Beim Einsatz von selbstständigen Lehrkräften auf Honorarbasis in Musikschulen, Volkshochschulen und anderen Bildungseinrichtungen, kann vorübergehend durchgeatmet werden. Der Gesetzgeber ist Bildungseinrichtungen zur Seite gesprungen und hat Rechtsklarheit geschaffen, die das Risiko der Scheinselbständigkeit jedenfalls vorübergehend beherrschbar macht. Allerdings sind wichtige Anpassungen (Stichwort „Zustimmung“ der Honorarkräfte) durchzuführen, und der „Freifahrtschein“ ist inhaltlich und zeitlich begrenzt.
Man kann das Gesetz durchaus als „Kätzchen im Schafspelz“ bezeichnen, wurden die Änderungen doch dem „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“ beigemischt. Etabliert hatte sich zuvor eine Praxis, in der vorhandener Lehrbedarf vielfach durch selbstständige Lehrkräfte gedeckt wurde. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit arbeiteten Stand Juni 2024 fast 2/5 aller Lehrkräfte im Bereich der außerschulischen Bildung auf einer solchen selbstständigen Basis (Bundesagentur für Arbeit, Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker Juni 2024, Kap. 2.8, S. 2 ).
Im Einzelnen:
Bundessozialgericht (BSG): Honorar-Lehrkräfte können abhängig beschäftigt sein („Herrenberg“)
Einen Einschnitt fand die nicht unumstrittene Praxis der Beschäftigung von Honorarkräften im „Herrenberg-Urteil“ (Bundessozialgericht, Urteil v. 28. Juni 2022 – B 12 R 3/20 R). Nach einer dezidierten Prüfung des Sachverhalts kam das BSG zu der Entscheidung, dass die Lehrkraft in dem konkreten Einzelfall, entgegen des klägerischen Vortrags, nicht selbstständig, sondern abhängig bei der städtischen Musikschule beschäftigt war. Das BSG entwickelte damit die bestehende Rechtsprechung zur Statusfeststellung fort und hielt in diesem Zusammenhang eine Schärfung des Kriteriums der betrieblichen Eingliederung für notwendig. Infolge der Rechtsprechung des BSG änderte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) ihre allgemein geltenden Beurteilungsmaßstäbe zur Feststellung des Erwerbsstatus von Lehrkräften mit Wirkung zum 1. Juli 2023. Bildungseinrichtungen, die zuvor den Lehrbetrieb mit scheinbar selbstständigen Lehrkräften aufrecht hielten, wurden vermehrt mit den empfindlichen Folgen einer fehlerhaften Statusfeststellung konfrontiert: Neben der künftigen Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags für die tatsächlich abhängig Beschäftigten, folgten auch Nachzahlungen für zumindest vier Jahre. Daneben kamen je nach Fallgestaltung auch steuer- und strafrechtliche Konsequenzen hinzu.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sah sich aufgrund der Änderungen der DRV und der sich daraus abzeichnenden Auswirkungen und Unsicherheiten in der Bildungs- und Kulturbranche gezwungen, gegenzusteuern und initiierte einen Austausch von Bildungsverbänden und Sozialpartnern. In der Meldung des BMAS vom 31. Januar 2025 wird dazu ausgeführt, dass „[der] Austausch ergeben [habe], dass Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte aufgrund der unterschiedlichen Organisationsmodelle beim Einsatz von selbstständigen Lehrkräften eine Übergangszeit brauchen, um sich auf die geltenden Beurteilungsmaßstäbe einzustellen.“
Gesetzgeberische Neuregelung im SGB IV zum Schutz des Bildungssektors
Dem Bedürfnis nach einer Übergangsregelung zur Feststellung des Erwerbsstatus im Bildungssektor, folgte das BMAS umgehend. Das dürfte auch dem nicht unerheblichen Eigeninteresse des Bundes an der Aufrechterhaltung der Beschäftigung von Selbstständigen in entsprechenden Einrichtungen der Musik- und Erwachsenenbildung geschuldet sein. Vom Bundestag am 30. Januar 2025 beschlossen und vom Bundesrat am 14. Februar 2025 nach Art. 104a GG zugestimmt, versteckt sich hinter dem sperrigen und inhaltlich sachfremden Titel „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“ eine wichtige Ergänzung des SGB IV. In Kraft tritt das Gesetz nach Art. 7 Abs. 1 des Änderungsgesetzes am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Konkret wird das SGB IV um den § 127 SGB IV ergänzt. Dazu im Einzelnen:
- Nach § 127 Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. gilt im Falle der Feststellung einer abhängigen Beschäftigung (§ 7 SGB IV) durch einen Versicherungsträger, dass die Versicherungspflicht der entsprechenden Lehrkraft erst nach dem 31. Dezember 2026 eintritt. Dies gilt aber nur, wenn (1.) die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und (2.) die Person, die die Lehrtätigkeit ausübt, zustimmt.
