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Ihr PWWL-Redaktionsteam

Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Quo vadis Arbeitszeiterfassung?

Personen sitzen um Tisch mit Blick zum Betrachter

Seit dem Urteil des EuGH (Urteil vom 14. Mai 2019 – C-55/18; hierzu unser Blogbeitrag) zu der generellen Verpflichtung der Arbeitgeber, die täglichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten in einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen System zu erfassen, sind nun bald sechs Jahre vergangen. Nach der sich hieran anschließenden Entscheidung des BAG aus September 2022 (Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21; wir berichteten auf unserem Blog), sind zweieinhalb Jahre verstrichen. Gefragt ist der Gesetzgeber, allerdings ohne Ergebnis bislang. An ersten Ansätzen mangelt es seit Jahren nicht: Es gab bereits Rechtsgutachten für die sog. „Große Koalition“ noch unter Bundeskanzlerin Merkel, sodann einen Referentenentwurf der sog. „Ampel-Koalition“ unter Bundeskanzler Scholz. Und das aktuelle Sondierungspapier von Union und SPD? Es erwähnt immerhin die Intention, im Einklang mit der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie eine neue Regelung zur Arbeitszeit schaffen zu wollen. 

Hintergrund

Der EuGH hat mit der oben genannten Entscheidung die Pflicht der Arbeitgeber zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer festgestellt. Eine genaue Ausgestaltung für die Erfassung der täglichen Arbeitszeit hat das Gericht nicht vorgegeben. Es hat vielmehr eine gewisse Flexibilität bei der nationalen Umsetzung wegen der Eigenart der Tätigkeit, der Größe des Unternehmens oder auch von vornherein nicht bestimmbarer Arbeitszeiten eingeräumt. 

Vor dem Hintergrund der unionsrechtlich verpflichteten Arbeitszeiterfassung hat das BAG mit dem erwähnten Beschluss vom 13. September 2022 entschieden, dass die Pflicht der Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer bereits aufgrund von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG besteht. Das „Ob“ der Zeiterfassung ist damit bereits gesetzlich geregelt und gilt für die Erfassung der Arbeitszeit hinsichtlich Beginn, Ende und Dauer. Dagegen lässt das „Wie“ derzeit noch Spielräume und damit einhergehend auch Unsicherheiten für den Arbeitgeber offen, vor allem hinsichtlich der Form der Arbeitszeiterfassung (elektronisch, händisch, etc.). 

Politischer Prozess 

In der Folge wurde bereits nach dem Urteil des EuGH noch unter der damaligen „Großen Koalition“ ein Gesetzgebungsprozess angestoßen, indem das SPD-geführte Arbeitsministerium und das damals CDU-geführte Wirtschaftsministerium jeweils Gutachter beauftragten. Ein Gesetzesentwurf sollte zwischen diesen beiden Ressorts abgestimmt werden. Hierzu kam es aber vor dem Ende der Legislaturperiode nicht mehr. 

Beide Gutachten sahen vor, dass die Regelungen zur Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz verortet werden sollten und schlugen eine Änderung von § 16 ArbZG vor. Darüber hinaus ist den beiden Gutachten inhaltlich gemein: 

  • Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit (so auch vom BAG 2022 entschieden)
  • Delegation der Aufzeichnungspflichten auf Dritte – insbesondere auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – ist zulässig, wobei die Letztverantwortung beim Arbeitgeber bleibt 
  • Auskunftsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 
  • FormvorschriftKeine

Unterschiede gab es bei den Gutachten insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt der Dokumentation der täglichen Arbeitszeiten (von taggenau bis zur Möglichkeit einer Nachtragung bis zum Ende des Folgemonats), bei Aufbewahrungsfristen, bei der Bestätigung der erfassten Arbeitszeiten und bei Besonderheiten im Rahmen der Übertragung der Aufzeichnungspflichten auf Dritte (wie Anleitungspflichten oder Widerrufsmöglichkeiten) oder der Möglichkeit von Erleichterungen und Verschärfungen per Rechtsverordnung. 

