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Von offenen Grenzen und bürokratischen Hürden – EU-Binnenmobilität von Drittstaatsangehörigen und die Herausforderungen ihrer Beschäftigung in Deutschland

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Das Europa der offenen Grenzen suggeriert ein Bild des Arbeitsmarktzugangs in allen Mitgliedsstaaten. Während dies für Unionsbürger nach Maßgabe von Art. 45 AEUV Dank der dort verbrieften Arbeitnehmerfreizügigkeit auch zutrifft, gilt dies nicht für Ausländer aus Drittstaaten (sog. „Drittstaatsangehörige“). Wer denkt, ein Aufenthaltstitel aus einem beliebigen europäischen Mitgliedsstaat lässt seinen Inhaber an der Freizügigkeit im gesamten EU-Binnenmarkt teilhaben, irrt. Und so kommt es nicht selten vor, dass Arbeitnehmer gutgläubig oder gar oft aufgrund überlasteter Ausländerbehörden unter Inkaufnahme eines kalkulierten Risikos, ohne nationalen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland („BRD“) tätig bzw. Ausländer mit Aufenthaltstiteln aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat in Deutschland beschäftigt werden. Dass dies illegale Ausländerbeschäftigung darstellt, ist vielen Arbeitgebern oft nicht klar. 

Der nachfolgende Beitrag beleuchtet daher die EU-Binnenmobilität von Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Voraussetzungen eines legalen Aufenthalts und Arbeitsmarktzugangs von solchen Drittstaatsangehörigen, die sich bereits nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats legal in Europa aufhalten.

1.            Arbeitnehmerfreizügigkeit und ihre Grenzen

Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt in der BRD nach Maßgabe des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU). Dies gilt jeweils auch für Staatsangehörige der EWR-Staaten (d.h. Island, Norwegen und Lichtenstein), die nicht Unionsbürger sind, und für ihre Familienangehörigen und nahestehenden Personen sowie Personen, die in der BRD daueraufenthaltsberechtigt sind. 

Auf diese vorgenannten Personengruppen findet das allgemeine Ausländerrecht nur insoweit Anwendung, sofern und soweit dies gesetzlich angeordnet ist (vgl. § 11 Abs. 1 FreizügG/EU). Insbesondere in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer oder Arbeitssuchende sind sie freizügigkeitsberechtigt, d.h. sie können zu diesem Zweck visumsfrei in die BRD einreisen und haben uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Ferner genießen nach dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU Schweizer Staatsangehörige mit gewissen Einschränkungen Freizügigkeit in der BRD.

Für Staatsangehörige von Drittstaaten trifft dies nicht zu. Das bedeutet konkret, dass es für diese Personen nicht ohne weiteres möglich ist, mit einer Aufenthaltserlaubnis aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat den Lebensmittelpunkt nach Deutschland zu verlegen. 

2.            EU-Binnenmobilität Drittstaatsangehöriger

Doch was gilt für Drittstaatsangehörige stattdessen? Wie so oft lautet die Antwort: „Es kommt darauf an.“ Nachfolgend wird eine differenziertere Antwort auf diese Frage gegeben:

2.1.          Grundsatz: Keine Erwerbstätigkeit ohne deutschen Aufenthaltstitel

Nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes („AufenthG“) muss grundsätzlich jeder Ausländer, der sich in Deutschland zur Erwerbstätigkeit aufhalten will, einen Aufenthaltstitel vorweisen, der von den jeweils zuständigen deutschen Behörden ausgestellt worden ist (§§ 4a Abs. 1 i.V.m. 4 Abs. 1 AufenthG). Dies gilt nach § 17 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung („AufenthV“) auch explizit für Inhaber eines von einem Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitels oder nationalen Visums, wenn sie in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen möchten. 

Entscheidend für Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang, dass die Inhaberschaft eines Aufenthaltstitels aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat nicht ausreichend ist, um in Deutschland arbeiten zu dürfen. Vielmehr bedarf es dem Vorliegen einer der nachfolgend dargestellten Ausnahmen oder eines nationalen Aufenthaltstitels, die im konkreten Umfang zur Arbeitsaufnahme in Deutschland berechtigen.

