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Equal Pay bei Arbeitnehmerüberlassung? Nein, aber….

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BAG vom 31. Mai 2023; Pressemitteilung im Verfahren 5 AZR 143/19

Worum geht es?

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Lohndifferenz in Höhe von 1.296,72 €. Sie war bei der Beklagten als Leiharbeitnehmerin beschäftigt und an ein Unternehmen im Einzelhandel entliehen. Dort arbeitete sie für einen Stundenlohn von 9,23 €, während vergleichbare Stammarbeitnehmende 13,63 € pro Stunde erhielten. Die Klägerin argumentierte, dass das geltende Tarifwerk gegen Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL und der dort verankerten Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmenden verstoße. Die Beklagte meinte, dass das Unionsrecht nicht verletzt würde.

Ungleichbehandlung: ja – Ausgleich: ebenfalls ja!

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin hat vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Der Fünfte Senat hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt, um Klärung bezüglich des in der Richtlinie verlangten „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ (Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL) zu erhalten. Im Dezember 2022 entschied der EuGH, dass Leiharbeitnehmende nur dann schlechter bezahlt werden dürfen, wenn ein Ausgleich durch den Tarifvertrag erreicht wird.

Das BAG entschied nun, dass die Klägerin keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmende hat. Die Beklagte musste nur den (niedrigeren) Lohn aus dem geltenden Tarifwerk entrichten. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 2 S. 2 AÜG und § 10 Abs. 4 S. 1 AÜG aF. Das Tarifwerk verstößt – zusammen mit gesetzlichen Schutzvorschriften – nicht gegen Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL. Zwar ist die Klägerin durch den niedrigeren Stundenlohn schlechter gestellt als vergleichbare Stammarbeitnehmende. Das BAG stellt jedoch klar, dass Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL eine solche Schlechterstellung zulässt. Dies wird allerdings eingeschränkt durch die Vorgaben des EuGH: Eine Schlechterstellung ist nur zulässig, wenn durch Ausgleichsvorteile eine Neutralisierung der erlittenen Schlechterstellung erreicht wird. Nach dem EuGH kann eine solche Neutralisierung durch die Fortzahlung des Entgelts auch in verleihfreien Zeiten erreicht werden. Solche verleihfreie Zeiten sind in Deutschland gesetzlich vorgesehen und möglich und im streitgegenständlichen Tarifwerk auch vorgesehen. Als weiteres Argument wird angeführt, dass mit § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten auf den Verleiher abgewälzt wird, weil in Leiharbeitsverhältnissen der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 S. 1 BGB nicht abbedungen werden kann. Überdies kann durch einen Tarifvertrag nicht die staatlich festgesetzt Lohnuntergrenze (seit April 2023: 13 €/Stunde) und der gesetzliche Mindestlohn (seit Oktober 2022: 12 €/Stunde) unterschritten werden. Die letzte Einschränkung ist der zeitliche Aspekt: Eine Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz darf nur für die ersten neun Monate der Überlassung erfolgen (§ 8 Abs. 4 S. 1 AÜG). Damit haben Leiharbeitnehmende ausreichenden Ausgleich erfahren.

Die Klägerin hat in der entleihfreien Zeit ein entsprechendes Entgelt – also eine Neutralisierung durch Ausgleichsvorteile – erhalten und damit keinen Anspruch auf Zahlung der Lohndifferenz.

Fazit

Das BAG stellte in dem Urteil vom 18.01.2023 – 5 AZR 108/22 (https://pwwl.de/geringfuegig-beschaeftigte-sind-keine-arbeitnehmenden-ii-klasse-lohngleichheit-bei-teilzeit/) klar, dass geringfügig Beschäftigte keine Arbeitnehmenden 2. Klasse sind. Auf den ersten Blick etabliert das nunmehr ergangene Urteil eine solche Zweiklassengesellschaft für Leiharbeitnehmende. Doch aufgrund der Neutralisierungspflicht der Ungleichbehandlung sind auch Leiharbeitnehmende keine Arbeitnehmende 2. Klasse. Ob eine Fortzahlung in verleihfreien Zeiten eine schlechtere Bezahlung tatsächlich monetär neutralisiert, dürfte zwar vom Einzelfall abhängen. Der EuGH und das BAG stellen jedoch nicht allein auf den monetären Aspekt ab. Für den Ausgleich kommt es auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an.

Thomas Wahlig

Thomas Wahlig ist spezialisiert auf Unternehmenskäufe und –restrukturierungen, Betriebsübergangsrecht, Tarifrecht, komplexe Gerichtsverfahren sowie auf die Einführung von Arbeitszeitmodellen und Vergütungssystemen.

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