Ein Arbeitsvertrag ist ein Blatt Papier, händisch unterschrieben von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – das war einmal…. Dank der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen bestehen diese inzwischen meist aus vielen Seiten. Außerdem gibt es endlich gesetzliche Bestrebungen, den Arbeitsvertrag in die digitalisierte Welt zu übertragen.
Dem stand bislang vor allem das Nachweisgesetz aus dem Sommer 2022 entgegen, wonach zentrale Arbeitsbedingungen schriftlich, also auf einem handschriftlich unterzeichneten Dokument nachzuweisen sind und bei Nichteinhaltung ein Bußgeld droht. Nicht zu Unrecht wurde in diesem Zusammenhang von einem „Zurück in die digitale Steinzeit” gesprochen.
Nun dauerte es fast zwei Jahre bis der Gesetzgeber, der im Koalitionsvertrag noch die Digitalisierung als eines seiner Kernthemen identifiziert und versprochen hatte, Digitalisierungshemmnisse abzubauen, auf die Kritik reagierte. Am Donnerstag, den 21. März 2024 kündigte Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann an, dass „im Nachweisgesetz künftig der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform ermöglicht werden“ soll. Noch plakativer ließ er verlauten: „Arbeitsverträge können künftig vollständig digital abgeschlossen werden.“
Das lässt erst einmal hoffen. Leider ist die Euphorie verfrüht. Zum einen bestand auch bisher für Arbeitsverträge selbst (im Gegensatz zu den Nachweisen nach dem NachwG) keine Formvorschrift, sodass diese auch bisher schon in Textform und sogar mündlich geschlossen werden konnten. Zum anderen wird es auch künftig für nahezu alle Arbeitsverträge ein faktisches Schriftformgebot geben. Nicht der Vertrag an sich, aber besondere Vertragsbestandteile (wie insbesondere Befristungen oder nachvertragliche Wettbewerbsverbote) müssen schriftlich vereinbart werden – mit Auswirkungen für den ganzen Vertrag.
Im Rahmen des Nachweisgesetzes wird zwar die Schriftform durch die Textform ersetzt, erforderlich bleibt aber, dass „das Dokument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitnehmer einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis erhält“.
I. Formvorschriften für Arbeitsverträge
Arbeitsverträge selbst unterliegen (anders als bspw. die Kündigung, für die das Gesetz ausdrücklich die Schriftform vorsieht) ohnehin keinen Formvorschriften und können damit auch ohne eine gesetzliche Änderung in beliebiger Form geschlossen werden.
Besonderheiten bestehen allerdings dort, wo das Gesetz Formvorschriften an besondere Inhalte knüpft: So ist für eine Befristung gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG die Einhaltung der Schriftform zwingende Voraussetzung für eine wirksame Vereinbarung. Als Befristung wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters angesehen. Da diese in nahezu allen Arbeitsverträgen enthalten ist, gilt somit faktisch für den Vertrag ein Schriftformgebot. Anderenfalls ist die Altersbefristung unwirksam und das Arbeitsverhältnis besteht unbegrenzt fort. Auch die Ersetzung der Schriftform durch eine elektronische Form nach § 126a BGB ist selbst bei Nutzung einer qualifizierten Signatur keinesfalls zu empfehlen. Zum einen fehlt bisher (höchstrichterliche) Rechtsprechung, ob diese hier überhaupt zulässig ist. Zum anderen ist jedenfalls klar, dass eine qualifizierte elektronische Signatur auf Seiten der Arbeitgeber und des Arbeitnehmers verwendet werden muss (so zuletzt ArbG Berlin, Urteil vom 28.09.2021 – 36 Ca 15296/20). Die Verwendung einer solchen Signatur auf Seiten der Mitarbeiter dürfte aber praktischen Schwierigkeiten begegnen, sodass es faktisch bei der Schriftform nach § 126 BGB und damit bei händisch unterzeichneten Blättern Papier bleibt.
Auch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist lediglich schriftlich möglich.
II. Verpflichtungen aus dem NachwG
Die jetzt – voraussichtlich – kommenden gesetzlichen Änderungen betreffen nicht den Arbeitsvertrag selbst, sondern ausschließlich das Nachweisgesetz, welches – im Grundsatz vom Arbeitsvertrag unabhängig – den Nachweis von Rechten und Pflichten des Arbeitsverhältnisses fordert.
