I. Was sind Energiepreisbremsen?
Der Bundestag hat am 15. Dezember 2022 die Gesetze zu Energiepreisbremsen beschlossen. Dazu zählt das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) sowie das Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (EWPBG).
Hintergrund ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, welcher die Situation an den Energiemärkten in Deutschland und Europa immer weiter verschärft hat. Insbesondere die sehr massiven Preissteigerungen bei Gas, die einen Teil der gestiegenen Strompreise begründen, stellen eine erhebliche, teilweise existenzbedrohende Belastung für die Bevölkerung und Unternehmen in Deutschland und Europa dar und sind eine enorme gesellschafts- und wirtschaftspolitische Herausforderung. Die Energiepreisbremsen sollen zu einer spürbaren Entlastung bei den privaten, gemeinnützigen und gewerblichen Stromverbrauchern führen. Hierzu wird eine Strompreisbremse und Gaspreisbremse eingeführt.
Dies bedeutet:
- Für Erdgas bezahlen Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen (mit einem Verbrauch von bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden (kWh) pro Jahr) für 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs 12 Ct/kWh brutto (9,5 Ct/kWh brutto für Wärme), der Preis für die Großindustrie ist für 70 Prozent des Jahresverbrauchs im Jahr 2021 auf 7 Ct/kWh netto (7,5 Ct/kWhm netto für Wärme) gedeckelt.
- Im Bereich Strom zahlen Haushalte und kleine Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von bis zu 30 000 kWh pro Jahr) für 80 Prozent des vom Netzbetreiber prognostizierten Jahresverbrauchs höchstens 40 Ct/kWh brutto und mittlere und große Unternehmen (mit einem bisherigen Stromverbrauch von mehr als 30.000 KWh pro Jahr) für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs höchstens 13 Ct/kWh netto.
Im Ergebnis wird ein sogenannter Entlastungsbetrag gewährt (§ 4 StromPBG-E). Liegt der Verbrauch über 80 bzw. 70 Prozent des bisherigen Energieverbrauchs, gelten die vereinbarten Preise mit dem Energielieferanten. Die Preise steigen also, wenn mehr Energie verbraucht wird. Auf diesem Weg soll das Einsparen von Energie sowohl für die Industrie als auch für Verbraucher attraktiv gemacht werden. Die Energiepreisbremse ist erst ab dem 1. März 2023 durch die Energielieferanten technisch umsetzbar (durch die notwendige Anpassung von Abrechnungs- und Informationsprozessen), wird aber für die Monate Januar und Februar 2023 rückwirkend umgesetzt. Für große industrielle Gasverbraucher beginnt die Auszahlung bereits im Januar 2023. Die Regelungen sollen zunächst bis Ende des Jahre 2023 gelten, eine Verlängerung bis zum April 2024 ist im Gesetz aber bereits angelegt.
II. Welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen gibt es?
In beiden Gesetzen verstecken sich arbeitsrechtliche Implikationen. Für Arbeitgeber kann es gemäß § 37 StromPBG bzw. § 29EWPBG zu einer Arbeitsplatzerhaltungspflicht kommen.
1. Welche Arbeitgeber sind hiervon betroffen?
Es sind alle Arbeitgeber betroffen, die auf Grundlage des StromPBG und des EWPBG insgesamt Entlastungen von über 2 Millionen Euro beziehen. Die Förderungshöhe bezieht sich – im Gegensatz zu anderen Regelungen der benannten Gesetze – nicht auf den Konzern, sondern auf das einzelne Unternehmen.
Achtung: Aus der Gesetzesbegründung folgt, dass nicht nur die vorstehend beschrieben Entlastungen aus den Energiepreisbremsen in die Summe einfließen, sondern auch
- Entlastungsbeträge nach dem Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz
- Beihilfen nach der Regelung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Befristeten Krisenrahmens (BKR) der Europäischen Kommission für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine (BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022) vom 22. April 2022 (BAnz. AT 27.04.2022, B2) in der jeweils geltenden Fassung
- Billigkeitsleistungen nach der Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz über die Gewährung von Billigkeitsleistungen zur temporären Kostendämpfung des Erdgas- und Strompreisanstiegs (Energiekostendämpfungsprogramm) vom 12. Juli 2022 (BAnz AT 15.07.2022, B2) in der jeweils geltenden Fassung und
- alle weiteren Maßnahmen, die durch Bund, Länder oder Kommunen oder auf Grund einer Regelung des Bundes, eines Landes oder einer Kommune zu dem Zweck der Entlastung für die Mehrkosten aufgrund des außergewöhnlich starken Anstiegs der Erdgas- und Strompreise gewährt worden sind.
Das betrifft auch die Entlastungssummen, die vor der Einführung des ESPBG und des StromPBG gewährt wurden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird im Bundesanzeiger eine Liste der Entlastungsmaßnahmen des Bundes veröffentlichen, die einzubeziehen sind. Es wird daher genau zu prüfen sein, welche Zahlungen in welcher Höhe gewährt wurden.
