Die Beteiligung des richtigen
Betriebsrates zur richtigen Personalmaßnahme stellt Arbeitgeber mit
Matrixorganisationen vor besondere Herausforderungen. Da kann es durchaus
passieren, dass für das „einfache“ Ändern einer Berichtslinie gleich mehrere
Betriebsräte zu verschiedenen Personalmaßnahmen angehört werden müssen.
Matrixorganisationen weichen von
der klassischen pyramidalen Organisationsstruktur ab, bei der stets die
nächsthöhere Organisationseinheit alle darunter liegenden Einheiten
mitverantwortet. Stattdessen werden Organisationsstrukturen nach Geschäfts- oder
Funktionsbereichen aufgebaut (z.B. Sales & Marketing,
Manufacturing, HR, etc.). Diese Strukturen weichen regelmäßig von den Betriebs-
und Gesellschaftsstrukturen ab und stoppen auch nicht zwingend an Ländergrenzen.
Aus individualarbeitsrechtlicher
Sicht sind Mitarbeiter in einer konzerndimensionalen Matrixorganisation zwar weiterhin
ihrer anstellenden Gesellschaft zugeordnet; dort besteht der Arbeitsvertrag und
(nur) dort sind alle den Arbeitsvertrag betreffenden Fragen zu klären. Fachlich
hingegen erhält der Mitarbeiter evtl. Weisungen von Vorgesetzen, die bei
anderen Unternehmen angestellt sind, und bearbeitet sie mit Kollegen, die ggf.
ebenfalls noch einem anderen Unternehmen angehören. Disziplinarische und
fachliche Weisungsrechte aller beteiligten Personen fallen dann auseinander.
Eine Matrixorganisation kann aber
auch nur innerhalb eines Unternehmens bestehen – ganz ohne Konzernbezug. Hier
wird die Organisationsstruktur jedenfalls über die Betriebs- oder
Standortgrenzen hinweg nach Geschäfts- oder Funktionsbereichen eingerichtet. Auch
in diesem Fall werden Mitarbeiter des einen Betriebs regelmäßig Weisungen von
Vorgesetzten erhalten, die einem anderen Betrieb zuzuordnen sind. Aber sind die
Vorgesetzten dann betriebsverfassungsrechtlich nicht auch dem Betrieb zuzuordnen, in dem sie Weisungen erteilen? Diese
Frage war in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand von Entscheidungen der
Landesarbeitsgerichte. Ein aktueller Beschluss des LAG Düsseldorf (vom
20.12.2017 – 12 TaBV 66/17) zeigt erneut, dass bei der Übertragung von
Führungsfunktionen in einer Matrixorganisation die Frage der
betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung der Führungskräfte Sprengkraft
enthält. Auf Betriebsratsseite können gleich mehrfach Mitbestimmungsrechte eingefordert
werden.
In dem Fall des LAG Düsseldorf
sollte ein Mitarbeiter, der selbst in der Unternehmenszentrale tätig war, zum
Bereichsleiter befördert werden. In dieser neuen Rolle sollte er auch (u.a.)
einen Abteilungsleiter führen, der in einem anderen Betrieb (Betrieb West) tätig
war. Entgegen einer bestehenden Betriebsvereinbarung über die Ausschreibung von
Arbeitsplätzen, „die durch Einstellung
oder Versetzung besetzt werden sollen“, schrieb das Unternehmen die Stelle
nicht aus. Zwar holte es die Zustimmung und auch den Ausschreibungsverzicht des
Betriebsrats der Unternehmenszentrale ein. Gegenüber dem Betriebsrat des
Betriebs West aber wurde nur vorsorglich ein Formular mit der Bitte um
Zustimmung zur „Versetzung auf die Position des Bereichsleiters“ vorgelegt. Der
Betriebsrat West verweigerte seine Zustimmung zu der Maßnahme und verwies auf
den Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht und rügte die fehlende Anhörung zur
Einstellung.