2.2.         Ausnahme: Arbeitsmarktneutralität

Vom Grundsatz der verpflichtenden Ausstellung eines deutschen Aufenthaltstitels ausgenommen waren bis zuletzt nur einige wenige Berufsgruppen. 

Nach § 17 Abs. 2 AufenthV waren lediglich Kurzaufenthalte von bis zu 90 Tagen innerhalb von 12 Monaten möglich in Fällen der sog. Nicht-Beschäftigungsfiktion nach § 30 Nr. 2 und Nr. 3 Beschäftigungsverordnung („BeschV“). Demnach können bspw. wissenschaftliches Personal (§ 5 BeschV), Arbeitnehmer zur Teilnahme an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen (§ 17 BeschV), Journalisten (§ 18 BeschV) und das Fahrpersonal des Güterkraftverkehrs (§ 20 BeschV) für einen kurzfristigen Zeitraum in Deutschland tätig sein, auch wenn sie als Drittstaatsangehörige „nur“ Inhaber eines Aufenthaltstitels oder eines nationalen Visums eines anderen Schengen-Staates sind. Die vorstehende Aufzählung ist exemplarisch und nicht abschließend. Für Kraftfahrer im grenzüberschreitenden Straßenverkehr gilt übrigens keine zeitliche Beschränkung (§ 17 Abs. 2 S. 2 AufenthV). 

Eine entsprechende Privilegierung besteht, für die Dauer von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen, auch für Geschäftsreisende (§ 17 Abs. 2 S. 3 AufenthV i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 16 BeschV), leitende Angestellte (§ 17 Abs. 2 S. 3 AufenthV i.V.m. §§ 30 Abs. 1, § 3 Nr. 1 BeschV), Mitglieder des Organs einer juristischen Person, die zur gesetzlichen Vertretung berechtigt sind (§ 17 Abs. 2 S. 3 AufenthV i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 3 Nr. 2 BeschV), Personen, die aufgrund eines Freihandelsabkommens keiner Arbeitserlaubnis oder Arbeitsgenehmigung bedürfen (§ 17 Abs. 2 S. 3 AufenthV i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 29 Abs. 5 Satz 2 BeschV) sowie bei saisonabhängiger und kurzzeitig kontingentierter Beschäftigung nach erteilter Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit (§ 17 Abs. 3 AufenthV i.V.m. §§ 15a Abs. 1 Nr. 1, 15d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschV). 

Neben den strengen gesetzlichen Vorgaben zu dem Vorliegen einer Geschäftsreise oder der Qualifikation als leitender Angestellter ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass auf dieser Grundlage eine Anstellung in einem deutschen Arbeitsverhältnis nicht möglich ist. 

2.3.         Ausnahme: Kurzfristige Binnenmobilität für Inhaber einer Blauen Karte EU (§ 18h AufenthG)

Eine Fachkraft mit akademischer Ausbildung (§ 18b AufenthG) hat bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen, insbesondere dem Erreichen des relevanten Mindesteinkommens und der Ausübung einer ihrer Qualifikation angemessenen inländischen Beschäftigung, einen Anspruch auf Erteilung einer Blauen Karte EU. Vergleichbare Erteilungsvoraussetzungen gelten ebenfalls in den anderen Mitgliedsstaaten der EU. 

Achtung: Auch wenn der Name des Titels es zwar vermuteten lässt, so berechtigt die Blaue Karte EU jedoch nicht automatisch zur unbeschränkten Erwerbstätigkeit im gesamten Wirtschaftsraum der EU. 

Eine Ausnahmeregelung der Anerkennung ausländischer Aufenthaltstitel zur Ermöglichung kurzfristiger Binnenmobilität hat sich – in Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie (EU 2021/1883) – für Inbound-Fälle nunmehr in dem neu eingeführten § 18h AufenthG manifestiert: Der Inhaber einer Blauen Karte EU, ausgestellt von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, darf seit dem 18. November 2023 nunmehr für die Dauer von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen auch für geschäftliche Zwecke in die BRD einreisen, wenn die geschäftliche Tätigkeit, die im direkten Zusammenhang mit den Pflichten aus dem Arbeitsvertrag steht, Grundlage für die Erteilung einer Blauen Karte EU war. Die strengen Anforderungen an eine Geschäftsreise (§§ 30 Abs. 1 i.V.m. 16 BeschV) sind in diesem Zusammenhang nicht relevant. 