- Nach Abs. 1 S. 2 tritt eine Versicherungs- und Beitragspflicht auch dann erst zum 1. Januar 2027 ein, wenn zwar keine Feststellung des Erwerbsstatus durch einen Versicherungsträger vorliegt, die Voraussetzungen des § 127 Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. aber dennoch erfüllt sind.
Neben den zentralen Vorschriften in § 127 Abs. 1 SGB IV n.F. hat der Gesetzgeber auch korrelierende Fragen zur Beschäftigung von selbstständigen Lehrkräften mitgeregelt:
- Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, gelten die betroffenen Personen im Übergangszeitraum als selbstständig tätige Lehrkräfte im Sinne des § 2 Nr. 1 SGB VI und sind damit rentenversicherungspflichtig (§ 127 Abs. 2 SGB IV n.F.).
- Soweit eine betroffene Lehrkraft in der Vergangenheit in der Annahme, eine selbstständige Tätigkeit nach § 2 Nr. 1 SGB VI auszuüben, Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entsprechend der für selbstständige Lehrer anwendbaren Vorschriften gezahlt hat, gelten diese nach § 127 Abs. 3 SGB IV als zu Recht entrichtet.
- Bestand bis zum Inkrafttreten der Neuregelung ein Versicherungspflichtverhältnis nach dem SGB III, so bleibt dieses nach § 127 Abs. 4 SGB IV n.F. auch während des Übergangszeitraumes bis zum 01. Januar 2027 bestehen.
- Zuletzt hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung festgestellt hat, dass bei Lehrtätigkeiten, die die Voraussetzungen des § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) erfüllen, auch diese bis zum 01. Januar 2027 der selbstständigen Künstlersozialversicherung unterliegen.
Die Neuregelung ist vor allem auf das Risiko für betroffene Unternehmen, erheblichen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen ausgesetzt zu sein, zurückzuführen. Diese würden gerade Träger von Bildungseinrichtungen vor eine erhebliche wirtschaftliche Belastung stellen. Im Gesetzesbeschluss wird von „Existenzbedrohungen“ gesprochen. Aufgrund der gesamtgesellschaftlich herausragenden Stellung der Bildung sei eine Ausnahme der sonst zwingenden Nachforderung nach dem gesetzgeberischen Willen zulässig. Damit kommt Bildungseinrichtungen nun eine im Sozialversicherungsrecht einmalige Sonderregelung zugute.
Nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat berücksichtigt die Regelung, neben der für Unternehmen positiven Wirkung, auch in ausreichender Art und Weise die Rechte der betroffenen Lehrkräfte. Die Übergangsregelung – so in der Gesetzesbegründung ausgeführt – kommt nur dann zum Tragen, wenn die entsprechende Lehrkraft der aufgeschobenen Versicherungspflicht zustimmt.
Auswirkungen
Auch wenn die Gesetzesergänzung bei Bildungseinrichtungen zunächst einmal für Erleichterung sorgt, der Gesetzeswortlaut macht deutlich: Die Annahme, die Neuregelung sei ein Freifahrtschein um auch in Zukunft Honorar-Lehrkräfte trotz betrieblicher Eingliederung auf selbstständiger Basis zu beschäftigen, ist falsch. Ausdrücklich ordnet § 127 Abs. 1 S. 1 SGB IV an, dass bloß die Versicherungspflicht erst ab dem 1. Januar 2027 eintritt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass auch künftig von Versicherungsträgern die Vertragsverhältnisse, sowie die Durchführung dieser im Hinblick auf etwaige Betriebseingliederung und bestehende Weisungsrechte überprüft werden. Zu beachten sind dabei trotz der Neuregelung weiterhin die verschärften Beurteilungsmaßstäbe der DRV, die seit 1. Juli 2023 gelten. Positiv hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Regelung in § 127 SGB IV unabhängig von der Rechtsform der Bildungseinrichtung gilt.
Entscheidend ist mit Blick auf die neue Regelung das Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers. Bildungsträger sollten beim Abschluss von neuen Verträgen (auf Basis einer selbstständigen Beschäftigung) strikt darauf achten, dass sie die Zustimmung der Lehrkraft zum Tätigwerden auf selbstständiger Basis erhalten. Für Unternehmen bietet es sich daher an, eine Erklärung der Lehrkraft einzufordern, die eine solche Zustimmung dokumentiert. Dies gilt selbstverständlich auch für bereits unter Vertrag stehende Lehrkräfte. Aus der Erklärung der Lehrkraft sollte dabei unbedingt deutlich werden, dass die Zustimmung aufgrund des neu eingefügten § 127 SGB IV erfolgt. Abstand sollten Unternehmen davon nehmen, von einer stillschweigenden Zustimmung auszugehen. § 127 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB IV unterscheidet deutlich zwischen dem Willen der Vertragsparteien bei Vertragsabschluss (Nr. 1) und der Zustimmung der Lehrkraft (Nr. 2)! Aus diesen Gründen und um der Darlegungslast des Arbeitgebers nachkommen zu können, sollte die Zustimmung der Lehrkraft daher in Schriftform erfolgen.
