Wenn das Team zum Ausspruch einer Kündigung drängt
Stellen Sie sich vor, Sie stehen als Arbeitgeber vor folgendem Dilemma: Eine Mitarbeiterin, nennen wir sie Frau M., verhält sich störend, allerdings rechtfertigt ihr Verhalten (noch) keine verhaltensbedingte Kündigung. Ihr Team möchte auf keinen Fall mehr mit Frau M. zusammenarbeiten und hält auch eine von ihnen vorgeschlagene Mediation für sinnlos. Die Fronten sind verhärtet. Die übrigen Mitarbeitenden kündigen konkret Eigenkündigungen sowie krankheitsbedingte Arbeitsausfälle aufgrund des psychischen Stresses in der Zusammenarbeit mit Frau M. an. Sie fordern gemeinschaftlich, dass man sich unverzüglich von Frau M. trennen möge.
Wie können und sollten Arbeitgeber in solchen Situationen reagieren? Mit dieser Frage beschäftigte sich sowohl das LAG Niedersachsen (Urteil vom 13.05.2025 – 10 SLa 687/24) als auch das LAG Nürnberg (Urteil vom 12.12.2023 – 7 Sa 61/23).
Die Arbeitgeber reagierten in beiden Situationen mit einer sogenannten Druckkündigung, d.h. sie beriefen sich darauf, dass sie aufgrund des Drucks der anderen Mitarbeitenden gezwungen gewesen seien, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Wann ist eine solche Druckkündigung wirksam? In diesem Beitrag beleuchten wir, wie Arbeitgeber hier rechtssicher handeln können und welche Anforderungen die Rechtsprechung aufstellt.
Was ist eine Druckkündigung?
Eine Druckkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber unter der Androhung von Nachteilen für ihn (z.B. Eigenkündigung von anderen Mitarbeitern, Arbeitsniederlegung, Streik) nachdrücklich aufgefordert wird, einen bestimmten Arbeitnehmer zu entlassen und der Arbeitgeber dieser Aufforderung nachkommt, obwohl kein anderer Kündigungsgrund besteht. Es kann sich hierbei um eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung aus personen-, betriebs- oder verhaltensbedingten Gründen handeln, die durch den Druck Dritter (typischerweise der Belegschaft, des Betriebsrats oder der Gewerkschaft) veranlasst wird. Wichtig ist, dass die Kündigung nicht wegen eines Fehlverhaltens des betroffenen Mitarbeiters erfolgt, sondern maßgeblich aufgrund des Drucks von außen.
Das Vorgehen als Arbeitgeber
Eine Druckkündigung ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig:
- Dem Verlangen der Belegschaft oder eines Teils der Belegschaft auf Entlassung eines Arbeitnehmers darf der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres Folge leisten. Vielmehr ist er aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht gehalten, den betroffenen Arbeitnehmer zu schützen und alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Belegschaft von der Realisierung ihrer Drohung abzuhalten.
- Nur wenn dadurch die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung (z.B. Streik oder Massenkündigung) schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Es ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung des betreffenden Mitarbeitenden das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um diese Schäden abzuwenden.
Dabei ist stets zu beachten, dass der Arbeitgeber in einem möglichen Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er diesen Anforderungen in ausreichendem Maße nachgekommen ist.
Einschlägige Rechtsprechung
So sah es auch das LAG Nürnberg in der bereits angesprochenen Entscheidung: Das LAG weist darauf hin, dass der Arbeitgeber sich schützend vor den von einem Kündigungsverlangen betroffenen Arbeitnehmer (in unserem Beispiel Frau M.) stellen muss. Es stellt fest, dass es nicht ausreichend sein kann, dass der Arbeitgeber überhaupt Gespräche mit den die Drohung aussprechenden Arbeitnehmern führt, gegebenenfalls gemeinsame Beratungen zwischen beiden Parteien moderiert oder nachfragt, wer noch mit Frau M. zusammenarbeiten möchte. Er muss vielmehr deutlich machen, dass aus seiner Sicht kein objektiver Anlass für eine Kündigung besteht. Je klarer er erkennen kann, dass das Entlassungsbegehren der anderen Mitarbeitenden kündigungsrechtlich ungerechtfertigt ist, umso mehr ist ihm abzuverlangen. Zu erwarten ist jedenfalls ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Sofern die Ursachen für das Kündigungsverlangen in Konflikten liegen, die sich aus der Zusammenarbeit im Betrieb ergeben, muss der Arbeitgeber unter Umständen auch durch Ausübung seines Weisungsrechts auf die Arbeitnehmer einwirken. Sollte hingegen von Frau M. aktiv der Betriebsfrieden gestört oder andere Mitarbeitende diskriminiert oder gemobbt werden, so ist dies ein abmahnungsfähiges und im Wiederholungsfall durch Kündigung sanktionierbares Verhalten. Dies ist sorgfältig zu ermitteln.
Auch das LAG Niedersachsen äußerte sich dieses Jahr dahingehend, dass sich der Arbeitgeber schützend vor den vom Kündigungsverlangen betroffenen Arbeitnehmer stellen muss. Dabei konkretisierte es, dass es nicht ausreiche, vage Mediationsangebote zu machen. Vielmehr wird von der Rechtsprechung gefordert, dass der Arbeitgeber aktiv deeskalierend eingreift und zumindest ein ernsthaftes Mediationsangebot unterbreitet.
Der Arbeitgeber hat dann in einem späteren Prozess genau darzulegen, welche konkreten Bemühungen er unternommen hat, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen.
Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Az. 2 AZR 431/15), das ebenfalls hohe Anforderungen an den wirksamen Ausspruch einer Druckkündigung stellt. An anderer Stelle stellt das höchste deutsche Arbeitsgericht (Az. 2 AZR 637/15) aber auch fest, dass eine Mediation dann nicht angeboten werden muss, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm im Kündigungszeitpunkt bekannter Umstände davon ausgehen durfte, eine der Konfliktparteien werde sich der freiwilligen Teilnahme an einem Mediationsverfahren ohnehin verschließen. Dabei ist aufgrund der dem Arbeitgeber obliegenden Darlegungs- und Beweislast jedoch besondere Vorsicht zu wahren.
Fazit
Die Rechtsprechung stellt an den Arbeitgeber in einer Drucksituation wie der zuvor geschilderten hohe Anforderungen. Er muss sich aktiv schützend vor den von dem Druck betroffenen Arbeitnehmer stellen und nicht bloß Verständnis zeigen oder allgemein Unterstützung zusichern. Vielmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, konkrete Schritte zur Konfliktlösung zu unternehmen. Sämtliche Maßnahmen sollte er stets ausführlich dokumentieren, um in einem möglichen Prozess seiner Darlegungs- und Beweislast nachkommen zu können. Wichtig ist auch, zu prüfen, ob das Verhalten des störenden Arbeitnehmers nicht doch eine verhaltensbedingte Pflichtverletzung darstellt, die abgemahnt und im Wiederholungsfall mit einer Kündigung sanktioniert werden kann.