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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Hinweisgeberschutzgesetz – Überblick und praktische Umsetzung

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Die Umsetzung der Vorgaben der EU zu einem Hinweisgeberschutz in Deutschland ist endgültig abgeschlossen. Durch die EU Whistleblower Richtlinie 2019/1937 vom 23.10.2019 (WBRL) und die Umsetzung in nationales Recht der Unionsmitgliedstaaten sollte sowohl auf Unionsebene als auch auf nationaler Ebene ein ausgewogener und effizienter Hinweisgeberschutz geschaffen werden. Bereits im Juli 2022 hatte das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf für das neue Gesetz beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt lief bereits das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, da diese die Frist zur Umsetzung der Richtlinie am 17. Dezember 2021 schon lange hatte verstreichen lassen. Im Dezember 2022 wurde der Gesetzentwurf im Bundestag in 2. und 3. Lesung verabschiedet, scheiterte aber dann im Februar 2023 an der Zustimmung des Bundesrats. Um dennoch eine zügige Umsetzung zu ermöglichen, hatte die Bundesregierung am 14. März 2023 das Gesetzesvorhaben in zwei Gesetzentwürfe aufgespalten, von denen nach ihrer Auffassung nur einer im Bundesrat zustimmungspflichtig gewesen wäre. Das Thema wurde Ende März kurzfristig von der Tagesordnung genommen und doch der Vermittlungsausschuss angerufen. Nachdem Bund und Länder sich auf einen Kompromiss einigen konnten, verabschiedete der Bundestag am 11. Mai 2023 den geänderten Entwurf. Am 12. Mai 2023 stimmte auch der Bundesrat dem Gesetz zu. Der nun erreichte Kompromiss ersetzt die zwei bisherigen Gesetzentwürfe. 

Umfasste Verstöße und geschützter Personenkreis 

Das Hinweisgeberschutzgesetz zielt auf eine möglichst umfangreiche Aufdeckung verschiedenster Verstöße ab und geht dabei über die WBRL hinaus. Dazu zählen neben Straftaten auch bußgeldbewerte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Das sind bspw. Arbeitsschutz- und Gesundheitsschutzvorschriften, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz und Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Wie in der WBRL vorgesehen, werden darüber hinausgehend Verstöße gegen verschiedene Rechtsakte der EU erfasst, wie unter anderem die Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche sowie die Regelungen zum Umwelt-,Tier-, Verbraucher- oder Datenschutz. 

Informationen über Verstöße fallen nur noch in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, beziehen.

Einrichtung von Meldestellen

Die umfangreichste Aufgabe für „Beschäftigungsgeber“ wird künftig die Einrichtung und das Betreiben von internen Meldestellen sein. Diese erstreckt sich neben Beschäftigungsgebern mit in der Regel mehr als 50 Beschäftigten auch generell auf Beschäftigungsgeber spezieller Bereiche wie etwa Kapitalverwaltungsgesellschaften. Hinweisgebende Personen entscheiden zwar weiterhin selbst, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden. Sie sollten aber laut dem Gesetzeswortlaut in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen. Interne Meldestellen müssen dabei für die Beschäftigten klare und leicht zugängliche Informationen über externe Meldeverfahren und einschlägige Meldeverfahren von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union bereithalten.

Während für Beschäftigungsgeber mit 50-249 Beschäftigten die gesetzliche Verpflichtung zur Einführung einer internen Meldestelle laut Entwurf erst zum Dezember 2023 Wirkung entfalten soll, besteht die Pflicht für Beschäftigungsgeber mit mehr als 249 Beschäftigten bereits ab Inkrafttreten des Gesetzes, was voraussichtlich Mitte Juni 2023 der Fall sein wird.

Organisationsstruktur von Meldestellen

Bund und Länder einigten sich darauf, dass das Gesetz auf die Pflicht anonyme Meldungen entgegenzunehmen, verzichtet. Dies gilt sowohl für interne als auch für externe Meldestellen. Es wird lediglich vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollen

Mit den Aufgaben der internen Meldestellen kann entweder eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende unabhängige Arbeitseinheit oder ein Dritter (z.B. Anbieter eines digitalen Hinweisgebersystems) betraut werden. Die Meldekanäle sind dabei so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die dabei unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben. Außerdem müssen die Meldekanäle Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen, d.h. auch per Telefon oder anderer Sprachübermittlung. Die Meldestellen haben dabei die Identität hinweisgebender Personen, betroffener Personen, sowie sonstiger in der Meldung genannte Personen zu wahren. 

