Der schwerbehinderte Mitarbeiter war als Bauleiter tätig und wurde nach einer Erkrankungsdauer von 18 Monaten vor dem weiteren Einsatz betriebsärztlich untersucht. Die Untersuchung ergab, dass sein Einsatz nur noch mit erheblichen Einschränkungen möglich ist, um nachteilige gesundheitliche Folgen zu vermeiden. Mit diesen Einschränkungen waren aber genau die Tätigkeiten ausgeschlossen, die der Mitarbeiter in seiner Funktion als Bauleiter auszuüben hatte. Gleichwohl stellte sein Facharzt einen Wiedereingliederungsplan auf, der seinerseits allerdings keine Angaben zu etwaigen Einschränkungen der Tätigkeit enthielt. Betriebsarzt und Facharzt wurden vom Mitarbeiter nicht gegenseitig von der Schweigepflicht entbunden.
Der
Arbeitgeber lehnte die Umsetzung des Wiedereingliederungsplans mit der
Begründung ab, dass ein Einsatz mit den betriebsärztlich festgestellten
Einschränkungen nicht möglich sei.
Der Mitarbeiter legte daraufhin ca. einen Monat später einen erneuten Wiedereingliederungsplan vor. Dieser wurde umgesetzt und im Ergebnis die volle Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters auf seinem bisherigen Arbeitsplatz wiederhergestellt. Der erste, abgelehnte Wiedereingliederungsplan hatte die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit auf einen ca. 6 Wochen früher liegenden Zeitraum prognostiziert.
Der Arbeitnehmer verlangt nun Schadensersatz und führt an, dass er bei der Durchführung des ersten Wiedereingliederungsplans früher wieder arbeitsfähig gewesen wäre und ihm durch die Ablehnung des Arbeitgebers daher ein Verdienstausfall entstanden sei.
Die Entscheidung
Das
BAG (BAG vom 16. Mai 2019 – Az. 8 AZR 530/17) hat den Schadensersatzanspruch
des Arbeitnehmers im Ergebnis zwar abgelehnt, gleichwohl aber anerkannt, dass
der Arbeitgeber bei schwerbehinderten Mitarbeitern verpflichtet sein kann, eine
stufenweise Wiedereingliederung umzusetzen.
Eine stufenweise Wiedereingliederung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt sind, ihre Tätigkeit aber teilweise verrichten und hierdurch voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Der behandelnde Arzt erstellt einen Wiedereingliederungsplan, der Angaben dazu enthält, mit welchen Tätigkeiten und mit welchem Umfang der Mitarbeiter stufenweise wieder eingegliedert werden kann.
Nach
dem Urteil des BAG gilt weiterhin, dass es sich bei dem Wiedereingliederungsverhältnis
um ein Vertragsverhältnis eigener Art handelt, das zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer vereinbart werden muss, d.h. es wird nicht einfach der
Arbeitsvertrag modifiziert. Anders als bisher können Arbeitgeber bei
schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten aber nicht mehr frei
darüber entscheiden, ob sie einen Wiedereingliederungsplan umsetzen, sondern
sind grundsätzlich verpflichtet, an einer Maßnahme der stufenweisen
Wiedereingliederung mitzuwirken und die Mitarbeiter entsprechend den Angaben im
ärztlichen Wiedereingliederungsplan zu beschäftigen.
Das BAG begründet diese Auffassung maßgeblich mit § 164 IV S. 1 SGB IX und der dort geregelten besonderen Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers. Ein daraus abgeleiteter Anspruch auf Beschäftigung im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung hat nach dem BAG lediglich zwei Voraussetzungen: Es müsse eine ärztliche Bescheinigung des behandelnden Arztes gemäß den Vorschriften des Sozialrechts erstellt werden, aus der erkennbar ist, dass mit dem Wiedereingliederungsplan auch eine betrieblich nutzbare Tätigkeit wiedererlangt werden kann und eine Prognose, wann voraussichtlich die Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgt. Diese Bescheinigung muss dem Arbeitgeber zudem vorgelegt werden. Eine Ausnahme von dem dann bestehenden Umsetzungsanspruch ist nur dann gegeben, wenn die in der Bescheinigung vorgesehene Beschäftigung unzumutbar i.S.d. § 164 IV S. 3 SGB IX ist.
Nach
Auffassung des BAG stellen die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers eine
arbeitsvertragliche Nebenpflicht und § 164 SGB IX gleichzeitig ein Schutzgesetz
dar. Eine Verletzung kann daher Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
Im
vom BAG entschiedenen Fall wurde der Schadensersatzanspruch dennoch verneint. Die
Voraussetzungen für eine Pflicht zur Umsetzung des ersten
Wiedereingliederungsplans waren zwar gegeben, aufgrund besonderer Umstände durfte
der Arbeitgeber ihn allerdings gleichwohl ablehnen. Er durfte wegen des anderslautenden
betriebsärztlichen Gutachtens begründete Zweifel an der Eignung des ersten
Wiedereingliederungsplan haben. Ihn treffen zwar Hinweis- und
Aufklärungspflichten, um diese Zweifel auszuräumen. Dies wäre nach Ansicht des
BAG jedoch nicht möglich gewesen, da die Wiedereingliederung zum einen innerhalb
von zwei Wochen nach Vorlage des Attestes hätte beginnen sollen und sich der
Betriebsarzt und der Facharzt zudem wegen der fehlenden Entbindung von der
Schweigepflicht nicht untereinander hätten verständigen können.
Praxistipp
Erfolgt die Vorlage eines Wiedereingliederungsplans, sollten Arbeitgeber zunächst prüfen, ob es sich um schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Beschäftigte handelt. Ist dies der Fall und wurde der Wiedereingliederungsplan nach den Vorschriften des Sozialrechts und den oben geschilderten Anforderungen des BAG ordnungsgemäß erstellt, besteht grundsätzlich eine Umsetzungspflicht. Ist diese für den Arbeitgeber unzumutbar, kann er sie auch weiterhin ablehnen. Hat der Arbeitgeber aufgrund anderer Informationen dagegen lediglich Zweifel an der Eignung des Wiedereingliederungsplans, treffen ihn zunächst Hinweis- und Aufklärungspflichten, um diese auszuräumen.