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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

„Wenn Du geschwiegen hättest, wärest Du ein Philosoph geblieben“ – oder wie durch ein unbedachtes Wort die Karenzentschädigung abhanden kommen kann.

Mann sitzt ratlos mit Händen am Kopf vor Laptop

Will ein Arbeitgeber verhindern, dass ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seinem Know-How und seiner Erfahrung bei der Konkurrenz anheuern, kann er dem Arbeitnehmer vorschlagen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot abzuschließen. Ein Arbeitnehmer wäre schlecht beraten, dieses „kostenlos“ zu akzeptieren – setzt ein wirksames und durchsetzbares Wettbewerbsverbot doch stets voraus, dass der Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen als sog. Karenzentschädigung erhält.

Will der Arbeitgeber weniger als die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zahlen, kann der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob diese Summe ihm die Karenz noch wert ist. Will er sich daran halten, ist er rechtlich nicht einmal verpflichtet, dies ausdrücklich zu erklären. Es genügt, dass er Wettbewerb, wie vereinbart, unterlässt. Weil der Arbeitgeber aber weder die innere Absicht des Arbeitnehmers noch dessen Teilnahme am Wettbewerb unmittelbar erkennen kann, erlaubt die Rechtsprechung dem Arbeitgeber, dies herauszufinden. Er ist berechtigt, dem Arbeitnehmer entsprechend § 264 Abs. 2 BGB eine angemessene Frist zur Erklärung über die getroffene Wahl zu setzen. Läuft diese Frist ohne klärende Rückmeldung des Arbeitnehmers ab, kann der Arbeitgeber selbst über die Geltung des Wettbewerbsverbots entscheiden.

„Reden“ sollte der Arbeitnehmer in diesen Fällen also nur, wenn er gefragt wird. Wie ein neues Urteil des BAG zeigt, sollte dies bei Wettbewerbsverboten allgemein eine Handlungsmaxime sein. Mit Urteil vom 31. Januar 2018 (Az.: 10 AZR 392/17) sprach das BAG einem Arbeitnehmer die begehrte Karenzentschädigung ab, weil er ein – unnötiges – Wort zu viel gesagt hatte.

Der Arbeitnehmer hatte dort mit seinem Arbeitgeber ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von drei Monaten vereinbart. Hierfür war eine angemessene Karenzentschädigung in Höhe von 3.373,60€ mtl. vereinbart, was die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen ausmachte. Nachdem der Arbeitnehmer selbst gekündigt hatte und im ersten Monat der Karenzzeit keine Entschädigung erhalten hatte, schrieb er am 1. des Folgemonats seinen Arbeitgeber an und setzte ihm eine 3-tägige Frist zur Zahlung der Karenzentschädigung für den ersten Monat. Als der Arbeitgeber „mauerte“, legte der Arbeitnehmer nach und schrieb eine Woche nach seiner ersten E-Mail erneut: „Bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 01.03.2016 sowie das Telefonat mit Herrn B. möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle.“ Gegen Ende des dritten Monats nach Ausscheiden klagte der Arbeitnehmer, der tatsächlich durchgehend seit seinem Ausscheiden Wettbewerb unterlassen hatte, auf Zahlung von 10.120,80€, der Karenzentschädigung für die vollen drei Monate.

Das Arbeitsgericht Würzburg gab dem Arbeitnehmer zunächst Recht und sprach ihm die volle Klagesumme zu. In der Berufungsinstanz beim LAG Nürnberg wurde diese Entscheidung jedoch teilweise abgeändert. Einen Anspruch auf Karenzentschädigung habe der Arbeitnehmer nur noch bis zum Zeitpunkt seiner zweiten E-Mail, danach nicht mehr.  Die Erklärung des Arbeitnehmers in seiner zweiten E-Mail sei als Rücktrittserklärung vom vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu werten. Er habe unmissverständlich geäußert, an diesem Vertrag mit gegenseitigen Rechten (Erhalt Karenzentschädigung) und Pflichten (Wettbewerbsenthaltung) nicht mehr festhalten zu wollen. Für eine reine „Trotzreaktion“ als der sie der reuige Arbeitnehmer später verstanden wissen wollte, sei sie zu eindeutig am Vertrag und den gesetzlichen Vorgaben ausgerichtet gewesen. Da zum Unglück des Arbeitnehmers auch die sonstigen Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 BGB vorlagen – der Arbeitgeber hatte die Zahlung der fälligen Karenzentschädigung nach erneuter Fristsetzung unmissverständlich abgelehnt – war das nachvertragliche Wettbewerbsverbot „ex nunc“ aufgehoben. Für die bisherige Wettbewerbsenthaltung konnte der Arbeitnehmer also Karenzentschädigung fordern, für den übrigen Zeitraum des vereinbarten Verbotszeitraums nicht.

Dieser Entscheidung des LAG Nürnberg gab das BAG nun im Ergebnis und – soweit es die bislang nur vorliegende Presseerklärung erkennen lässt – auch in der Begründung recht. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich gutgläubig war und nur seinem Ärger Luft machen wollte oder ob er im Prozess seinen rechtstaktischen Fehler als Trotzreaktion verkaufen wollte, bleibt unklar. Der Fall zeigt aber einmal mehr – im Zweifel ist Reden Silber und Schweigen Gold.

Thomas Wahlig

Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.

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