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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Übertragung von Führungsverantwortung in der Matrixorganisation – Mitbestimmung ?

Personen im Meeting tauschen sich aus

Die Beteiligung des richtigen Betriebsrates zur richtigen Personalmaßnahme stellt Arbeitgeber mit Matrixorganisationen vor besondere Herausforderungen. Da kann es durchaus passieren, dass für das „einfache“ Ändern einer Berichtslinie gleich mehrere Betriebsräte zu verschiedenen Personalmaßnahmen angehört werden müssen. 

Matrixorganisationen weichen von der klassischen pyramidalen Organisationsstruktur ab, bei der stets die nächsthöhere Organisationseinheit alle darunter liegenden Einheiten mitverantwortet. Stattdessen werden Organisationsstrukturen nach Geschäfts- oder Funktionsbereichen aufgebaut (z.B. Sales & Marketing, Manufacturing, HR, etc.). Diese Strukturen weichen regelmäßig von den Betriebs- und Gesellschaftsstrukturen ab und stoppen auch nicht zwingend an Ländergrenzen.  

Aus individualarbeitsrechtlicher Sicht sind Mitarbeiter in einer konzerndimensionalen Matrixorganisation zwar weiterhin ihrer anstellenden Gesellschaft zugeordnet; dort besteht der Arbeitsvertrag und (nur) dort sind alle den Arbeitsvertrag betreffenden Fragen zu klären. Fachlich hingegen erhält der Mitarbeiter evtl. Weisungen von Vorgesetzen, die bei anderen Unternehmen angestellt sind, und bearbeitet sie mit Kollegen, die ggf. ebenfalls noch einem anderen Unternehmen angehören. Disziplinarische und fachliche Weisungsrechte aller beteiligten Personen fallen dann auseinander.

Eine Matrixorganisation kann aber auch nur innerhalb eines Unternehmens bestehen – ganz ohne Konzernbezug. Hier wird die Organisationsstruktur jedenfalls über die Betriebs- oder Standortgrenzen hinweg nach Geschäfts- oder Funktionsbereichen eingerichtet. Auch in diesem Fall werden Mitarbeiter des einen Betriebs regelmäßig Weisungen von Vorgesetzten erhalten, die einem anderen Betrieb zuzuordnen sind. Aber sind die Vorgesetzten dann betriebsverfassungsrechtlich nicht auch dem Betrieb zuzuordnen, in dem sie Weisungen erteilen? Diese Frage war in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand von Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte. Ein aktueller Beschluss des LAG Düsseldorf (vom 20.12.2017 – 12 TaBV 66/17) zeigt erneut, dass bei der Übertragung von Führungsfunktionen in einer Matrixorganisation die Frage der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung der Führungskräfte Sprengkraft enthält. Auf Betriebsratsseite können gleich mehrfach Mitbestimmungsrechte eingefordert werden.

In dem Fall des LAG Düsseldorf sollte ein Mitarbeiter, der selbst in der Unternehmenszentrale tätig war, zum Bereichsleiter befördert werden. In dieser neuen Rolle sollte er auch (u.a.) einen Abteilungsleiter führen, der in einem anderen Betrieb (Betrieb West) tätig war. Entgegen einer bestehenden Betriebsvereinbarung über die Ausschreibung von Arbeitsplätzen, „die durch Einstellung oder Versetzung besetzt werden sollen“, schrieb das Unternehmen die Stelle nicht aus. Zwar holte es die Zustimmung und auch den Ausschreibungsverzicht des Betriebsrats der Unternehmenszentrale ein. Gegenüber dem Betriebsrat des Betriebs West aber wurde nur vorsorglich ein Formular mit der Bitte um Zustimmung zur „Versetzung auf die Position des Bereichsleiters“ vorgelegt. Der Betriebsrat West verweigerte seine Zustimmung zu der Maßnahme und verwies auf den Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht und rügte die fehlende Anhörung zur Einstellung.

Nachdem die Betriebsparteien sich auch Monate später noch nicht einigen konnten, endete der Streit vor Gericht. Anders als noch die Vorinstanz gab das LAG Düsseldorf dem Betriebsrat Recht. Nach Auffassung des LAG ging mit der Übertragung der Führungsfunktion eine Einstellung i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG einher. Diese läge vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert würden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Mitarbeitern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Soweit im Rahmen von Matrixstrukturen, einer Führungskraft eine Vorgesetztenfunktion auch in einem anderen Betrieb zugewiesen werde, sei davon auszugehen, dass darin eine Einstellung liege, wenn der Mitarbeiter zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs organisatorisch eingeplant werde. Eine Eingliederung setze nicht voraus, dass die geschuldeten Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet werden. Der Betriebsbegriff sei nicht in dem Sinne räumlich zu verstehen. Entscheidend sei vielmehr, ob der Arbeitgeber mithilfe der Mitarbeiter den arbeitstechnischen Zweck seines Betriebs verfolge.

Im Hinblick auf den Bereichsleiter bejahte das LAG Düsseldorf die Eingliederung mit dem Argument, dass dieser gegenüber dem Abteilungsleiter und damit jedenfalls einem Mitarbeiter im Betrieb West, sämtliche Vorgesetztenfunktionen übernehme und damit den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs West konkret am Standort verwirkliche. Es sei zwar richtig, dass dies alleine durch die Führung eines Mitarbeiters erfolgt. Eine quantitative Begrenzung enthalte der Begriff der Einstellung aber nicht. Im Übrigen handele es sich nicht um eine völlig bedeutungslose Führungsaufgabe, denn mittelbar führe er damit auch die dem Abteilungsleiter im Betrieb West unterstellten 35 weiteren Mitarbeiter. Damit sei gerade der Zweck des Zustimmungserfordernisses des § 99 Abs. 1 BetrVG betroffen, der dazu diene, die bereits in einem Betrieb beschäftigten Mitarbeiter zu schützen.

