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Voraussetzungen eines erhöhten Kündigungsschutzes für Hinweisgeber

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Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vermittelt besonderen Schutz für Hinweisgeber. Das Verbot von Repressalien aus § 36 Abs. 1 HinSchG enthält auch das Verbot von Kündigungen, die hauptsächlich aus dem Grund erfolgen, dass der Hinweisgeber eine Meldung eingereicht oder eine Offenlegung vorgenommen hat. Insoweit regelt das HinSchG einen besonderen Kündigungsschutz für Hinweisgeber. Es reicht allerding nicht aus, einfach nur „irgendeinen“ Hinweis zu geben, um diesen Schutz als Hinweisgeber zu genießen. Vielmehr müssen dafür spezifische Voraussetzungen erfüllt sein. Arbeitgebern begegnet das Hinweisgeberschutzgesetz also nicht nur bei der Umsetzung im Unternehmen, sondern gegebenenfalls auch im Kündigungsschutzprozess.

I. Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes

Damit der Arbeitnehmer dem besonderen Kündigungsschutz des Hinweisgeberschutzgesetzes unterliegt, muss der Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 Abs. 1 HinSchG) eröffnet sein. Vom Gesetz erfasst werden Meldungen von Informationen insbesondere über

  • Verstöße gegen Strafgesetze,
  • Verstöße gegen bußgeldbewehrte Gesetze, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient und
  • sonstige Verstöße gegen Bundes- und Landesrecht sowie unmittelbar gegen geltendes Unionsrecht und Euratom-Recht unter anderem zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, mit Vorgaben zur Produktsicherheit, mit Vorgaben zur Sicherheit im Straßen-, Eisenbahn-, See- und Luftverkehr sowie mit Vorgaben zum Datenschutz, zum Umweltschutz und zur Lebensmittelsicherheit.

II. Meldungen, Meldestellen und Offenlegungen

Ist der Anwendungsbereich eröffnet, muss in einem nächsten Schritt geprüft werden, ob der Hinweis in einer privilegierten Form gegeben wurde. Das Hinweisgeberschutzgesetz kennt Meldungen und Offenlegungen. 

Meldungen können bei einer internen Meldestelle oder bei einer externen Meldestelle, einer Meldebehörde, eingereicht werden. Aufgrund einer Meldung genießen Hinweisgeber Schutz nach dem Hinweisgeberschutzgesetz nur dann, wenn sie die Meldung bei einer zuständigen Meldestelle eingereicht haben. Eine Meldung beim Vorgesetzten oder beim Betriebsrat zählt nicht dazu.

In diesem Zusammenhang ist für Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten die Pflicht relevant, interne Meldestellen einzurichten. Dabei können Beschäftigungsgeber mit bis zu 249 Beschäftigten die Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 nutzen, sofern sie nicht im Finanzwesen tätig sind. Ab 1. Dezember 2023 ist das pflichtwidrige Nichtvorhalten einer internen Meldestelle bußgeldbewehrt. Die interne Meldestelle kann unternehmens- oder konzernintern eingerichtet werden oder von einem externen Dritten im Auftrag des Beschäftigungsgebers unterhalten werden. In jedem Fall muss die Vertraulichkeit zugunsten des Hinweisgebers gewahrt bleiben.

Neben der internen oder externen Meldung hat der Hinweisgeber die Möglichkeit der Offenlegung der Informationen über einen Verstoß. Die Offenlegung ist die Veröffentlichung dieser Informationen. Sie ist nur zulässig, wenn eine Meldung bei einer externen Meldestelle erfolglos war oder keinen Erfolg verspricht. 

III. Schutz des Hinweisgebers

Liegt eine privilegierte Meldung oder Offenlegung vor, verbietet das Hinweisgeberschutzgesetz sämtliche Repressalien, die gegen den Hinweisgeber gerichtet sind. Eine Repressalie im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes ist ein Verhalten im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, das als Reaktion auf eine Meldung oder Offenlegung erfolgt und einen ungerechtfertigten Nachteil für den Hinweisgeber zur Folge hat. Dabei ist das Verbot der Kündigung, die auf eine Meldung zurückzuführen ist, hervorzuheben.

