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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Streichung der Fünftelregelung durch das Wachstumschancengesetz

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Das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ („Wachstumschancengesetz“) ist nun eine beschlossene Sache: Am 22. März 2024 hat der Bundesrat dem Wachstumschancengesetz nach einem langen Hin und Her zugestimmt. Ziel des Gesetzes ist es, die deutsche Wirtschaft zu entlasten, indem die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessert wird. Außerdem soll das Steuersystem an zentralen Stellen vereinfacht werden. Dabei sieht das Gesetz eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen vor. Darunter fällt auch die Streichung der sogenannten „Fünftelregelung“ im Lohnsteuer-Abzugsverfahren. Dies gilt erstmals für den Lohnsteuerabzug 2025. Doch was bedeutet dies konkret für Arbeitgeber?

I. Derzeitige Steuerermäßigung nach der Fünftelregelung

Abfindungen werden für den Verlust des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer regelmäßig im Zuge von Trennungsverhandlungen vereinbart. Abfindungen sind voll zu versteuern. Allerdings kann – derzeit noch – eine Begünstigung nach der in § 34 EStG geregelten Fünftelregelung stattfinden.

Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung von Abfindungen nach § 34 EStG ist, dass es sich um außerordentliche Einkünfte handelt, zu denen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG auch Entschädigungen i.S.v. § 24 Nr. 1 EStG gehören. Dies sind solche, die gewährt werden als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1a EStG), für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Nr. 1b EStG) oder um Ausgleichszahlungen an (selbständige) Handelsvertreter (§ 24 Nr. 1c EStG).

Ziel der Fünftelregelung ist die Milderung der Steuerprogression. Ohne die Begünstigung in § 34 EStG wären die außerordentlichen Einkünfte zusammen mit den laufenden Einkünften aufgrund der Steuerprogression mit einem höheren Steuersatz belegt. Denn der Steuersatz steigt in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen oder Vermögen. Daher wirkt sich die Fünftelregelung besonders günstig bei niedrigen Einkünften aus und verliert ihre Wirkung, wenn das zu versteuernde Einkommen bereits ohne die außerordentlichen Einkünfte („verbleibendes zu versteuerndes Einkommen”) den Progressionsbereich der Einkommensteuer überschreitet. Je kleiner das verbleibende zu versteuernde Einkommen ist, desto größer fällt die Steuerersparnis für den Arbeitnehmer aus.

Die Abfindung wird unter Anwendung der Fünftelregelung so behandelt, als erhielte der Arbeitnehmer diese auf fünf Jahre verteilt. In § 34 Abs. 1 S. 2 EStG wird die Berechnungsformel umschrieben. Um die Lohnsteuer zu berechnen, wird zunächst die Jahreslohnsteuer für den Arbeitslohn ohne Abfindung (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) berechnet. Anschließend wird dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen 1/5 der Abfindung hinzuaddiert und die Jahreslohnsteuer hierfür berechnet. Daraufhin wird die Differenz gebildet. Der Differenzbetrag entspricht der Steuer für 1/5 der Abfindung. Die auf die gesamte Abfindung anfallende Steuer wird berechnet, indem der Differenzbetrag mit 5 multipliziert wird. Auf diese Weise wird die Abfindung zwar voll versteuert. Aber nur ein 1/5 wirkt sich progressiv auf die anzusetzende Lohnsteuer aus.

II. Streichung der Fünftelregelung

Durch das Wachstumschancengesetz wird nunmehr ab 2025 die Steuerermäßigung durch die Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren ersatzlos aufgehoben. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass dadurch die Arbeitgeber von dem Prüfungs- und Berechnungsaufwand im Lohnsteuerabzugsverfahren entlastet werden sollen. Damit soll die Lohnsteuerberechnung vereinfacht und ein Beitrag zum Bürokratieabbau geleistet werden.

Die Arbeitnehmer können weiterhin von einer Steuerermäßigung profitieren, sie müssen nur selbstständig aktiv werden. Sie können die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG im Rahmen der Veranlagung zur Einkommenssteuer beantragen.

III. Risiken für Arbeitgeber durch die Fünftelregelung

Die Anwendung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren durch Arbeitgeber ist zwar für Arbeitnehmer attraktiv. Die Fünftelregelung birgt allerdings Haftungsrisiken für Arbeitgeber. Daher bedeutet die Streichung der Fünftelregelung für Arbeitgeber nicht nur eine Erleichterung bei der Lohnabrechnung. Durch die Streichung der Fünftelregelung wird den Arbeitgebern auch das Haftungsrisiko für die ordnungsgemäße Abführung der Steuern genommen.

Der Arbeitgeber muss besondere Vorsicht walten lassen, wenn die Abfindung nicht nur für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird, sondern auch anderen Zwecken dienen soll. Denn die Fünftelregelung gilt nur für Entschädigungen, die dem Arbeitnehmer aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden (§§ 34, 24 Nr. 1 lit. a) EStG). 

Auch bei Ratenzahlungen ist Vorsicht geboten. Die Fünftelregelung findet nämlich nur dann Anwendung, wenn die gesamte Abfindung in einem Jahr ausgezahlt wird (sogenannte Zusammenballung von Einkünften). Ratenzahlungen sind nur dann steuerunschädlich, wenn der Zufluss des Gesamtbetrags innerhalb eines Kalenderjahres erfolgt. Anderenfalls findet die Fünftelregelung keine Anwendung. Hiervon gibt es wiederum Rückausnahmen. Der Arbeitgeber kann daher nicht immer rechtssicher beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Fünftelregelung vorliegen. Gleichzeitig trägt er das Risiko dafür, dass er die Lohnsteuer richtig abführt: Der Arbeitnehmer ist zwar grundsätzlich Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 EStG). Es ist jedoch die Pflicht des Arbeitgebers, die auf die Abfindung anfallende Lohnsteuer zu ermitteln, einzubehalten und mittels Lohnsteueranmeldung an das Finanzamt abzuführen (§ 39b EStG). Er haftet insoweit mit dem Arbeitnehmer gesamtschuldnerisch nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Führt der Arbeitgeber fälschlicherweise einen zu geringen Betrag ab, kann ihn das Finanzamt unmittelbar in Anspruch nehmen. Zwar hat der Arbeitgeber dann einen Erstattungsanspruch gegen den Arbeitnehmer. Ob er von diesem den Betrag zurückerhält, ist aber ungewiss.

IV. Fazit

Die Aufhebung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren ist zu begrüßen. Sie bringt eine Erleichterung für Arbeitgeber bei der Lohnabrechnung. Arbeitgeber müssen nicht mehr prüfen, ob bei bestimmten Vergütungsbestandteilen die Fünftelregelung greift. Dies bedeutet eine Reduzierung von lohnsteuerrechtlichen Haftungsrisiken, die bislang bestanden, wenn der Arbeitgeber die Fünftelregelung irrtümlich angewandt hat. Arbeitnehmer sollten in Aufhebungsverträgen oder anderen Vereinbarungen, die sie zum Erhalt einer Abfindung berechtigen (Sozialpläne, Betriebsvereinbarungen, Abwicklungsverträge) darauf hingewiesen werden, dass sie die steuerliche Privilegierung der Fünftelregelung im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung selbständig geltend machen können.

Thomas Wahlig

Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.

Dr. Patricia Schur-Matulewicz, MLE.

Dr. Patricia Schur-Matulewicz ist spezialisiert auf Restrukturierungen, Kündigungsschutzstreitigkeiten und Compliance.

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