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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

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“Litigation Hacks” – Formale Probleme bei Kündigungen: Vollmacht, Unterschrift und Zustellung

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Eine arbeitgeberseitige Kündigung unterliegt insbesondere für den Fall, dass das KSchG Anwendung findet, zahlreichen rechtlichen Hürden. Unabhängig aber von der Erfüllung der Anforderungen nach dem KSchG scheitern viele Kündigungen bereits am ordnungsgemäßen Kündigungsausspruch aufgrund von unsachgemäßen Bevollmächtigungen. Auch Unachtsamkeiten bei der Unterschrift bergen Risiken. Zudem führen Fehler bei der Zustellung immer wieder dazu, dass Kündigungen unwirksam sind. Gerade Fehler bei diesen vermeintlich „unproblematischen“ Voraussetzungen einer Kündigung sind umso ärgerlicher für Arbeitgeber, lassen sie sich doch ohne großen Aufwand vermeiden.

I.            Fehler bei der Vollmacht – Zurückweisung gemäß § 174 S. 1 BGB

Die Kündigung muss von einer zur Kündigung berechtigten, vertretungsbefugten Person ausgesprochen werden. Unproblematisch ist dies, wenn dies durch ein Organ des Arbeitgebers erfolgt. Regelmäßig passiert es jedoch, dass die Organvertreter gerade in großen Unternehmen aufgrund von Entfernung oder Abwesenheit nicht greifbar sind. Diese Situation tritt typischerweise dann auf, wenn beim Kündigungsausspruch Eile geboten ist. In diesem Fall kommt es darauf an, dass die Vertretungsregelungen eingehalten werden. Ein Verstoß gegen die Vertretungsregelungen birgt das Risiko einer Zurückweisung gemäß § 174 S. 1 BGB.

Gemäß § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist.

1.            Rechtsgeschäftliche Vertretung

§ 174 S. BGB greift nur dann, wenn die Kündigung von einer Person ausgesprochen wird, die auf der Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht handelt. Auf gesetzliche Vertreter findet § 174 S. 1 BGB grundsätzlich keine Anwendung. Eine Zurückweisung einer Kündigung durch ein Organ kommt nur dann in Betracht, wenn Gesamtvertretungsbefugnis besteht und ein organschaftlicher Vertreter den anderen bevollmächtigt, die Kündigung allein auszusprechen. Ohne die Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde besteht auch in diesem Fall das Risiko der Zurückweisung gemäß § 174 S. 1 BGB.

2.            Vollmachtsurkunde

Der gekündigte Arbeitnehmer kann die Kündigung unverzüglich zurückweisen, wenn der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beiliegt. Die Zurückweisung muss wegen der nicht vorgelegten Vollmachtsurkunde erfolgen, was bei der Zurückweisung deutlich werden muss. Entscheidend für den Arbeitgeber ist, dass es – wie auch beim Kündigungsschreiben selbst – einer Vollmachtsurkunde im Original bedarf, die mithin eine Originalunterschrift des Vollmachtgebers enthalten muss. Ein Scan der Unterschrift oder insbesondere die weit verbreitete digitale Unterschrift, wie z.B. mit DocuSign, sind nicht ausreichend. Arbeitgeber sehen sich damit bei Abwesenheiten von kündigungsberechtigten Personen dem Problem gegenüber, dass es auch für den Fall, dass eine bevollmächtigte Person vor Ort ist, die die Kündigung im Original unterschreiben könnte, dennoch einer Originalvollmacht bedarf. Der Organisationsaufwand für den Arbeitgeber ist mithin derselbe. Entweder er unterzeichnet das Kündigungsschreiben im Original oder er unterzeichnet die Vollmachtsurkunde im Original.

