Der EuGH hatte am 22. Juni 2022 in dem Verfahren C-534/20 in einem vom BAG vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren über die Frage zu entscheiden, ob die deutschen Regelungen zum Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten europarechtskonform sind oder nicht.
Rechtlicher Rahmen
Datenschutzbeauftragte haben nach deutschem Recht nicht nur einen besonderen Schutz gegen Abberufung (§§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 1 BDSG), sondern auch gegen Kündigung (§§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG). Sowohl die Kündigung als auch die Abberufung sind nur aus wichtigem Grund zulässig. Der deutsche Gesetzgeber ist damit über das hinausgegangen, was nach Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO ohnehin gilt: “Der Datenschutzbeauftragte darf von dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden.”
Anders als der europäische Gesetzgeber hat der deutsche Gesetzgeber den Schutz aber unabhängig davon gewährt, ob zwischen dem Grund für die Kündigung und der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ein Zusammenhang besteht. Der Kündigungsschutz ist somit umfassend, außer, es liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vor.
Hintergrund dieses besonderen Schutzes ist in beiden Fällen die Intention des europäischen Gesetzgebers, dass Datenschutzbeauftragte “ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können” sollen (vgl. ErwG 97 DSGVO).
Entscheidung des EuGH
In dem Verfahren ging es um eine betriebsbedingte Kündigung, bei der zwischen dem Kündigungsgrund und der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter kein Zusammenhang bestand. Die Frage war nun, ob Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO eine abschließende Regelung enthält mit der Folge, dass die darüber hinausgehende Regelung wegen eines Verstoßes gegen die DS-GVO unwirksam ist.
Bei unmittelbar geltendem europäischen Recht, wie es die DS-GVO als Verordnung ist, kann der nationale Gesetzgeber nur noch dann Regelungen wirksam treffen, wenn die Verordnung (I) eine Öffnungsklausel enthält, (II) einen Sachverhalt nicht abschließend oder (III) gar nicht regelt.
Vorliegend gibt es in Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO eine Regelung, die anders als der Kündigungsschutz nach deutschem Recht für das Benachteiligungsverbot einen Zusammenhang zur Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter erfordert.
Handelt es sich dabei um eine abschließende Regelung?
Dies wurde im Ergebnis vom EuGH verneint. Der weitergehende Kündigungsschutz nach deutschen Recht stellt keinen Verstoß gegen europäisches Recht dar. Die Kompetenz des europäischen Gesetzgebers zum Erlass von Verordnungen erstreckt sich nämlich nicht auf den Bereich der Sozialpolitik, bei dem allenfalls mit umsetzungspflichtigen Richtlinien gehandelt werden kann. Bereits aus diesem Grund steht Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO dem Sonderkündigungsschutz aus §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG nicht im Wege.
Auswirkungen für die Praxis?
Die Auswirkungen für die Praxis scheinen gering. Der Sonderkündigungsschutz besteht und muss beachtet werden. Umgehen kann man ihn nur dadurch, dass man entweder einen externen Datenschutzbeauftragten bestellt oder die Bestellung (wirksam) befristet.
In jedem Fall muss geprüft werden, ob die Regelungen greifen. Neben der Voraussetzung, dass der Sonderkündigungsschutz nur besteht, wenn die Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtend ist, schränkt der EuGH den deutschen Sonderkündigugsschutz doch ein wenig ein: sofern der Sonderkündigungsschutz dazu führt, dass die Verwirklichung der Ziele de DS-GVO beeinträchtigt wird, wäre er nämlich unwirksam.
Es lohnt sich also in jedem Fall die Voraussetzungen der §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 S. 2 BDSG sorgfältig im Lichte des Urteils des EuGH vom 22. Juni 2022 zu prüfen.