Das BAG (Az.: 9 AZR 541/15) hat im Nachgang zu zwei
Entscheidungen des EuGH vom 06.11.2018 (Az.: C 619/18 und C 684/16) nun
entschieden, dass es keinen automatischen Verfall von nicht beantragtem Urlaub
gibt. Vielmehr erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers nach der aktuellen BAG
Entscheidung nur dann am Ende eines Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn
zuvor über den konkreten Anspruch und die Verfallfristen belehrt, der
Arbeitnehmer den Urlaub aber dennoch nicht genommen hat.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall verlangte der
Kläger Urlaubsabgeltung. Er war beim Beklagten als Wissenschaftler beschäftigt
und das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Befristung am 31.12.2013. Schon im
Oktober 2013 wies der Beklagte den Kläger auf das Ende der Befristung hin und
bat ihn, seinen Urlaub vor Ablauf der Befristung zu nehmen. Der Kläger nahm
jedoch lediglich zwei Tage Urlaub. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
hatte er daher aus dem Jahr 2012 noch einen Resturlaub von 21 Tagen sowie aus
dem Jahr 2013 einen Resturlaub von 30 Tagen. Für diesen Resturlaub von
insgesamt 51 Tagen forderte er Urlaubsabgeltung. Dies lehnte der Beklagte ab.
Das BAG hatte hierzu bisher die Auffassung vertreten, dass
der Urlaubsanspruch und damit auch der Urlaubsabgeltungsanspruch nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne einen entsprechenden Urlaubsantrag des
Arbeitnehmers erlöschen. Aufgrund der Europarechtlichen Implikationen des
Urlaubsrechts legte es diese Frage Ende 2016 jedoch dem EuGH zur Entscheidung
vor.
Der Leitgedanke des EuGH in der darauf folgenden Entscheidung vom 06.11.2018 (Eine ausführliche Besprechung der EuGH-Entscheidung finden Sie bspw. hier: https://pwwl.de/ein-blick-nach-luxemburg-eugh-staerkt-arbeitnehmern-den-ruecken-in-sachen-urlaubsansprueche/) lautet zusammengefasst wie folgt: Ein Arbeitnehmer verliert seine Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht alleine dadurch, dass er den Urlaub nicht beantragt hat. Damit der Urlaub verfällt, muss der Arbeitgeber vielmehr nachweisen, dass der Mitarbeiter aus freien Stücken verzichte habe, seinen Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaub tatsächlich rechtzeitig nehmen zu können.
Mit der aktuellen Entscheidung hat das BAG die Vorgaben aus
Luxemburg in deutsches Recht integriert: Der Arbeitgeber ist zwar nicht
verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Urlaub von sich aus zu gewähren. Er muss den
Arbeitnehmer allerdings in die Lage versetzen, den Urlaub nehmen zu können.
Ob der Arbeitgeber seiner Verpflichtung in dem der
Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nachgekommen war, ließ das BAG
offen. Dies hat zunächst das LAG weiter aufzuklären.
Die Entscheidung hat wichtige praktische Konsequenzen für Arbeitgeber:
Um unerwünschte Urlaubsübertragungen und damit ggf. einhergehende Abgeltungsansprüche zu vermeiden, sollten Arbeitgeber rechtzeitig in jedem Kalenderjahr alle Arbeitnehmer schriftlich oder in Textform dazu auffordern, den Urlaub innerhalb des Kalenderjahres bzw. eines ggf. geltenden Übertragungszeitraums zu nehmen. Diese Aufforderung sollte zudem den deutlichen Hinweis enthalten, dass der Urlaub anderenfalls verfällt. Die Pressemitteilung des BAG lässt ferner vermuten, dass in der Aufforderung auch die konkrete die Höhe des (Rest-)Urlaubsanspruchs anzugeben ist. Dies ist daher ebenfalls zu empfehlen.
Besonders zu beachten ist, dass der Arbeitgeber den Zugang
dieser Aufforderung im Falle einer Auseinandersetzung auch nachweisen muss. Anderenfalls
kann er sich nicht auf den Verfall des Urlaubs berufen. Es empfiehlt sich daher
dringend, die Urlaubsaufforderung und den Zugangsnachweis zu Beweiszwecken in
die Personalakte aufzunehmen.
Die Entscheidungen des BAG und des EuGH beziehen sich allerdings nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Darüber hinaus gehende Urlaubsansprüche, bspw. aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung sind hingegen nicht betroffen und verfallen ohne entsprechenden Urlaubsantrag auch weiterhin mit Ablauf des Bezugszeitraums. Beruht der Mehrurlaub auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung, muss diese klar zwischen dem gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaub differenzieren.