3.            Keine Zurückweisung bei Inkenntnissetzen

Gemäß § 174 S. 2 BGB ist die Zurückweisung der Kündigung ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Eine Inkenntnissetzung kann ausdrücklich oder auch konkludent erfolgen. Ursprünglich wurde angenommen, dass mit einer bestimmten Position im Unternehmen regelmäßig eine Kündigungsbefugnis und somit eine Inkenntnissetzung einhergeht. Diese Möglichkeit hat das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich eingeschränkt. Neben der reinen Position, die typischerweise mit einer Kündigungsbefugnis einhergeht, bedarf es zusätzlich einer entsprechenden Bekanntmachung, dass 1.) diese Position kündigungsbefugt ist und 2.) welche konkrete Person diese Position innehat. Der Arbeitgeber kann dabei entweder im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Durchführung des Arbeitsverhältnisses aufzeigen, welche bestimmte Person zur Kündigung berechtigt ist. Hervorzuheben ist somit, dass lediglich eine bestimmte Position, die typischerweise mit einer Kündigungsbefugnis verbunden ist (z.B. Personalleiter) für ein Inkenntnissetzen nicht ausreicht.

4.            Unverzüglich

Die Zurückweisung muss unverzüglich erfolgen. Dabei wird regelmäßig eine Zurückweisung nach einer Woche ab Kenntnis von der Kündigung ohne das Vorliegen besonderer Umstände nicht mehr als unverzüglich zu erachten sein.

II.           Fehler bei der Unterschrift

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen gemäß § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Eine Kündigung bedarf somit der Originalunterschrift (sog. wet-ink) der kündigungsberechtigten Person. Die Namensunterschrift muss die Person des Ausstellers erkennbar machen. Hierfür reicht regelmäßig die Angabe des Nachnamens aus. Bei Doppelnamen soll die Unterzeichnung mit einem Teil des Doppelnamens ausreichen.

Gerade im Rahmen von Restrukturierungsprojekten, die mit einer Vielzahl von Kündigungen verbunden sind, ergibt es sich immer wieder, dass die Lesbarkeit der Unterschriften im Laufe des Unterzeichnungsprozesses stetig abnimmt. Oftmals wird in zeitlich später zu unterschreibenden Kündigungen nur noch mit einer Paraphe unterzeichnet. Die Unterzeichnung mittels einer Paraphe wahrt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB jedoch nicht. Wann in Abgrenzung zur Unterschrift nur noch eine nicht schriftformwahrende Paraphe, die den Aussteller nicht erkennen lässt, vorliegt, obliegt der Einzelfallbewertung auf der Grundlage des äußeren Erscheinungsbildes. Entscheidend dafür, dass eine ordnungsgemäße Unterschrift vorliegt, ist, dass der Namenszug trotz ggf. erheblicher Abschleifungen noch erkennbar ist.

III.          Fehler bei der Zustellung

Fehler bei der Zustellung von Kündigungen treten immer wieder auf.

1.            Kein Einwurfeinschreiben

Eine Kündigung ist erst dann ausgesprochen, wenn sie dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Vielfach erachten Arbeitgeber das Einwurfeinschreiben als vermeintlich zuverlässige Form der Zustellung. Ein Einwurf-Einschreiben birgt jedoch mehr Risiken, als dass es Sicherheit liefert. So beinhaltet nach dem Bundegerichtshof zwar der Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs einen Anscheinsbeweis dafür, dass der Brief in den Briefkasten eingelegt wurde. Der tatsächlich Zugangsbeweis kann jedoch nur entweder durch eine öffentliche Urkunde oder einen Zeugenbeweis erfolgen. Da der Auslieferungsbeleg gerade keine öffentliche Urkunde ist, wird es regelmäßig auf einen Zeugenbeweis ankommen. Zeuge des Einlegens des Briefs in den Briefkasten ist der Zusteller. Schon die Ermittlung des konkreten Zustellers birgt erhebliche Probleme: sofern dieser überhaupt ermittelt werden kann und als Zeuge vernommen wird, so ist mehr als fraglich, ob sich der Zusteller schon aufgrund der Menge an Zustellungen an eine konkrete Zustellung, die möglicherweise eine erhebliche Zeit zurückliegt, erinnern kann.

