Im Workplace Blog schreiben wir über Themen aus der Workplace Law und HR Welt: Wir besprechen wichtige Gerichtsentscheidungen, nehmen uns Glaubenssätze vor, geben praktische Tipps und vieles mehr…
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Bei Zügen, die in Richtung Süden fahren, ist es ein Nachteil, im Süden der Stadt zu leben. Der am Hauptbahnhof in Berlin eingesetzte Zug Richtung München hält um 8.11 Uhr in Südkreuz. Ich bin pünktlich genug da, um zu erfahren, dass der eigentliche Zug wegen einer technischen Störung ausfällt und stattdessen ein Ersatzzug bereit gestellt wurde, in dem leider keine der für den eigentlichen Zug gebuchten Reservierungen gültig ist.
Der Kampf um die Plätze ist längst ausgefochten, als ich in Südkreuz zusteige. Selbst die Sitzplätze im Gang sind belegt. Glück im Unglück: Ich habe mein Laptop zu Hause vergessen und muss mich nicht grämen, dass ich im Stehen sowieso nicht hätte arbeiten können. Natürlich ist auch der Speisewagen überfüllt, aber ich hole mir einen Cappuccino und begebe mich an die Stehtheke im Bistrobereich.
Dort hat sich an dem einzigen Tisch ein Professor breit gemacht, der offenbar eine Bachelor- oder Masterarbeit Korrektur liest und dazu vier unterschiedliche Textmarker verwendet. Ich quetsche mich in die von ihm nicht belegte Ecke des Tisches und teile mein Unglück mit meiner Assistentin und meiner Frau. Beide bedauern mich pflichtgemäß und es geht mir schon ein wenig besser. Dann traue ich mich und spreche ihn an. Er freut sich wider Erwarten über die Ablenkung und teilt mir bereitwillig mit, worum es bei der Arbeit geht. Ich verstehe nur ein Drittel, aber es hat etwas mit Logistik, supply chain und Digitalisierung zu tun. Während wir darüber reden, ertönt die übliche Durchsage, dass aufgrund verspäteter Anlieferung heute nur ein beschränktes Angebot von Speisen und Getränken zur Verfügung steht. Wir lachen gemeinsam und laufen in Halle ein. Ich lauere im Mittelgang zwischen zwei Wagen und beobachte, wer den Zug verlässt, um mir blitzschnell einen Platz zu sichern. Es gelingt.
Ich atme durch und möchte mich endlich den tausend Dingen zuwenden, die ich noch zu tun habe: Schriftsätze und Memoranden Korrektur lesen, meine Teile des arbeitsrechtlichen Kommentars bearbeiten, einen Sozialplan entwerfen usw…. Erst jetzt wird mir schmerzhaft bewusst, dass ich ohne mein Laptop quasi nicht arbeitsfähig bin. Für das erlittene Unrecht des Stehplatzes konnte ich jemanden verantwortlich machen, an dem vergessenen Laptop bin ich ausschließlich selbst schuld. Ich stelle fest, dass sich das bei weitem nicht so gut anfühlt und ich mich mit meinem Stehplatz viel besser gefühlt habe. Immerhin habe ich die Akte für den Gerichtstermin dabei. Selten bin ich so gut vorbereitet in eine Verhandlung gegangen….
Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.