Das BAG hat mit
Beschluss vom 23. Mai 2018 entschieden, dass der Konzernbetriebsrat vom
Vertragsarbeitgeber seines Mitglieds dessen generelle (Teil-)Freistellung bei
Erforderlichkeit verlangen kann. Damit hat das BAG die Reichweite des
Freistellungsanspruchs aus § 37 Abs. 2 BetrVG dahingehend erweitert,
dass bei entsprechender Erforderlichkeit nicht nur anlassbezogene, sondern auch
generelle Freistellungen beansprucht werden können. Interessant wird der
entschiedene Fall aber vor allem aufgrund des Umstands, dass das
Konzernbetriebsratsmitglied, das der Konzernbetriebsrat gerne freistellen
lassen wollte, bereits aufgrund seines parallel ausgeübten Amtes als
Vorsitzender des örtlichen Betriebsrats seines Vertragsarbeitgebers zu 100% von
der Arbeitsleistung freigestellt war. Eine mehr als 100%ige Freistellung ist
naturgemäß nicht möglich. Das BAG hatte sich daher mit der Frage zu befassen,
wie mit konkurrierenden Freistellungsansprüchen umzugehen ist, die sich aus der
Mitgliedschaft in verschiedenen Betriebsratsgremien ergeben.
Die generelle
Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist in § 38 BetrVG geregelt. Diese
Regelung gilt jedoch weder für den Gesamtbetriebsrat, noch für den
Konzernbetriebsrat. Das BAG hat in seiner Entscheidung allerdings
klargestellt, dass es auf eine Anwendung des § 38 BetrVG auch nicht
entscheidend ankommt, da eine pauschale Freistellung auch aus § 37 Abs.
2 BetrVG geltend gemacht werden kann. Danach sind Mitglieder des Betriebsrats
von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen, wenn und soweit es nach Umfang
und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben
erforderlich ist. Da § 37 Abs. 2 BetrVG gemäß der
jeweiligen Verweisungsnormen auch für den Gesamt- und Konzernbetriebsat gilt,
können auch diese Gremien eine entsprechende Freistellung ihrer Mitglieder
geltend machen.
Im vom BAG
entschiedenen Fall ist der betroffene Arbeitnehmer sowohl Vorsitzender des örtlichen
Betriebsrats seines Vertragsarbeitgebers, als auch des im Konzern gebildeten
Konzernbetriebsrats. Seine ursprüngliche Freistellung zu 100% zugunsten der
Tätigkeit im örtlichen Betriebsrat gab der Arbeitnehmer im Mai 2016 zu 50% zurück,
um gemäß eines entsprechenden Beschlusses des Konzernbetriebsrats zu 50% für
Konzernbetriebsratsaufgaben von der Erbringung seiner Arbeitsleistung
freigestellt zu werden. Der Vertragsarbeitgeber lehnte es jedoch ab, den
Arbeitnehmer für die Wahrnehmung von Aufgaben als
Konzernbetriebsratsvorsitzender zu 50% freizustellen. Der Konzernbetriebsrat
ersuchte daraufhin die Arbeitsgerichte um Rechtsschutz, um die Teilfreistellung
durchzusetzen.
Das BAG gab dem
Konzernbetriebsrat dem Grunde nach Recht. Ihm ist ein eigener Anspruch auf ständige Freistellungen seiner Mitglieder
nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 BetrVG zuzugestehen, auch wenn ein solcher
Anspruch zu Abgrenzungs- und Konkurrenzproblemen mit den örtlichen
Betriebsräten führen kann. Allerdings konnte der Konzernbetriebsrat unter
mehreren rechtlichen Gesichtspunkten die 50%ige Freistellung seines
Vorsitzenden nicht bereits durch eine eigene Freistellungsentscheidung rechtswirksam
herbeiführen. Zum einen hat der Arbeitgeber die Freistellung vorzunehmen und
nicht das Betriebsratsgremium selbst. Zwar begründet die Wahl des jeweiligen
Gremiums, welche Mitglieder freigestellt werden sollen, eine entsprechende
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vornahme der Freistellung. Im Fall von
Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsgremium ist
jedoch ein arbeitsgerichtliches Verfahren über die Erforderlichkeit der
Freistellung zu führen, die Freistellungsentscheidung des Betriebsratsgremiums
entfaltet dann keine eigene Rechtswirkung.
Zum anderen kann der
Konzernbetriebsrat durch eine Freistellungsentscheidung nicht Einfluss auf die
Arbeitsorganisation und Aufgabenverteilung im örtlichen Betriebsrat nehmen.
Umgekehrt gilt dies ebenso. Dementsprechend muss das jeweilige Gremium bei
seiner Freistellungsentscheidung etwaige schon vorhandene Freistellungen seiner
Mitglieder in anderen Gremien berücksichtigen. Besteht für ein Mitglied schon
eine Freistellung im Umfang von 100%, kann ein anderes Gremium diese nicht
wirksam außer Kraft setzen oder ebenfalls eine Freistellung dieses Mitglieds
beschließen. Liegt noch keine vollständige Freistellung eines Mitglieds vor,
kann der Konzernbetriebsrat die pauschale (Teil-)freistellung nach §§ 59 Abs. 1, 37
Abs. 2 BetrVG verlangen, sofern er die Freistellung für erforderlich halten
darf.
Ob diese
Erforderlichkeit im entschiedenen Fall vorlag, konnte das BAG mangels
entsprechender Tatsachenfeststellungen in den Vorinstanzen nicht selbst entscheiden
und verwies daher den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück. Das BAG
stellte in seinem Beschluss jedoch einige abstrakte Rechtssätze auf, die bei
der Beurteilung der Erforderlichkeit zu berücksichtigen sind: Der
Konzernbetriebsrat muss insoweit eine Arbeitsbelastung des gesamten Gremiums
darlegen, die eine ständige (Teil-)Freistellung eines Mitglieds erforderlich
macht. Zudem muss er darlegen, dass die Arbeitszeit von bereits freigestellten
Mitgliedern nicht ausreicht, um die erforderlichen Konzernbetriebsratsaufgaben
ordnungsgemäß zu erfüllen und insbesondere auch eine nur anlassbezogene
Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG nicht ausreichend wäre. Der Vortrag des
Konzernbetriebsrats muss dabei einen solchen Detaillierungsgrad erreichen, dass
wenigstene eine Schätzung des Mindestumfangs der zeitlichen Belastung des
Gremiums möglich wird. Zudem hat das BAG dem Konzernbetriebsrat aufgegeben,
auch die Interessen der Vertragsarbeitgeberin seines Mitglieds und des
örtlichen Betriebsrats zu berücksichtigen. Auch dies soll Teil der
gerichtlichen Prüfung sein.
Das BAG
gibt damit den Konzern- und Gesamtbetriebsräten einen Leitfaden an die Hand,
der es ihnen ermöglicht, die Rechtslage im Hinblick auf Freistellungsansprüche
besser einzuschätzen. Konkurrenzsituationen zwischen verschiedenen Gremien
bedürfen der gegenseitigen Rücksichtnahme oder können – worauf auch das BAG
hinweist – seitens des örtlichen Betriebsrats durch Abberufung seines
Betriebsratsmitglieds aus dem Konzernbetriebsrat und Entsendung eines anderen,
nicht generell freigestellten Mitglieds, aufgelöst werden.