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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Konzernbetriebsrat bei ausländischer Konzernspitze – oder das Erfordernis der eigenständigen Entscheidungsbefugnis der Tochter über ihre Kinder

Gruppe von Maennern stehen sich gegenueber

Anders als hoffentlich in den meisten Familien beherrscht nach gesellschaftsrechtlichem Verständnis (§§ 17 ff. AktG) die Mutter immer auch die Kinder ihrer Tochter, also ihre Enkel. Betriebsverfassungsrechtlich gibt es hiervon Ausnahmen, die aber erfordern, dass der Tochter von der Mutter eigene Entscheidungsspielräume gegenüber den Enkeln zugestanden werden. Mit dieser Konstellation und der Besonderheit, dass die Mutter ihren Sitz im Ausland hat, beschäftigt sich das BAG in seinem Beschluss vom 23. Mai 2018.

Das BAG hatte sich konkret mit der Frage zu befassen, ob in Deutschland ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann, wenn die Konzernspitze (die sog. Konzernobergesellschaft) im Ausland sitzt und die deutschen Aktivitäten unter einer Holding ohne eigene Geschäftstätigkeit gebündelt sind, die über keine eigenen Entscheidungsbefugnisse verfügt.

Das BAG entschied ganz auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, dass in einer solchen Konstellation die Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrates in Deutschland nicht vorliegen. Mitbestimmung durch eine Arbeitnehmervertretung soll immer auf der Ebene stattfinden, auf der ein arbeitgeberseitiges Pendant existiert, dass in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten über eigenständige Entscheidungsbefugnisse verfügt. Nur dann macht nämlich die Errichtung eines Konzernbetriebsrates Sinn, weil er einen Verhandlungspartner hat, der bei Themen, bei denen dem Konzernbetriebsrat Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte (also in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten) zukommen, auch Entscheidungen treffen kann. Dies war vorliegend nicht der Fall, weil die deutsche Holdinggesellschaft über entsprechende Entscheidungsbefugnisse nicht verfügte.

Der Sache nach hätte es sich um einen Teilkonzernbetriebsrat für Deutschland (auch als „Konzern im Konzern“ bezeichnet) gehandelt. Ein solcher Teilkonzernbetriebsrat kommt bei mindestens dreistufigen Konzernstrukturen (also Mutter, Tochter, Enkel) immer nur dann in Betracht, wenn die Teilkonzernspitze (in diesem Fall die deutsche Holding) in den nach dem Betriebsverfassungsgesetz relevanten Angelegenheiten über eigenständige und von der eigentlichen Konzernspitze (hier die ausländische Muttergesellschaft) unabhängigen Entscheidungsbefugnisse verfügt. Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes ist es, betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung dort anzusiedeln, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret ausgeübt wird. Übt die Mutter ihre beherrschende Stellung nur in Teilbereichen aus und überlässt sie der Teilkonzernspitze (also der Tochter) eigenständige Entscheidungsbefugnisse über die Enkel, so würde bei den unternehmerischen Entscheidungen der Tochter für sich und ihre Enkel keine Beteiligung einer Arbeitnehmervertretung stattfinden, wenn es keinen Konzernbetriebsrat auf dieser Ebene gäbe: Der auf Ebene der Mutter angesiedelte Konzernbetriebsrat wäre nicht zuständig, weil die Mutter keine unternehmerische Entscheidung trifft. Der gegebenenfalls auf Ebene der Tochtergesellschaft bestehende Gesamtbetriebsrat wäre auf eine Regelung für die Tochter selbst beschränkt, was zu kurz greift, wenn die unternehmerische Entscheidung den gesamten Teilkonzern (also Tochter und Enkel) betrifft. Aus diesem Grunde macht in einer solchen Konstellation die Errichtung eines Konzernbetriebsrates auch auf Ebene der Tochter Sinn.