Nachdem die Betriebsparteien sich
auch Monate später noch nicht einigen konnten, endete der Streit vor Gericht.
Anders als noch die Vorinstanz gab das LAG Düsseldorf dem Betriebsrat Recht. Nach
Auffassung des LAG ging mit der Übertragung der Führungsfunktion eine
Einstellung i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG einher. Diese läge vor, wenn Personen
in den Betrieb eingegliedert würden, um zusammen mit den dort schon
beschäftigten Mitarbeitern dessen arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene
Tätigkeit zu verwirklichen. Soweit im Rahmen von Matrixstrukturen, einer
Führungskraft eine Vorgesetztenfunktion auch in einem anderen Betrieb
zugewiesen werde, sei davon auszugehen, dass darin eine Einstellung liege, wenn
der Mitarbeiter zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs
organisatorisch eingeplant werde. Eine Eingliederung setze nicht voraus, dass die
geschuldeten Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet werden. Der
Betriebsbegriff sei nicht in dem Sinne räumlich zu verstehen. Entscheidend sei
vielmehr, ob der Arbeitgeber mithilfe der Mitarbeiter den arbeitstechnischen
Zweck seines Betriebs verfolge.
Im Hinblick auf den
Bereichsleiter bejahte das LAG Düsseldorf die Eingliederung mit dem Argument,
dass dieser gegenüber dem Abteilungsleiter und damit jedenfalls einem
Mitarbeiter im Betrieb West, sämtliche Vorgesetztenfunktionen übernehme und
damit den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs West konkret am Standort verwirkliche.
Es sei zwar richtig, dass dies alleine durch die Führung eines Mitarbeiters
erfolgt. Eine quantitative Begrenzung enthalte der Begriff der Einstellung aber
nicht. Im Übrigen handele es sich nicht um eine völlig bedeutungslose
Führungsaufgabe, denn mittelbar führe er damit auch die dem Abteilungsleiter im
Betrieb West unterstellten 35 weiteren Mitarbeiter. Damit sei gerade der Zweck des
Zustimmungserfordernisses des § 99 Abs. 1 BetrVG betroffen,
der dazu diene, die bereits in einem Betrieb beschäftigten Mitarbeiter zu
schützen.
Da das Unternehmen die nach der Betriebsvereinbarung
bestehende innerbetriebliche Stellenausschreibung auch nicht durchgeführt
hatte, sah das LAG auch einen Zustimmungsverweigerungsgrund als gegeben an. Der
Begriff des zu besetzenden Arbeitsplatzes i.S.v. § 93 BetrVG sei mit dem
Begriff der Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG systematisch
verschränkt und unterliege einem weiten Verständnis. Ein zu besetzender
Arbeitsplatz liege daher auch dann vor, wenn eine Führungskraft erstmals
Führungsverantwortung und damit Aufgaben in einem Betrieb erhalte. Hier sei
regelmäßig auch der Zweck der Ausschreibung, die Aktivierung des
innerbetrieblichen Stellenmarktes, berührt. Es hätten sich schließlich auch
Bewerber aus dem Kreise der Abteilungsleiter des Betriebs West um die
Übertragung dieser Führungsverantwortung finden können. Das LAG Düsseldorf kam
daher zu dem Ergebnis dass die Zustimmung zur Einstellung mangels vorheriger
Ausschreibung nicht ersetzt werden konnte.