Die Voraussetzungen dafür, dass das Verbot von Repressalien greift, sind:

  • das Vorliegen einer internen oder externen Meldung oder Offenlegung,
  • zum Zeitpunkt der Meldung hinreichender Grund zur Annahme, dass die gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen,
  • Informationen über einen Verstoß im Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes oder es bestand hinreichender Grund zu der Annahme, dies sei der Fall und
  • die Beschaffung oder der Zugriff auf die Informationen waren keine eigenständige Straftat.

Den Hinweisgeber trifft die Pflicht, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, um den Sachverhalt so weit wie möglich zu erforschen. Das meint das Gesetz damit, dass ein „hinreichender Grund zur Annahme“ eines Verstoßes bestehen muss. Nicht geschützt ist damit die bewusst oder fahrlässig unwahre Meldung oder Offenlegung.

IV. Beweisfragen

Nach der Darstellung der materiellen Rechtslage tut sich die Frage nach der Rechtsdurchsetzung auf. Fraglich ist, wer das Vorliegen welcher Tatsachen vor Gericht nachweisen muss. Der Hinweisgeber muss in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess zunächst geltend machen, dass er einen Nachteil aufgrund einer Meldung oder Offenlegung erlitten hat und gegebenenfalls, dass die Offenlegung rechtmäßig war. Dies stellt regelmäßig keine große Hürde dar. Die Kausalität der Meldung oder Offenlegung für den erlittenen Nachteil wird gesetzlich vermutet.

Der Beschäftigungsgeber muss sodann zu diesem Vorbringen konkret Stellung nehmen. Die Vermutung der Kausalität kann der Beschäftigungsgeber widerlegen. Dazu muss er entweder beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte. Dies wird regelmäßig der Fall sein bei einer sozial gerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung oder bei einem vertraglich relevanten Fehlverhalten des Hinweisgebers, insbesondere bei einer Beteiligung an dem gemeldeten Verstoß. Alternativ kann der Beschäftigungsgeber beweisen, dass die Kündigung nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte. Dies ist beispielsweise möglich, wenn der Beschäftigungsgeber keine Kenntnis von dem Vorgang hatte.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Meldung oder Offenlegung kausal für den erlittenen Nachteil war, kann das Gericht insbesondere berücksichtigen, ob:

  • die gemeldeten Verstöße geringfügig waren,
  • das Meldeverfahren erfolgreich abgeschlossen wurde,
  • der mit der Kündigungsentscheidung Befasste Kenntnis von der Meldung oder der Offenlegung hatte und
  • ein großer zeitlicher Abstand zwischen der Meldung oder Offenlegung und der Benachteiligung liegt.

Falls die gemeldete oder offengelegte Information unwahr ist, spricht vieles dafür, dass der Beschäftigungsgeber dies auch vor Gericht nachweisen muss. Gelingt ihm dies, muss der Hinweisgeber darlegen und beweisen können, weshalb er von der Richtigkeit der Information ausgehen durfte.

V. Fazit

Für Arbeitgeber, die dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen, dürfte sich wenig ändern. Eine nach dem Kündigungsschutzgesetz gerechtfertigte Kündigung wird regelmäßig auch nach den Maßstäben des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht als Repressalie gelten können. Relevant könnte der Schutz aber werden bei einer Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes, beispielweise in der Probezeit. Ein Missbrauch des Hinweisgeberschutzgesetzes zum Zwecke der ungerechtfertigten Begründung eines erhöhten Kündigungsschutzes ist indessen äußerst unwahrscheinlich. Nicht jede Meldung zu einer beliebigen Zeit löst den Schutz aus. Vielmehr müsste der Beschäftigte vorab Kenntnis von einem bevorstehenden Kündigungsszenario haben. Zudem müsste ein meldefähiger Verstoß im Unternehmen vorliegen. Eine missbräuchliche Meldung während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens oder „ins Blaue hinein“ löst das Verbot von Repressalien somit nicht aus.

Eva Wißler
Eva Wißler

Eva Wißler ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Vergütungs- und Arbeitszeitsysteme sowie auf internationales Arbeitsrecht.

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