Da das Unternehmen die nach der Betriebsvereinbarung bestehende innerbetriebliche Stellenausschreibung auch nicht durchgeführt hatte, sah das LAG auch einen Zustimmungsverweigerungsgrund als gegeben an. Der Begriff des zu besetzenden Arbeitsplatzes i.S.v. § 93 BetrVG sei mit dem Begriff der Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG systematisch verschränkt und unterliege einem weiten Verständnis. Ein zu besetzender Arbeitsplatz liege daher auch dann vor, wenn eine Führungskraft erstmals Führungsverantwortung und damit Aufgaben in einem Betrieb erhalte. Hier sei regelmäßig auch der Zweck der Ausschreibung, die Aktivierung des innerbetrieblichen Stellenmarktes, berührt. Es hätten sich schließlich auch Bewerber aus dem Kreise der Abteilungsleiter des Betriebs West um die Übertragung dieser Führungsverantwortung finden können. Das LAG Düsseldorf kam daher zu dem Ergebnis dass die Zustimmung zur Einstellung mangels vorheriger Ausschreibung nicht ersetzt werden konnte.

Mit diesem Ergebnis liegt das LAG Düsseldorf auf der Linie des LAG Berlin-Brandenburg (vgl. Entscheidung vom 17.06.2015 – 17 TaBV 277/15) sowie des LAG Baden-Württemberg (vgl. Entscheidung vom 28.5.2014 – 4 TaBV 7/13). Letzteres hatte die gleichen Wertungen in einem Beschluss aus dem Jahr 2014 aufgestellt. Da es in dem dortigen Fall um einen Konzernsachverhalt ging, stellte das LAG Baden-Württemberg vorab fest, dass auch ein Arbeitsverhältnis der künftigen Führungskraft zu dem Betriebsinhaber bestehe. Nach der älteren sog. „Zweikomponentenlehre“ des BAG setzt die Eingliederung im Sinne von § 99 Abs. 1 BGB noch grundsätzlich voraus, dass (1) ein Arbeitsverhältnis des einzustellenden Mitarbeiters zum Betriebsinhaber besteht und (2) dass der Mitarbeiter innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringt. Im Zusammenhang mit der Übertragung von Führungsverantwortung wird dies aber nur dann relevant, wenn die Führungskraft in einem Betrieb eines anderen Konzernunternehmens Führungsaufgaben wahrnehmen soll, zu dem kein Arbeitsverhältnis besteht. Aber auch in diesem Fall wird eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht am mangelnden Arbeitsverhältnis scheitern. In der Konstellation eines solchen „drittbezogenen Personaleinsatzes“ wird vom BAG abweichend auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Betriebsinhaber verzichtet (zur Einschränkung der „Zweikomponentenlehre“ vgl. BAG vom 05.12.2012 – 7 ABR 48/11). Dieser früher insbesondere bei der Leiharbeit relevante Verzicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Einsatzbetrieb gilt allgemein bei vergleichbaren Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes.

Auch damit ist aber für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Übertragung von Führungsverantwortung noch nicht Schluss. Die Übertragung von Führungsverantwortung ist i.d.R. auch noch von der Seite der zu unterstellenden Mitarbeiter her mitbestimmungspflichtig. Nach dem BAG kann ein Wechsel der Führungskraft zugleich auch eine Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG für die Mitarbeiter bedeuten, die der Führungskraft unmittelbar unterstellt werden. Jedenfalls dann, wenn die Führungskraft über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung besitzt und eigenverantwortlich wahrnimmt, soll für den unterstellten Mitarbeiter in seinem konkreten Arbeitsalltag ein spürbares anderes „Arbeitsregime“ gelten. Darin sieht das BAG eine Versetzung für den betroffenen Mitarbeiter (vgl. BAG vom 17.6.2008 – 1 ABR 38/07). Da es dem Normalfall in Unternehmen entspricht, dass die direkten Vorgesetzten auch über die Leistungsbeurteilung „ihrer“ Mitarbeiter eigenverantwortlich entscheiden, liegt im Austausch des Vorgesetzten also zumeist auch eine Versetzung für dessen neue Mitarbeiter.

Berichtslinien sind auf dem Reißbrett schnell gezogen. Gelebt werden dürfen sie aber nur unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates – und gerade die haben es in sich. Bei der Änderung von Berichtspflichten in einer Matrixorganisation ist daher regelmäßig zu prüfen:

  1. Liegt eine Versetzung für die Führungskraft im „eigenen“ Betrieb vor?
    > Ggf. Anhörung des „eigenen“ Betriebsrates zur Versetzung der Führungskraft
  2. Liegt eine Einstellung der Führungskraft im weiteren Betrieb vor?
    > Ggf. Anhörung des weiteren Betriebsrates zur Einstellung der Führungskraft
  3. Liegt eine Versetzung des Weisungsempfängers vor?
    > Ggf. Anhörung des weiteren Betriebsrates zur Versetzung des Weisungsempfängers

Für die reibungslose Umsetzung von Personalmaßnahmen ist die Einhaltung der richtigen Beteiligungsprozesse sicherlich essentiell. Verglichen dazu ist das Wissen um die richtige Beteiligung von Betriebsräten in Matrixorganisationen – sowohl auf Arbeitgeber- als auch Betriebsratsseite – bisher noch nicht allzu weit verbreitet.

Dr. Falko Daub, LL.M. (VUW)

Dr. Falko Daub ist spezialisiert auf die Begleitung komplexer Transaktionen und Restrukturierungen, die Beratung im Schnittfeld von Insolvenz und Arbeitsrecht sowie auf die Beratung zu Fragen der Organhaftung.

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