Es war vergleichsweise ruhig geworden um das Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Die rechtlichen Vorgaben sind klar, auch durch die DSGVO hat sich hieran nichts geändert.
Die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung von Arbeitnehmern bemisst sich nach § 26 Abs. 1 BDSG. Im Ergebnis kommt es auf die Interessensabwägung der wechselseitigen Interessen an. Auf der einen Seite steht das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Interesse der Mitarbeiter, nicht überwacht zu werden und auf der anderen Seite die Interessen des Arbeitgebers z.B. daran, sein Eigentum zu schützen oder seine Arbeitnehmer zu überwachen. Häufigstes Ziel einer Videoüberwachung durch den Arbeitgeber sind die Prävention und die Aufklärung von durch Mitarbeiter begangenen Straftaten, wie z.B. Diebstahl oder Unterschlagung. Ein solcher Sachverhalt lag auch dem Urteil des BAG vom 23. August 2018 (Az.: 2 AZR 133/18) zugrunde.
Der Arbeitgeber hatte in seinem Tabak- und
Zeitschriftenladen eine offene Videoüberwachung installiert. Als er im Rahmen
einer Stichprobe Fehlbestände feststellte, wertete er die Aufzeichnungen der
Videoüberwachung aus. Die ausgewerteten Aufnahmen waren 6 Monate zuvor getätigt
und seitdem unbesehen aufbewahrt worden. Auf den Aufnahmen war zu sehen, dass eine
Verkäuferin Einnahmen nicht oder nur teilweise in die Kasse gelegt hatte. Ihr
wurde nach erfolgter Anhörung außerordentlich gekündigt.
Die Vorinstanzen hatten der Kündigungsschutzklage noch mit
dem Hinweis auf ein Verwertungsverbot der Aufnahmen stattgegeben. Die
Videoaufnahmen seien erst 6 Monate später ausgewertet worden und damit zu einem
Zeitpunkt, zu dem sie längst hätten gelöscht sein müssen. Entsprechend der
bisherigen Rechtsprechung sowie der Empfehlungen der Aufsichtsbehörden ging das
LAG davon aus, dass in dem monatelangen Unterbleiben der Löschung eine
besonders schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
liege. Das sah das BAG anders:
Nicht nur die Erhebung der personenbezogenen Daten durch die
offene Videoüberwachung war rechtmäßig, auch zu deren weiterer Verarbeitung und
Nutzung war der Arbeitgeber gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. (§ 26 Abs. 1
Satz 1 BDSG n.F.) berechtigt, da sie den Verdacht einer Pflichtverletzung
begründeten. Auch hier ist und bleibt Anknüpfungspunkt für die Frage nach der
Rechtsmäßigkeit der Speicherung die Verhältnismäßigkeit.
Nach dem BAG ist die Speicherung von Videoaufnahmen immer
dann erforderlich und damit grundsätzlich verhältnismäßig, wenn sie vorsätzliche
Handlungen gegen das Eigentum des Arbeitgebers belegen. Das BAG wird hier
ziemlich deutlich: „Der rechtmäßig gefilmte Vorsatztäter ist in Bezug auf die
Aufdeckung und Verfolgung seiner materiell-rechtlich noch verfolgbaren Tat
nicht schutzwürdig. Er wird dies auch nicht durch bloßen Zeitablauf. Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht kann nicht zu dem alleinigen Zweck in Anspruch
genommen werden, sich vor dem Eintritt von Verfall, Verjährung oder Verwirkung
der Verantwortung für vorsätzlich rechtswidriges Handeln zu entziehen.“
Der Möglichkeit, die Aufzeichnungen aus einer Videoüberwachung zeitnah zu sichten um sie zu löschen, wenn keine Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten festgestellt wurden, wie es die Aufsichtsbehörden empfehlen (vgl. hierzu etwa das Kurzpapier Nr. 15 der DSK unter https://www.datenschutzzentrum.de/artikel/1204-Kurzpapier-Nr.-15-Videoueberwachung.html#extended), erteilt das BAG eine Absage. Das für ein Arbeitsverhältnis prägende gegenseitige Vertrauen werde durch die mit dieser Sichtung einhergehende ständige Kontrolle zu stark beeinträchtigt. Das BAG geht richtigerweise davon aus, dass durch eine rein anlassbezogene Auswertung „ausgewählter“ Passagen bei längerer Speicherung des gesamten Bildmaterials weniger stark in die Persönlichkeitsrechte der Gefilmten (Beschäftigte und Kunden) eingegriffen wird als durch eine vollumfängliche Auswertung der Videoaufzeichnungen ohne konkreten Anlass mit anschließender Löschung der irrelevanten Sequenzen.
Im Ergebnis ist die Speicherung der Aufzeichnungen nach
Auffassung des BAG nur dann unangemessen, wenn davon auszugehen ist, dass die
Daten zweckentfremdet werden. Es muss also eine greifbare Gefahr eines
Missbrauchs der Daten bestehen.
Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen, da sie dem
Arbeitgeber klare Vorgaben im Umgang mit Videoaufzeichnungen an die Hand gibt.
Danach können auch monatelange Speicherdauern möglich sein, wenn eventuelle Straftaten
oder erhebliche Pflichtverletzungen erst bei aufwendigen Überprüfungen oder
Abrechnungsmaßnahmen entdeckt werden können. Dies gilt allerdings nur für die
zu präventiven Zwecken durchgeführte Videoüberwachung. Wird die
Videoüberwachung hingegen erst nach Bekanntwerden von Vorfällen zur Aufklärung
eingesetzt, gilt der Grundsatz, dass dieses Material möglichst umgehend zu sichten
und ggf. zu löschen ist.