Kann das Unternehmen eine Zustimmung der lehrenden Person nach § 127 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV – gleich aus welchem Grund – nicht nachweisen, greifen die Regelungen des § 127 SGB IV n.F. nicht! Die Versicherungspflicht für Personen, die eine abhängige Lehrtätigkeit ausführen, tritt damit nicht erst ab dem 1. Januar 2027, sondern in vollem Umfang sofort ein.
Keine Regelung wurde hinsichtlich solcher Fälle getroffen, die seit Juli 2023 bis zur Geltung der Neuregelung von der DRV überprüft und anschließend dem Status einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV unterworfen wurden. Die bereits eingetretene Versicherungspflicht für die festgestellt abhängig beschäftigten Lehrkräfte wird von § 127 SGB IV also nicht aufgehoben: Wurde der Status als abhängig Beschäftigter (§ 7 SGB IV) bereits durch einen Versicherungsträger festgestellt, so wird dies nicht durch die Regelung rückgängig gemacht. Arbeitgeber haben daher in diesen Fällen weiterhin alle Leistungen zu erbringen, die bei einer abhängigen Beschäftigung gelten. Auch entsprechende Nachzahlungen haben die Arbeitgeber in solchen Fällen (vorerst) weiter zu tragen.
Ausblick
Die neue Regelung bewirkt damit nur vorübergehende Rechtssicherheit. Die Regelung ist befristet und läuft am 31. Dezember 2026 aus. Stand jetzt tritt damit ab 01. Januar 2027 für abhängig beschäftigte Honorar-Lehrkräfte die Sozialversicherungspflicht ein. Wie in der Gesetzesbegründung bereits vorgesehen, soll die Zeit bis zum 31. Dezember 2026 genutzt werden, damit der Gesetzgeber mit ausreichend Vorlauf eine, für Rechtssicherheit bei Honorar-Lehrkräften sorgende, Lösung schaffen kann. Auch der Bundesrat bittet um die schnellstmögliche Erarbeitung einer Regelung, die eine statusrechtlich abgesicherte Beschäftigung von Lehrkräften ermöglicht. Dabei sei es notwendig, die Bedürfnisse der Praxis zu berücksichtigen und auch die arbeitsrechtlichen Schutzstandards der Lehrkräfte zu gewährleisten.
Unternehmen, die auf Basis von Honorar-Vereinbarungen beschäftigen, sollten sich also davor hüten, die neue Gesetzeslage zu nutzen, um jeglichen Aktionismus einzustellen. Eine genaue Kontrolle bestehender Organisations- und Vertragssysteme und der tatsächlichen Ausführung dieser Verträge, sollte gerade jetzt vorgenommen werden. So kann unter dem neuen Schutzschirm des Gesetzgebers schon heute ein System entwickelt werden, welches den wie auch immer gearteten Regelungen ab 2027 vorgreift und etwaige Risiken im Hinblick auf eine statusrechtliche Falschbewertung und ihre Folgen vermeidet.
In der bereits erwähnten Entschließung des Bundesrates hat dieser ebenfalls die Bundesregierung darum gebeten, eine weitere Übergangsregelung zu schaffen. So soll der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, um Nachzahlungen für den Zeitraum zwischen der Urteilsverkündung des „Herrenberg-Urteils“ und der Neuregelung des § 127 SGB IV n.F. zu vermeiden. Ob eine solche Regelung kommt, steht also noch nicht fest. Bis dahin gilt das bereits Gesagte!
Zusammenfassung
Auch wenn durch die Ergänzung des § 127 SGB IV für Träger von Bildungseinrichtungen erst einmal Ruhe einkehrt, ist das letzte Wort bei der Beschäftigung von Honorar-Lehrkräften noch nicht gesprochen. Zwar ist die Beschäftigung von selbstständigen Lehrkräften bis Ende 2026 auch ohne eine Versicherungspflicht möglich. Es bleibt aber abzuwarten, ob eine solche Regelung auch dauerhaft Eingang in das Gesetz findet. Möglich ist es, ausruhen sollten sich betroffene Unternehmen darauf aber nicht. Die gesetzgeberisch klargestellte Chance zur Überarbeitung bestehender Organisationsmodelle in entsprechenden Bildungseinrichtungen sollte daher von diesen ernstgenommen werden. Zudem sollten Bildungseinrichtungen die schriftliche Zustimmung der Lehrkräfte einholen, um, falls notwendig, die Einhaltung des § 127 SGB IV gegenüber der DRV oder vor Gerichten nachweisen zu können. Nur so kann eine rechtskonforme Zusammenarbeit in Bildungseinrichtungen bis und nach dem 31. Dezember 2026 gewährleistet werden.