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales der Ampel-Koalition

Nach dem Ende der Regierung unter der sog. „Großen Koalition“ und der Bildung einer Regierung unter dem Namen „Ampel-Koalition“, legte das weiterhin SPD-geführte Arbeitsministerium im April 2023 einen Referentenentwurf zur elektronischen Arbeitszeiterfassung vor. 

Der Entwurf enthielt u.a. folgende Kernpunkte: 

  • Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit
  • Formvorschrift: elektronische Arbeitszeiterfassung
  • Zeitpunkt der Zeiterfassung: taggenau
  • Vertrauensarbeitszeit ist mit folgender Maßgabe möglich: 
    • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ebenfalls Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit taggenau zu erfassen
    • Arbeitgeber ergreifen Maßnahmen, bei denen sie Verstöße erkennen (z.B. durch automatische Warnung des Systems) 
  • Tariföffnungsklausel mit der Möglichkeit der Einführung von Erleichterungen insb. hinsichtlich der Form und des Zeitpunkts der Zeiterfassung und Ausnahmen für bestimmte Mitarbeitergruppen 
  • Übergangsvorschriften für die Einführung der elektronischen Form gestaffelt nach Unternehmensgröße und generelle Ausnahmen 

Besonderheit des Referentenentwurfs war insbesondere die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung. Dadurch war eine Einschränkungen der Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung hinsichtlich der Form vorgesehen, die bislang nicht von den Gerichten vorgegeben worden war. 

Der Entwurf stieß innerhalb und außerhalb der Koalition auf Kritik. Kritik kam insbesondere vom Koalitionspartner FDP und aus der Opposition durch die Union. Die Union reichte im Mai 2023 im Bundestag einen Antrag mit Forderungen zur Gestaltung der Arbeitszeiterfassung ein. Darin forderte sie vor allem alle zur Verfügung stehenden Spielräume für eine möglichst flexible Regelung zu nutzen. Insbesondere sollte keine Formvorgabe gemacht werden; zudem sollte die Vertrauensarbeitszeit generell ohne Arbeitszeiterfassung erfolgen können und der Zeitpunkt der Zeiterfassung möglichst flexibel bleiben. Darüber hinaus wurde eine bürokratiearme Umsetzung gerade für kleinere und mittlere Unternehmen gefordert. Schließlich wurde abseits einer möglichst flexiblen Arbeitszeiterfassung verlangt, eine wöchentliche, statt einer täglichen Höchstarbeitszeit einzuführen. 

Ausblick auf die Koalitionsverhandlungen

Vor dem Hintergrund der aktuellen Regierungsbildung besteht wieder die Hoffnung, dass Klarheit geschaffen und zugleich die Chance für eine Modernisierung ergriffen wird. Ob die neue Bundesregierung unter dem Blickwinkel von Zeit und Kosten neue Sachverständigengutachten einholen und sich damit aufhalten lassen wird? An der Rechtslage hat sich in der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit von bald sechs (!) Jahren seit der Entscheidung des EuGH nichts Wesentliches geändert. An den faktischen Gegebenheiten ebenfalls nicht. 

Die Interessenlage an Regelungen zur Arbeitszeiterfassung dürfte sich auch nicht dadurch verschieben, dass in den aktuellen Sondierungsgesprächen eine Flexibilisierung insoweit Erwähnung findet, dass geplant sei, die Höchstarbeitszeiten künftig nicht mehr pro Tag, sondern pro Woche zu regeln. Dies hatte die Union indessen bereits im Mai 2023 gefordert und diese Intention findet sich nun auch im Sondierungspapier wieder. Es ist aber auch geplant, die bisherigen Ruhezeitregelungen beizubehalten. Zur Frage der Dokumentation der täglichen Arbeitszeiten schweigt das Papier. 

Eva Wißler
Eva Wißler

Eva Wißler ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Vergütungs- und Arbeitszeitsysteme sowie auf internationales Arbeitsrecht.

Sophia Fang

Sophia Fang ist spezialisiert auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und Kündigungsschutzverfahren.

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