Besonders spannend ist die Frage, ob und auf welcher Ebene im vorliegenden Fall, wo die Voraussetzungen für die Errichtung eines Teilkonzernbetriebsrates bei der Tochter nicht vorliegen, teilkonzernbezogene unternehmerische Entscheidungen einer Beteiligung durch eine Arbeitnehmervertretung zugeführt werden.

Beispiel: Die ausländische Holding entscheidet, dass in Deutschland in allen Gesellschaften eine einheitliche Compliance-Richtlinie eingeführt werden soll. Es dürfte sich dabei um einen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Vorgang handeln.

Erfolgt die Mitbestimmung auf Ebene der Betriebsräte, ist nicht gewährleistet, dass die Regelung einheitlich eingeführt werden kann. Es könnte jeweils zu einem betrieblichen Einigungsstellenverfahren kommen, dass unterschiedliche Regelungen für jeden Betrieb durch Spruch festlegt. Gleiches gilt bei einer Beteiligung auf Ebene des Gesamtbetriebsrates. Richtig wäre daher an sich zur Gewährleistung der Einheitlichkeit eine Beteiligung auf Ebene des Konzernbetriebsrates. Dieser wäre nach § 58 Abs. 1 BetrVG für die Angelegenheit originär zuständig. Da ein solcher aber vorliegend nicht existiert, könnte man erwägen, dass die Mitbestimmung leer läuft, also überhaupt keine Beteiligung einer Arbeitnehmervertretung erfolgt. Wäre dies der Fall, hätte es die Unternehmensseite in der Hand, sich an sich bestehender betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte durch Verlagerung der Konzernspitze ins Ausland zu entziehen. Natürlich ist dies ein Reflex der beschränkten Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes auf das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und möglicherweise aufgrund der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit hinzunehmen. Andererseits wäre es dem Konzern möglich, eine einheitliche Regelung auch bei Beteiligung einer Arbeitnehmervertretung sicherzustellen, wenn der deutschen Tochter eigenständige Entscheidungsbefugnisse für den deutschen Teilkonzern eingeräumt würden. Das BAG hat hierzu in einer früheren Entscheidung vom 14. Februar 2007 (7 ABR 26/06) ausgeführt:

Kann ein Konzernbetriebsrat wegen einer im Ausland ansässigen Konzernspitze nicht errichtet werden, führt dies nicht zum Fortfall der betrieblichen Mitbestimmung, sondern nur zu ihrer Verlagerung auf eine andere Ebene in den verbundenen Unternehmen. Die Beteiligungsrechte nach dem BetrVG werden in diesem Fall von den Gesamtbetriebsräten und Betriebsräten der konzernangehörigen Unternehmen wahrgenommen. Auch die hiermit gegebenenfalls verbundene Erschwerung konzerneinheitlicher Regelungen rechtfertigt die Bildung eines Konzernbetriebsrats nicht, zumal es eine im Ausland ansässige Konzernobergesellschaft jederzeit in der Hand hat, durch Verlagerung von Leitungsmacht in das Inland oder den Abschluss von Entherrschungsverträgen die arbeitgeberseitigen Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats (wieder) herbeizuführen.

Ich halte dies für sachgerecht. Dies gilt aber nicht, wenn die Möglichkeit zur Errichtung eines Konzernbetriebsrates besteht, hiervon aber kein Gebrauch gemacht worden ist. In diesem Fall darf es bei einer konzernübergreifenden Angelegenheit kein Beteiligungsrecht einer Arbeitnehmervertretung geben. Das ist auch sachgerecht, weil die Arbeitnehmervertretungen von der Möglichkeit, einen Konzernbetriebsrat zu errichten, keinen Gebrauch gemacht haben. Gibt es hier dann Angelegenheiten, die im originären Zuständigkeitsbereich des Konzernbetriebsrates wären, so kann der Arbeitgeber nicht auf die nachgeordneten Ebenen verwiesen werden. Damit würde nämlich sein Bedürfnis nach einer konzerneinheitlichen Regelung konterkariert, weil die nachgeordneten Arbeitnehmervertretungen keinen Konzernbetriebsrat gebildet haben.

Thomas Wahlig

Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.

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