Vorzugswürdig ist daher die Zustellung der Kündigung durch einen Mitarbeiter des Arbeitgebers oder durch einen Kurierdienst, jeweils unter Verwendung eine Zustellprotokolls.

2.            Keine Vorab-E-Mail im Rahmen von massenentlassungsanzeigepflichtigen Kündigungen

Im Rahmen von massenentlassungsanzeigepflichtigen Restrukturierungen kommt es immer wieder vor, dass Arbeitgeber Kündigungen den Arbeitnehmern „vorab“ zur Kenntnisnahme schicken. Ein solches Prozedere bringt erhebliche Risiken mit sich. Geht die Kündigung per E-Mail dem Arbeitnehmer zu, bevor er das Originalkündigungsschreiben erhalten hat, so spricht viel dafür, dass die E-Mail-Kündigung ihre Anzeige im Rahmen der Massenentlassungsanzeige „verbraucht“. Eine Kündigung per E-Mail ist aber mangels Einhaltung der Schriftform gemäß § 623 BGB nichtig. Das zeitlich später zugegangene Originalkündigungsschreiben, welches formwahrend im Sinne von § 623 BGB ist, ist aufgrund des „Verbrauchs“ durch die erste (E-Mail-) Kündigung nicht mehr von der Massenentlassungsanzeige erfasst. Seine Nichtigkeit folgt dann aus § 17 Abs. 1 KSchG. Somit verhindert die Vorabzustellung per E-Mail den Ausspruch einer formwirksamen Kündigung.

IV.          Fazit

Formale Probleme bei Kündigungen treten immer wieder auf. Sie sind jedoch einfach zu vermeiden. Arbeitgebern ist zu empfehlen, standardisierte Prozesse aufzusetzen, die die formalen Voraussetzungen für Kündigungen abbilden. Besondere Bedeutung kommt dabei Folgendem zu:

  • Rechtssicher im Hinblick auf die Kündigungsberechtigung ist stets ein Kündigungsausspruch durch das vertretungsberechtigte Organ, regelmäßig also durch den Geschäftsführer.
  • Kündigt nicht der Organvertreter, sondern eine andere Person, so bedarf es mit dem Kündigungsschreiben der Vorlage einer Originalvollmacht. Zu empfehlen ist, bereits im Vorfeld eine Vielzahl von Original-Vollmachtsurkunden für die kündigungsberechtigte Person zu erstellen, die dann im Kündigungsfall verwendet werden können.
  • Vorsorglich sollte unternehmensweit bekannt gemacht werden, welche Position kündigungsberechtigt ist und welche konkrete Person diese Position aktuell innehat. Ein einfacher und transparenter Zugang zu diesen Informationen für die Belegschaft sollte stets sichergestellt sein.
  • Schriftformwahrend für eine Kündigung ist nur eine Originalunterschrift (sog. wet-ink) der kündigungsberechtigten Person, bei der die Person des Ausstellers erkennbar ist. Dabei ist darauf zu achten, dass die Unterschrift trotz ggf. erheblicher Abschleifungen den Namenszug erkennen lässt und nicht nur mit einer Paraphe unterzeichnet wird. 
  • Die Zustellung sollte stets durch einen Mitarbeiter des Arbeitgebers oder einen Kurierdienst erfolgen. Dabei sollte ein arbeitgeberseits vorbereitetes Zustellprotokoll verwendet werden. Eine Zustellung von Kündigungen mittels Einwurf-Einschreiben sollte generell unterbleiben.
  • Im Rahmen von massenentlassungsanzeigepflichtigen Kündigungen sollten Vorab-E-Mails, mit denen die Kündigungsschreiben zur Kenntnisnahme versendet werden, dringend unterbleiben.
Dr. Constanze Mercedes Merkelbach-Scholtka

Dr. Constanze Mercedes Merkelbach-Scholtka ist spezialisiert auf Restrukturierungen einschließlich Massenentlassungen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen. Zudem verfügt sie über besondere Erfahrung in Aufhebungs- und Abwicklungsvertragsverhandlungen, der arbeitsrechtlichen Prozessführung und im Bereich Compliance.

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