2. Wie viele Arbeitsplätze müssen erhalten werden?
Bis zum 30. April 2025 müssen 90 % der zum 1. Januar 2023 vorhandenen Vollzeitäquivalente an Arbeitsplätzen erhalten werden.
Zur Berechnung werden Vollzeitäquivalente benutzt, um auch Teilzeitkonstellationen Rechnung zu tragen Es erfolgt damit keine Zählung nach Köpfen, sondern nach vereinbarten Arbeitszeitstunden. Hierbei sind ggf. überlassene Leiharbeitnehmer miteinzubeziehen.
3. Warum gibt es diese Regelung?
Die Arbeitsplatzerhaltungspflicht erfolgt aus dem Grund, dass die Unternehmen mit den Preisbremsen eine flächendeckende und erhebliche Entlastung von hohen Erdgas- und Wärmekosten erhalten. Dies dient dem Erhalt von Arbeitsplätzen und Standorten in Deutschland und Europa, denn die massiven Preissteigerungen bei Erdgas und Wärme bedrohen die Existenz der Unternehmen. Daher ist es nach Ansicht des Gesetzgebers gerechtfertigt, dort, wo hohe Entlastungen nach dem StromPBG und dem EWPBG von über 2 Millionen Euro gewährt werden, die Entlastung auch an einen Arbeitsplatzerhalt zu koppeln und diese Pflicht ein Jahr nach Ende der Entlastungsperiode aufrechtzuerhalten.
4. Was gilt, wenn es bereits in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung Regelungen zur Arbeitsplatzsicherung gibt?
Da Tarif- und Betriebsparteien über die Kompetenz und das verfassungsrechtlich garantierte Recht verfügen, Vereinbarungen über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen zu treffen, gibt es einen Vorrang von Tarif- und Betriebsvereinbarungen zur Arbeitsplatzsicherung. Das bedeutet allerdings nicht, dass Arbeitgeber nun Tarif- oder Betriebsvereinbarungen zu diesem Thema abschließen müssen. Entsprechende Vereinbarungen können allerdings noch bis zum 30. Juni 2023 abgeschlossen oder geändert werden. Eine Änderung bietet sich insbesondere dann an, wenn eine Arbeitsplatzsicherung nicht vollständig bis zum 30. April 2025 geregelt wurde.
Die entsprechende Vereinbarung ist der Prüfbehörde spätestens am 15. Juli 2023 vorzulegen. Wird die Vereinbarung nicht vorgelegt, kann nur eine Förderung von bis zu 2 Millionen Euro erfolgen.
Anders als in dem Fall, in dem keine tarifvertraglichen oder betriebsparteilichen Vereinbarungen zur Arbeitsplatzsicherung vorliegen – hierzu sogleich – muss im Fall einer tarifvertraglichen oder betriebsparteilichen Vereinbarung kein Nachweis zur Erhaltung der Arbeitsplätze bzw. der Investitionen erbracht werden. Vielmehr ist die Rechtsfolge zwischen den Tarif- bzw. Betriebspartnern zu regeln.
Die genannten Gesetze enthalten keine Vorgaben, welche Arten von Arbeitsplatzsicherungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen die Ausnahmetatbestände erfüllen. In Zukunft wird also zu prüfen sein, welche Regelungen in Tarif- oder Betriebsvereinbarungen den benannten Gesetzen tatsächlich vorgehen.
5. Was müssen Arbeitgeber tun, wenn es keine einschlägige Tarif- oder Betriebsvereinbarung gibt?
Unternehmen, die keine Vereinbarung zur Arbeitsplatzsicherung abgeschlossen haben oder abschließen werden, müssen zum einen eine Erklärung über das Nichtzustandekommen einer Vereinbarung abgeben. Zum anderen müssen sie eine schriftliche Selbsterklärung über den Erhalt der Arbeitsplätze vorlegen und sich verpflichten, 90 Prozent der Vollzeitäquivalente (gemessen zum Stichtag des 1. Januar 2023) bis zum 30. April 2025 zu erhalten. Auch die Selbsterklärungsverpflichtung ist der Prüfbehörde bis zum 15. Juli 2023 vorzulegen, um nicht eine Kappung der Förderungsbeiträge zu riskieren.
Zudem ist ein Nachweis über die Erhaltung der Arbeitsplätze vorzulegen (Abschlussbericht). Dieser Abschlussbericht soll die Arbeitsplatzentwicklung darstellen und im Falle eines Arbeitsplatzabbaus, die Gründe hierfür enthalten. Eine zeitliche Vorgabe für diesen Abschlussbericht ist im Gesetz nicht enthalten, er sollte jedoch in zumutbarem zeitlichen Abstand nach dem 30. April 2025, spätestens jedoch vor dem 31. Dezember 2025, vorgelegt werden. Im Fall von nicht hinreichend feststehenden, aber geplanten Investitionen im Jahr 2026, kann auch eine spätere Einreichung des Abschlussberichts ausnahmsweise gerechtfertigt sein.
Achtung: Daneben kommt es je nach Verbrauch des Unternehmens und Höhe der Entlastungen zu weiteren Mitteilungspflichten an die Energielieferanten und ggf. die Prüfbehörden.
