zentrale Bestandteile einer SE-Gründung. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit dem Thema befassen und die SE-Gründung insbesondere auch aus arbeitsrechtlicher Sicht gut vorbereiten.

Johannes Wicklerer
Johannes Wickler

Johannes Wickler ist spezialisiert auf betriebliche Altersversorgung, SE-Gründungen, Mitbestimmungsmanagement, die Gestaltung von Arbeitsverträgen, Auflösungsvereinbarungen sowie auf Unternehmensumstrukturierungen.

Julia Glock

Julia Glock ist spezialisiert auf Mitbestimmungsmanagement, SE-Gründungen, Kündigungsrechtsstreitigkeiten sowie Due Diligence.

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