Ist die Blaue Karte EU von einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ausgestellt, der nicht zugleich Schengen-Staat ist, hat der Ausländer zur Einreise in die BRD neben der gültigen Blauen Karte EU zusätzlich einen Nachweis über den geschäftlichen Zweck des Aufenthalts mit sich zu führen und bei der Grenzkontrolle auf Verlangen vorzuzeigen. Aufgrund der recht neuen Einführung des § 18h AufenthG empfiehlt es sich auch für Inhaber einer Blauen Karte aus einem Schengen-Staat, einen entsprechenden Nachweis bei sich zu führen, um möglichen Nachfragen bei einer Grenzkontrolle vorzubeugen. 

Auch wenn diese Ergänzung des AufenthG eine Förderung der EU-Binnenmobilität anstrebt, so hat sie jedenfalls für deutsche Arbeitgeber keine unmittelbare Relevanz, da hierdurch keine dauerhafte Beschäftigung in Deutschland auf Grundlage der ausländischen Blaue Karte EU ermöglicht wird. Natürlich profitieren auch Drittstaatsangehörige, die Inhaber einer in der BRD ausgestellten, Blauen Karte EU sind, von der Hochqualifizierten-Richtlinie. Arbeitgeber sollten sich in solchen Outbound Fällen vor Antritt eines geschäftlichen Kurzaufenthalts gleichwohl informieren, wie der Mitgliedsstaat, der Ziel der Reise sein wird, die Richtlinie im Einzelnen umgesetzt hat. 

2.4.         Ausnahme: Kurzfristige Mobilität für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer (§ 19a AufenthG)

Die Regelungen zum sog. Intra-Corporate Transfer (kurz: ICT) beruhen auf der sogenannten ICT-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2014 (Richtlinie 2014/66/EU (ICT-Richtlinie)), die mittels der §§ 19 ff. AufenthG in deutsches Recht umgesetzt worden ist. § 19a AufenthG erleichtert die Binnenmobilität von Ausländern, die aufgrund einer ICT-Karte in einem anderen EU-Mitgliedsstaat beschäftigt sind und kurzfristig – im Rahmen ihres Transfers – in Deutschland tätig werden sollen. Sie benötigen keinen Aufenthaltstitel, sofern der Einsatz in Deutschland die Dauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen nicht überschreitet. In diesem Fall ist jedoch eine Meldung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge („BAMF“) und der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates durch die Niederlassung im EU-Ausland notwendig, wobei die folgenden Voraussetzungen nachzuweisen sind: 

  • Der Ausländer besitzt einen gültigen nach Maßgabe der ICT-Richtlinie erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union,
  • die inländische aufnehmende Niederlassung gehört demselben Unternehmen oder derselben Unternehmensgruppe an wie dasjenige Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, dem der Ausländer angehört,
  • Arbeitsvertrag und erforderlichenfalls ein Abordnungsschreiben gemäß den Vorgaben in § 19 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG, der oder das bereits den zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaates vorgelegt wurde,
  • Kopie eines anerkannten und gültigen Passes oder Passersatzes des Ausländers sowie
  • der ggf. erforderliche Nachweis, dass eine Berufsausübungserlaubnis erteilt wurde oder ihre Erteilung zugesagt ist. 

Im Falle der kurzfristigen Binnenmobilität auf Grundlage der ICT-Karte treffen die entsendende ausländische Niederlassung die gesetzlichen Meldepflichten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Nachweise in deutscher Sprache zu übermitteln sind und dass das BAMF innerhalb von 20 Tagen über die Einreise nach Deutschland zu entscheiden hat. 

2.5.         Mobile-ICT-Karte (§ 19b AufenthG)

Für den Fall, dass der Weitertransfer in die BRD den Zeitraum von 90 Tagen überschreiten wird, hat die ICT-Richtlinie ebenfalls Vorsorge getroffen, die mit § 19b AufenthG in nationales deutsches Recht umgesetzt wurde. Wenn der Ausländer bereits einen für die Dauer des Antragsverfahrens gültigen nach der ICT-Richtlinie erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedsstaates besitzt, kann in diesen Fällen für die Tätigkeit in der BRD ein Aufenthaltstitel mit der etwas sperrigen Bezeichnung „Mobiler-ICT-Karte“ beantragt werden. 