Alle Unterlagen, die die Entlastungen und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben betreffen, sind zehn Jahre aufzubewahren.
6. Welche Folgen hat es, wenn ein Unternehmen die Vorgaben zur Arbeitsplatzsicherung nicht einhält?
Hält ein Arbeitgeber die Vorgaben zur Arbeitsplatzsicherung nicht ein, können die Förderungen gekürzt werden, wenn sie noch nicht geleistet wurden. Soweit eine Auszahlung über 2 Millionen Euro bereits geleistet worden ist, kann diese unter Umständen von der Prüfbehörde zurückgefordert werden. Förderungen, die die 2 Millionengrenze nicht überschreiten, bleiben allerdings erhalten. Auch eine Kürzung kann nur bis zu dieser Grenze erfolgen.
Die Behörde trifft hinsichtlich der Rückforderung ein Ermessen. Bei dessen Ausübung muss die Behörde insbesondere drei Aspekte berücksichtigen:
- Die Höhe der Rückforderung soll prozentual der Höhe der Unterschreitung der vereinbarten/zugesicherten Zahl der zu erhaltenden Arbeitsplätze entsprechen, mindestens aber 20 Prozent betragen. Nur bei einer Unterschreitung von mehr als 50 Prozent soll der vollständige Betrag zurückerstattet werden.
- Bei einer vollständigen Einstellung des Geschäftsbetriebs oder einer Verlagerung ins Ausland bis zum 30. April 2025 kann es ebenfalls zu Rückforderungen kommen. In welcher Höhe die Rückforderung erfolgen soll, ist nicht geregelt. Bei einer Maßnahme im Sinne des Umwandlungsgesetzes oder bei einem Betriebsübergang wird jedenfalls berücksichtigt, wie viele Arbeitsplätze bei dem Rechtsnachfolger erhalten bleiben.
- Der Abbau von Beschäftigung kann durch Investitionen in die Transformation, den Klima- und Umweltschutz sowie die Energieversorgungssicherheit kompensiert werden.
7. Zusätzlich: Gestuftes Boniverbot und Dividendenverbot
Sowohl nach dem StromPBG als auch nach dem EWPBG wurden zudem Regelungen zur Ausschüttung von Boni und Dividenden getroffen:
- Bei Unternehmen, die Förderungen ab einer Höhe von 25 Millionen Euro bekommen, gilt ein gestuftes Boniverbot für Mitglieder der Geschäftsleitung und von Aufsichtsorganen sowie ein Dividendenverbot.
- Bei einer Gesamtförderung in Höhe von 25 bis 50 Millionen Euro betrifft dieses Verbot nur Bonusvereinbarungen, die nach dem 1. Dezember 2022 getroffen worden sind oder werden sollten.
- Bei einer Gesamtfördersumme über 50 Millionen Euro sind alle Bonusvereinbarungen und auch die Ausschüttung von Dividenden betroffen. Das Verbot gilt für Boni und Dividenden für das Jahr 2023 unabhängig vom Datum der konkreten Auszahlung.
Unternehmen haben die Möglichkeit, durch Erklärung bis zum 31. März 2023 auf eine Förderung über den genannten Schwellenwerten zu verzichten, und damit das Boni- oder Dividendenverbot zu vermeiden.
III. Fazit
Die Maßnahmen nach dem StromPBG und dem EWPBG können dabei helfen, Energieverbraucher trotz der derzeitigen Krise finanziell zu entlasten. Für Unternehmen bedeutet dies bis zu einer Förderungshöhe von 2 Millionen Euro Bürokratie in Form von Mitteilungspflichten gegenüber den Energielieferanten. Für Unternehmen, die Forderungen von über 2 Millionen Euro beziehen, besteht neben Mitteilungspflichten an Energielieferanten und Prüfbehörden eine Arbeitsplatzerhaltungspflicht. Dieser Pflicht können Arbeitgeber durch die Vorlage entsprechender Tarif- oder Betriebsvereinbarungen zur Arbeitsplatzsicherung, aber auch über die Vorlage einer entsprechenden Selbstverpflichtungserklärung nachkommen. Werden die Pflichten nicht erfüllt, kann es zu einer Streichung bzw. Rückforderung der Förderungsbeträge kommen, die eine Summe von 2 Millionen Euro übersteigen.
Weil StromPBG und EWPBG reichlich kompliziert verfasst worden sind, ist mit Umsetzungs- und Verständnisschwierigkeiten zu rechnen. Zudem enthalten die benannten Gesetz noch erhebliche Unklarheiten, etwa, in welchem Umfang Regelungen in Tarif- und Betriebsvereinbarungen die gesetzliche Arbeitsplatzerhaltungspflicht tatsächlich ausschließen. Abzuwarten bleibt zudem, ob es für Unternehmen zum Problem werden wird, die gewährte Förderungssumme korrekt zu bestimmen, welche die Grenze für die Arbeitsplatzerhaltungspflicht überhaupt erst begründet.