Empfohlener Ablauf des Meldeverfahrens

Beschäftigungsgebende müssen dafür sorgen, dass die beauftragten Personen über die „notwendige Fachkunde“ verfügen. Die jeweilige Person muss also zumindest genau über die Arbeitsabläufe und Pflichten einer Meldestelle informiert sein, wobei nicht erwartet werden kann, dass sie über vertiefte Rechtskenntnisse in sämtlichen Vorschriften, deren Verstöße gemeldet werden können, verfügt. Ratsam ist aber zumindest eine ausreichende Fachkunde im Arbeitsfeld des Unternehmens. Bei internen Meldestellen eines Lebensmittelherstellers dürften etwa auch Kenntnisse im Lebensmittelrecht zur nötigen Fachkunde zählen. Kenntnisse zum gesetzlich geforderten Arbeitsschutz können hingegen von Meldestellen sämtlicher Beschäftigungsgeber erwartet werden. Um diese Fachkunde nachzuweisen, ist es zu empfehlen, die Meldestelle von einer entsprechend spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei betreiben zu lassen, oder aber die mit dieser Aufgabe betrauten Beschäftigen von einer solchen entsprechend und regelmäßig schulen zu lassen.

Geht eine Meldung ein, hat die Meldestelle sieben Tage Zeit, um den Eingang der Meldung zu bestätigen. Im nächsten Schritt sollte die Meldestelle zunächst eine Stichhaltigkeitsprüfung der eingegangenen Meldung durchführen und prüfen, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich fällt. Wenn notwendig, hält die Meldestelle mit der hinweisgebenden Person Kontakt und ersucht diese erforderlichenfalls um weitere Informationen. Bestehen Anhaltspunkte und/oder Beweise für den Verstoß, können interne Ermittlungen durchgeführt und betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktiert werden. Dazu können unter anderem Personen mit der Ermittlung beauftragt, Unterlagen durchsucht oder Videoaufzeichnungen eingerichtet werden. Alternativ kann die hinweisgebende Person an die zuständige Stelle verwiesen oder das Verfahren an eine besondere für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit oder eine zuständige Behörde abgegeben werden. Mit oder von der Geschäftsführung werden die notwendigen Folgemaßnahmen getroffen und es erfolgt die Rückmeldung an die hinweisgebende Person innerhalb der dreimonatigen Frist. 

Die Folgemaßnahmen dürfen dabei nicht zu Lasten der Hinweisgeber gehen. Dies wird garantiert durch das im Gesetzesentwurf vorgesehene Verbot von Repressalien gegenüber der hinweisgebenden Person. Ihr Schutz wird neben dem Vertraulichkeitsgebot durch eine Beweislastumkehr gestärkt. Der Gesetzentwurf sah bislang bereits eine Beweislastumkehr vor, wenn die hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erleidet. Dabei bleibt es auch im nun verabschiedeten Gesetz. Die Vermutung, dass die Benachteiligung eine Repressalie für den Hinweis ist, soll aber nur dann bestehen, wenn die hinweisgebende Person dies auch selbst geltend macht.  Aufgrund dieser Beweislastumkehr muss dann der Beschäftigungsgeber beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert bzw. nicht wegen des Hinweises erfolgt ist. Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot kann die hinweisgebende Person Schadensersatz verlangen.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beachten 

Bei der Einführung von Hinweisgeberschutzsystemen sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten. Werden bestehende arbeitsvertragliche Hinweispflichten ausgedehnt und Regelungen bezüglich des konkreten Meldeverfahrens eingeführt, dann ist das Ordnungsverhalten betroffen und der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beteiligen. Zudem können Hinweisgebersysteme objektiv geeignet sein, Mitarbeitende zu überwachen, wenn Meldungen über das Leistungsverhalten anderer Mitarbeitenden eingehen können, was wiederum den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, Verhaltens- und Leistungskontrolle durch technische Einrichtungen betreffen würde. 

Was können wir für Sie tun? Wir unterstützen bei der Einführung und dem Betrieb von Hinweisgebersystemen. Wir haben Kooperationen mit Anbietern von digitalen Hinweisgebersystemen und richten für Sie eine interne Meldestelle ein. Wir bieten am 14. Juni 2023 ab 10.00 Uhr eine dreistündige Schulung für Case-Manager und andere Verantwortliche von Unternehmen an, in der die erforderliche Sachkunde des HinSchG vermittelt wird. Gerne führen wir auch Inhouse Schulungen durch. Die Schulungsteilnehmer erhalten ein Zertifikat. Wir begleiten den Prozess der Einführung des Hinweisgebersystems auch mitbestimmungs- und datenschutzrechtlich und stellen Ihnen die notwendigen Dokumente zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an! Keilich@pwwl.de

Dr. Jochen Keilich, LL.M. (Exeter)

Dr. Jochen Keilich ist spezialisiert auf Umstrukturierungen, Personalabbaumaßnahmen, HR Compliance, Betriebsübergänge sowie Verhandlungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften.

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