Achtung: Die Mobiler-ICT-Karte wird nicht erteilt, wenn sich der Ausländer im Rahmen des unternehmensinternen Transfers im Bundesgebiet länger aufhalten wird als in anderen Mitgliedstaaten.

2.6.         Langfristige Binnenmobilität für Inhaber einer Blauen Karte EU (§ 18i AufenthG)

Der neu eingeführte § 18i AufenthG erleichtert die Erteilung einer deutschen Blauen Karte EU, sofern bereits eine Blaue Karte in einem anderen Mitgliedsstaat der EU ausgestellt worden ist. Der Grundsatz, dass ein deutscher Aufenthaltstitel für die Beschäftigung in Deutschland erforderlich ist, wird dadurch also nicht berührt, sondern lediglich die Erteilung eines solchen Titels – jedenfalls theoretisch – vereinfacht. Vor der jüngsten Gesetzesnovelle war für den Drittstaatsangehörigen lediglich nach § 39 Nr. 7 AufenthV eine Antragstellung im Bundesgebiet möglich; im Übrigen waren alle Voraussetzungen der Ersterteilung einer Blauen Karte EU zu prüfen. Mit dem nunmehr neu eingeführten § 18i AufenthG wird dieser Prüfungsumfang zur Erteilung einer Blauen Karte EU nach § 18g AufenthG nun reduziert, um die Binnenmobilität attraktiver zu gestalten. Unabhängig vom Regelungsumfang bleibt es jedoch dabei, dass der Ausländer auf die Mitarbeit der Ausländerbehörde angewiesen ist und vor der Ausstellung der neuen deutschen Blauen Karte EU eine Erwerbstätigkeit in Deutschland nicht gestattet ist. 

Möchte somit ein Ausländer, der bereits im Besitz einer Blauen Karte EU aus einem anderen Mitgliedsstaat ist, dauerhaft in Deutschland arbeiten, kann dieser aufgrund der kurzfristigen Binnenmobilität zwar visumsfrei nach Deutschland einreisen (vgl. hierzu oben) und innerhalb eines Monats nach der Einreise eine entsprechende Blaue Karte EU bei der für den Wohnort zuständigen Ausländerbehörde beantragen. Eine entsprechende Erwerbstätigkeit für einen neuen deutschen Arbeitgeber, der mit dem Arbeitgeber der Ersterstattung der Blauen Karte EU im EU-Ausland nicht identisch ist, darf jedoch erst nach entsprechender Ausstellung der „deutschen“ Blauen Karte EU erfolgen. 

Da die Bearbeitungszeit der Ausländerbehörden je nach Auslastung stark variiert und zum Teil einige Wochen bis Monate in Anspruch nehmen kann, haben der Ausländer und der zukünftige Arbeitgeber somit in Kauf zu nehmen, dass sich der Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit ohne die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit in Deutschland aufzuhalten hat. Daher sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gut beraten, einen Wechsel der Blauen Karte EU langfristig zu planen und ggf. den Wartezeitraum noch mit Tätigkeiten für den Arbeitgeber aus dem Ausstellerland der ursprünglichen Blauen Karte EU im Rahmen der kurzfristigen Binnenmobilität (vgl. hierzu bereits oben) zu überbrücken, sofern die Rahmenbedingungen für eine solche Überbrückung gegeben sind.

2.7.         Vander Elst-Visum (Visa für Drittstaatsangehörige zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in der BRD)

Möchte ein in der EU ansässiges Unternehmen grenzüberschreitend Dienstleistungen in Deutschland erbringen, können hierfür dessen, aus Drittstaaten stammende, Arbeitnehmer im Rahmen einer Entsendung zeitlich befristet in Deutschland eingesetzt werden, wenn diese eine gültige Aufenthaltserlaubnis aus einem EU-Mitgliedsstaat besitzen. Zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit des Unternehmers können in diesem Fall Drittstaatsangehörige ein sog. Vander-Elst-Visum beantragen, wobei nach § 21 BeschV ein Anspruch auf die Visumserteilung besteht, sollten die notwendigen Anforderungen erfüllt sein. 

