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Vom Anspruch zur Pflicht – Neues zum Homeoffice

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Am 23. April 2021 ist der neue § 28 b Abs. 7 IfSG in Kraft getreten. Damit besteht nunmehr nicht nur ein Anspruch der Arbeitnehmer, im Homeoffice tätig zu werden, sondern eine gesetzliche Pflicht. Die hierdurch ausgelöste Verunsicherung ist erheblich, wie sich an Meldungen zeigt, nach denen das neue Gesetz die Arbeit im Büro verbiete. Tatsächlich erschöpft sich die Regelung in einem Appell an die Arbeitnehmer – Sanktionen sind praktisch ausgeschlossen.

Die neue Regelung

§ 28 b Abs. 7 IfSG lautet:

“Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. (…)”

In der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 19/28732) ist hierzu ausgeführt:

„Die Beschäftigten müssen Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten in ihrer Wohnung ausführen, wenn dies den Beschäftigten möglich ist. Gründe, die dem entgegenstehen, können beispielsweise räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung sein. Eine Mitteilung des Beschäftigten auf Verlangen des Arbeitgebers, dass das Arbeiten von zu Hause aus nicht möglich ist, reicht zur Darlegung aus.“

Pflicht der Arbeitnehmer zur Tätigkeit im Homeoffice

Schon vor der jetzigen Gesetzesänderung war in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass sich in Ausnahme- und Notsituationen aus der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 II BGB) sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Tätigkeit im Homeoffice ergeben kann. In der Corona-Pandemie kommt dies etwa dann in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer nach einem Urlaub in einem Risikogebiet als Ansteckungsverdächtiger unter Quarantäne gestellt ist.

Die gesetzliche Regelung in § 28 b Abs. 7 IfSG stellt klar, dass in der gegenwärtigen Situation grundsätzlich eine Verpflichtung zur Tätigkeit im Homeoffice besteht, sofern der Arbeitgeber dies anbietet. Damit ist eine Prüfung im Einzelfall, ob eine Ausnahme- und Notsituation vorliegt, entbehrlich. 

Zugleich eröffnet das Gesetz dem Arbeitnehmer aber die Möglichkeit einer Ablehnung, wenn „Gründe“ entgegenstehen. Diese sind, wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, weit zu verstehen. In Betracht kommen „beispielsweise“ nicht ausreichender Platz in der Wohnung des Arbeitnehmers oder eine unzureichende technische Ausstattung. Damit kann der Arbeitnehmer letztlich jeden nicht offensichtlich irrelevanten  oder nur vorgeschobenen Umstand geltend machen, wenn er eine Tätigkeit im Homeoffice ablehnen will. 

Selbstverständlich steigen aber die Anforderungen an die Gewichtigkeit des „Grundes“ für die Ablehnung in dem Maße, in dem der Arbeitgeber auf eine Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice angewiesen ist, etwa weil im Betrieb unter infektionspräventiven Gesichtspunkten keine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt werden kann. Denn es kann schlechterdings nicht angenommen werden, dass die Neuregelung dem Arbeitnehmer weitergehende Möglichkeiten für eine Ablehnung eröffnen will, als sie nach der bisherigen Rechtslage bestanden.

Im Ergebnis wird die Pflicht des Arbeitnehmers, eine Tätigkeit im Homeoffice zu akzeptieren, durch die Neuregelung damit nicht signifikant erweitert.

Sanktionen durch Behörden?

Behördliche Sanktionen gegenüber Arbeitnehmern, die das Angebot des Arbeitgebers für eine Tätigkeit im Homeoffice ohne ausreichenden Grund ablehnen sieht das Gesetz nicht vor. Insbesondere werden Verstöße nicht etwa durch Bußgelder geahndet.

Sanktionen durch Arbeitgeber?

Aber auch Sanktionen durch den Arbeitgeber können allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. Denn die Anforderungen an den „Grund“ für eine Ablehnung sind, wie ausgeführt, grundsätzlich gering. Zudem können sich die Arbeitnehmer, wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, gegenüber dem Arbeitgeber auf die Darlegung beschränken, dass ihnen eine Tätigkeit im Homeoffice „nicht möglich“ ist. Möglichkeiten, dies zu überprüfen, hat der Arbeitgeber in aller Regel nicht. 

Ausnahmefälle sind denkbar, wenn der Arbeitnehmer etwa in der Vergangenheit bereits im Homeoffice gearbeitet hat und dies nunmehr verweigert. Hier kann er sich jedenfalls nicht darauf berufen, dass die räumliche Situation zu Hause eine Tätigkeit nicht zulasse.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Eine, mutmaßlich ungewollte, Nebenwirkung der Neuregelung könnte in einer Reduzierung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats liegen. Denn eine Mitbestimmung des Betriebsrats kommt nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Arbeitgeber selbst einen Entscheidungsspielraum hat. Die gesetzliche Pflicht der Arbeitnehmer zur Tätigkeit im Homeoffice schränkt aber jedenfalls indirekt auch den Handlungsspielraum des Arbeitgebers ein. Dementsprechend wird er in Verhandlungen mit dem Betriebsrat darauf verweisen können, dass die Einführung einer Tätigkeit im Homeoffice jedenfalls auch auf einer gesetzlichen Pflicht der Arbeitnehmer beruht, die seinem Einfluss entzogen ist.

Fazit

In dem neuen § 28 b Abs. 7 IfSG liegt ein Appell an die Arbeitnehmer, im Homeoffice zu arbeiten und damit pandemiebedingt die Kontakte auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Eine signifikante Änderung der bisherigen Rechtslage ist hiermit nicht verbunden. Ein „gesetzliches Verbot“ der Arbeit im Betrieb ist eine mediale Übertreibung ohne Grundlage im neuen Infektionsschutzgesetz.

Dr. Albrecht Nehls

Dr. Albrecht Nehls ist spezialisiert auf die Beratung und Vertretung von Geschäftsführern und Vorständen und hat besondere Erfahrungen im Betriebsverfassungsrecht.

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