Mit diesem Ergebnis liegt das LAG
Düsseldorf auf der Linie des LAG Berlin-Brandenburg (vgl. Entscheidung vom
17.06.2015 – 17 TaBV 277/15) sowie des LAG Baden-Württemberg (vgl. Entscheidung
vom 28.5.2014 – 4 TaBV 7/13). Letzteres hatte die gleichen Wertungen in einem
Beschluss aus dem Jahr 2014 aufgestellt. Da es in dem dortigen Fall um einen
Konzernsachverhalt ging, stellte das LAG Baden-Württemberg vorab fest, dass
auch ein Arbeitsverhältnis der künftigen Führungskraft zu dem Betriebsinhaber
bestehe. Nach der älteren sog. „Zweikomponentenlehre“ des BAG setzt die
Eingliederung im Sinne von § 99 Abs. 1 BGB noch grundsätzlich
voraus, dass (1) ein Arbeitsverhältnis des einzustellenden Mitarbeiters zum
Betriebsinhaber besteht und (2) dass der Mitarbeiter innerhalb der
Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringt. Im
Zusammenhang mit der Übertragung von Führungsverantwortung wird dies aber nur
dann relevant, wenn die Führungskraft in einem Betrieb eines anderen Konzernunternehmens
Führungsaufgaben wahrnehmen soll, zu dem kein Arbeitsverhältnis besteht. Aber
auch in diesem Fall wird eine Einstellung im Sinne von
§ 99 Abs. 1 BetrVG nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht
am mangelnden Arbeitsverhältnis scheitern. In der Konstellation eines solchen „drittbezogenen
Personaleinsatzes“ wird vom BAG abweichend auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses
zum Betriebsinhaber verzichtet (zur Einschränkung der „Zweikomponentenlehre“ vgl.
BAG vom 05.12.2012 – 7 ABR 48/11). Dieser früher insbesondere bei der
Leiharbeit relevante Verzicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum
Einsatzbetrieb gilt allgemein bei vergleichbaren Formen des drittbezogenen
Personaleinsatzes.
Auch damit ist aber für die
Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Übertragung von Führungsverantwortung
noch nicht Schluss. Die Übertragung von Führungsverantwortung ist i.d.R. auch
noch von der Seite der zu unterstellenden Mitarbeiter her
mitbestimmungspflichtig. Nach dem BAG kann ein Wechsel der Führungskraft zugleich
auch eine Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG für die Mitarbeiter bedeuten,
die der Führungskraft unmittelbar unterstellt werden. Jedenfalls dann, wenn die
Führungskraft über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus
relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von
Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung besitzt und
eigenverantwortlich wahrnimmt, soll für den unterstellten Mitarbeiter in seinem
konkreten Arbeitsalltag ein spürbares anderes „Arbeitsregime“ gelten. Darin
sieht das BAG eine Versetzung für den betroffenen Mitarbeiter (vgl. BAG vom 17.6.2008
– 1 ABR 38/07). Da es dem Normalfall in Unternehmen entspricht, dass die
direkten Vorgesetzten auch über die Leistungsbeurteilung „ihrer“ Mitarbeiter
eigenverantwortlich entscheiden, liegt im Austausch des Vorgesetzten also
zumeist auch eine Versetzung für dessen neue Mitarbeiter.
Berichtslinien sind auf dem
Reißbrett schnell gezogen. Gelebt werden dürfen sie aber nur unter Beachtung
der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates – und gerade die haben es in sich. Bei
der Änderung von Berichtspflichten in einer Matrixorganisation ist daher
regelmäßig zu prüfen:
- Liegt eine Versetzung für die Führungskraft im „eigenen“ Betrieb vor?
> Ggf. Anhörung des „eigenen“ Betriebsrates zur Versetzung der Führungskraft - Liegt eine Einstellung der Führungskraft im weiteren Betrieb vor?
> Ggf. Anhörung des weiteren Betriebsrates zur Einstellung der Führungskraft - Liegt eine Versetzung des Weisungsempfängers vor?
> Ggf. Anhörung des weiteren Betriebsrates zur Versetzung des Weisungsempfängers
Für die reibungslose Umsetzung
von Personalmaßnahmen ist die Einhaltung der richtigen Beteiligungsprozesse
sicherlich essentiell. Verglichen dazu ist das Wissen um die richtige
Beteiligung von Betriebsräten in Matrixorganisationen – sowohl auf Arbeitgeber-
als auch Betriebsratsseite – bisher noch nicht allzu weit verbreitet.