Das entsprechende Visum ist bei der zuständigen Vertretung im Ausland zu beantragen – die Zustimmung der Agentur für Arbeit ist nicht erforderlich. Rechtsgrundlage für die Erteilung eines solchen Visums in einem vereinfachten Verfahren sind die Regelungen in §§ 6, 7 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung der Grundsätze im Urteil des Europäischen Gerichtshofs („EUGH“) vom 9. August 1994 (Rs. C-43/93 „Vander Elst“).

2.8.         Langfristig Aufenthaltsberechtigte – Daueraufenthalt EU (§ 38a AufenthG)

Sind Drittstaatsangehörige bereits in einem anderem EU-Mitgliedsstaat zum Daueraufenthalt berechtigt und wollen sich diese länger als 90 Tage in Deutschland aufhalten, haben diese einen Rechtsanspruch auf die Erteilung eines deutschen Aufenthaltstitels. Auch in diesem Fall bedeutet dies aber, dass trotz des Daueraufenthalts in einem anderen EU-Mitgliedsstaat der Aufenthalt in der BRD vorher zu beantragen ist. Der Zweck des Aufenthaltes ist in diesem Fall irrelevant – er muss nicht zwingend zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit erfolgen. Erforderlich ist jedoch zwingend, dass der Aufenthaltstitel aus dem EU-Ausland bereits den Titel „Daueraufenthalt EU“ trägt. Eine entsprechende Liste mit den notwendigen Sprachregelungen ist der “Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz” unter 38a 1.1.1 zu entnehmen. Die Beantragung der deutschen Aufenthaltserlaubnis kann auch vor Ort in Deutschland erfolgen (§ 39 Nr. 6 AufenthV), allerdings darf bis zu der Erteilung keine Erwerbstätigkeit auf Grundlage der ausländischen Aufenthaltserlaubnis aufgenommen werden. 

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass das „Ob“ der Erteilung zwar gewiss, dass „Wann“ jedoch weiterhin nicht mit absoluter Sicherheit abzuschätzen ist und somit bei Zuständigkeit einer Ausländerbehörde in Ballungsgebieten auslastungsbedingt fortwährende Unsicherheiten für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer im Hinblick auf den Beginn seiner Erwerbstätigkeit bestehen können.

3.   Was haben Arbeitgeber zu berücksichtigen?

Möchten Arbeitgeber Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel aus dem EU-Ausland einstellen, bedarf es auch in diesem Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die deutschen Ausländerbehörden. Selbst wenn, wie es z.B. bei dem Daueraufenthalt EU der Fall ist, sogar ein Anspruch auf die entsprechende Aufenthaltserlaubnis besteht, muss die Erteilung abgewartet werden, bevor eine Erwerbstätigkeit in der BRD aufgenommen werden kann. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet dies in Zeiten überlasteter Ausländerbehörden oftmals einen langen Wartezeitraum, in dem die Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht erlaubt ist. Lediglich für den Fall der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung mit ausdrücklicher Zustimmung der vorzeitigen Arbeitsaufnahme kann die Erwerbstätigkeit bereits vor der Titelerteilung aufgenommen werden. 

Somit sind die Vorteile, die der Arbeitgeber durch die Einstellung eines Drittstaatsangehörigen mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat genießen könnte, praktisch oftmals eher gering. Insbesondere die zuweilen erhebliche Wartezeit, die für die Beantragung des deutschen Aufenthaltstitels mit einkalkuliert werden muss, wird hierdurch nicht erleichtert. 

Somit bleibt es aktuell dabei, dass das Europa der offenen Grenzen insbesondere für Drittstaatsangehörige nur semipermeabel und auch weiterhin mit erheblichen bürokratischen Hürden verbunden ist.

Dr. Anna Franziska Hauer

Dr. Anna Franziska Hauer ist spezialisiert auf Arbeitnehmerüberlassung, internationale Arbeitnehmerentsendung und Ausländerrecht, insbesondere in Bezug auf den Arbeitsmarktzugang ausländischer Mitarbeiter und Führungskräfte.

Anja Walter, LL.M. (LSE)

Anja Walter ist spezialisiert auf Kündigungsrechtsstreitigkeiten, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen und die Gestaltung von Arbeitsverträgen und Auflösungsvereinbarungen.

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