Es muss zwischen dem Arbeitsvertrag (und den entsprechenden Formvorschriften) und dem Nachweis nach dem Nachweisgesetz differenziert werden: Der Arbeitsvertrag begründet Rechte und Pflichten, während der Nachweis nach dem Nachweisgesetz lediglich auf diese bestehenden Rechte und Pflichten verweist. Aus diesem Grund kann der Nachweis auch einseitig vom Arbeitgeber ausgestellt werden und bedarf keiner Zustimmung durch den Arbeitnehmer.
Alternativ zu einem separaten Nachweis können sämtliche erforderliche Informationen auch in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden und damit der Arbeitsvertrag und der Nachweis kombiniert werden.
Das Schriftformgebot bei dessen Verletzung seit 2022 gemäß § 4 NachwG Bußgelder bis zu 2.000,00 EUR drohen, gilt allein für den Nachweis. Im Falle einer Trennung von Arbeitsvertrag und Nachweis ergeben sich mithin keinerlei Formvorschriften bzgl. des Arbeitsvertrages aus dem Nachweisgesetz – der Vertrag, der die Ansprüche begründet, kann bereits jetzt formlos geschlossen werden. Lediglich wenn die Nachweise bereits im Arbeitsvertrag enthalten sind und somit kein eigenständiger Nachweis erfolgen muss, galt bisher die Schriftform des Nachweisgesetzes faktisch auch für den Arbeitsvertrag.
Nur hieran knüpft die geplante Neuregelung an und lässt die Erbringung des Nachweises in Textform, das heißt in lesbarer Form auf einem dauerhaften Datenträger genügen.
III. Die geplanten Änderungen und praktische Auswirkungen
Aufgrund der Trennung von Nachweis und Arbeitsvertrag sind die praktischen Auswirkungen äußerst gering und die Erleichterung für die Praxis überschaubar.
1. Auswirkungen für die Praxis
Sofern Arbeitsverträge eine Beendigung mit Erreichen des Renteneintrittsalters beinhalten, ist weiterhin die Schriftform einzuhalten. Der Arbeitsvertrag kann in allen genannten Fällen weiterhin nicht digital, nicht einmal mit einer qualifiziert elektronischen Signatur geschlossen werden.
Ob und wann der Gesetzgeber hier reagiert und damit die echte Digitalisierung von Arbeitsverträgen ermöglicht, bleibt abzuwarten. Die Schriftform müsste auch für Befristungen, jedenfalls aber für Befristungen auf die Regelaltersgrenze, beseitigt werden.
Zudem bedarf es im Gesetzgebungsprozess noch weiterer Klärung, welche Anforderungen an einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis gestellt werden. Insbesondere ist fraglich, ob eine einfache E-Mail des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer diesen Anforderungen genügt.
2. Weitere praktische Fragen und Ausblick
Zudem haben die parlamentarischen Beratungen des geplanten Gesetzes noch nicht begonnen. Weitere Änderungen des Gesetzes sind mithin im weiteren Verfahren noch denkbar. Wann das Gesetz in Kraft treten wird, ist ebenfalls noch offen. Mit einer Abschaffung der gesetzlichen Schriftform für (Alters-)Befristungen ist dabei nicht zu rechnen. Es wird also auch weiterhin schriftlicher und eigenhändig unterzeichneter Arbeitsverträge bedürfen.
Update 18.06.2024
Am 19. Juni 2024 befasst sich das Bundeskabinett mit der Umsetzung der Änderungen. Folgende Änderungen sind geplant:
- Änderung von § 2 NachwG mit Zulässigkeit der Textform.
- Änderung von § 12 Abs. 1 AÜG für Verträge zwischen Verleiher und Entleiher und Ersetzung der Schriftform durch Textform.
- Ergänzung von § 41 SGB VI und Zulässigkeit der Textform für Vereinbarung, die Ende des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht.
Wenn diese Änderungen umgesetzt werden, wird die Möglichkeit, Arbeitsverträge in digitaler Form zu schließen außerhalb von Befristungen und nachvertraglichen Wettbewerbsverboten umfassend ermöglicht.