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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Die Änderungen zur Betriebsratsvergütung treten in Kraft 

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Die Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern haben am 5. Juli 2024 den Bundesrat passiert und werden nun nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Unzulänglichkeiten bei der bisherigen Rechtslage machten diese gesetzlichen Änderungen mehr als erforderlich. Hinzu kam eine erhebliche Verunsicherung aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) Anfang 2023 zur Frage der Untreue bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot. Änderungen der gesetzlichen Grundlagen waren also überfällig, aber sind sie ausreichend? 

Die bisherige Rechtslage 

Das Betriebsratsamt ist ein Ehrenamt, das nicht gesondert und extra vergütet werden darf. Vielmehr gilt das Entgeltausfallprinzip. Die Mitarbeitenden, die wegen der Betriebsratstätigkeit teilweise oder sogar insgesamt von ihrer Arbeit freigestellt sind, sollen das Entgelt erhalten, das sie erhalten würden, wenn sie normal weiterarbeiten würden. Hierfür sieht § 37 Abs. 4 BetrVG den Maßstab des Arbeitsentgelts vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung vor. Wie und wann diese Vergleichsgruppen zur Ermittlung der Betriebsratsvergütung gebildet werden müssen, war im Laufe der Jahre Gegenstand von diversen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG), durch die sich wesentliche Leitlinien herausgebildet hatten: 

  • Die Entgeltentwicklung eines Betriebsratsmitglieds darf während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung nicht zurückbleiben. 
  • Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise wie dieses fachlich und persönlich qualifiziert waren. 
  • Für die Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer ist auch dann der Zeitpunkt der Amtsübernahme maßgeblich, wenn das Betriebsratsmitglied zu einem späteren Zeitpunkt von der beruflichen Tätigkeit freigestellt wird. 
  • Maßstab sind nicht die „an sich“ vergleichbaren Arbeitnehmer, sondern solche „mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. In diesem Zusammenhang kann für ein (auch) künftiges Anpassungsverlangen nicht allein die berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer in der Vergangenheit maßgeblich sein. Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Der Geschehensablauf muss so typisch sein, dass zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. 
  • Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht. Dabei ist im Sinne eines Mindestschutzes keine Annahme über die individuelle berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds anzustellen.

Daneben bildete sich eine zweite und in der Praxis außerordentlich bedeutsame Möglichkeit der Bemessung der Betriebsratsvergütung heraus, nämlich die sogenannte hypothetische berufliche Entwicklung. Gemeint ist damit die Möglichkeit, freigestellte Betriebsratsmitglieder in der beruflichen Entwicklung nicht auf dem Stand der ersten Amtsübernahme “einzufrieren”, sondern auch Entwicklungsmöglichkeiten zu betrachten, die das Betriebsratsmitglied nicht wahrnehmen konnte aber hypothetisch ohne Betriebsratsamt wahrgenommen hätte. Maßstab ist dabei die Regelung in § 78 S. 2 BetrVG, wonach Betriebsratsmitglieder wegen der Wahrnehmung ihres Amtes weder begünstigt noch benachteiligt werden dürfen. Es würde aber eine Benachteiligung darstellen, wenn man hinsichtlich der Vergütung nicht auch hypothetische Laufbahnen mit Beförderungen der Betriebsratsmitglieder nachzeichnete. 

Unzulänglichkeiten der bisherigen Rechtslage 

Die bisherige Rechtslage bot vor allem deshalb Anlass zur Kritik, weil nicht klar war, wie weitgehend die Annahmen bei der hypothetischen Entwicklung von beruflichen Laufbahnen getroffen werden durften. Letztlich drohten den handelnden Personen auf Arbeitgeberseite weitreichende strafrechtliche Konsequenzen einer Untreue wegen Verstoßes gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot. Es gab immer wieder spektakuläre Entscheidungen der Strafgerichte, die das Risiko einer Strafbarkeit für die handelnden Personen auf Arbeitgeberseite in das Bewusstsein brachten. Zuletzt war dies die Entscheidung des BGH vom 10. Januar 2023 (6 StR 133722), mit der die Freisprüche von Personalverantwortlichen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen wurde. In dieser Entscheidung stellte der BGH maßgeblich darauf ab, dass keine individuelle hypothetische Ausnahmekarriere des Betriebsrats für die Bestimmung der Vergleichsperson herangezogen werden könne. Maßstäbe wie das „Bestehen einer unternehmenseigenen Managementprüfung“ oder das Verhandeln „auf Augenhöhe“ und die Einbindung in „unternehmerische Entscheidungskomplexe“ würden in unzulässigerweise an die Bewertung der Betriebsratstätigkeit als solche anknüpfen und keine Stütze im Betriebsverfassungsgesetz finden. Soweit das Landgericht einen Vorsatz der Untreue verneinte, konnte dem der BGH nicht folgen. Diese Entscheidung führte zu einer erheblichen Verunsicherung in der Praxis zum Nachteil der Betriebsräte, weil im weiteren Verlauf aufgrund drohender Strafbarkeiten Vergütungen von Betriebsratsmitgliedern sicherheitshalber eher zu niedrig bemessen wurden. 

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob es richtig sein kann, persönliche Entwicklungen eines Betriebsratsmitgliedes während der Betriebsratsamtes, die ggf. zu einer anderen beruflichen Entwicklung führen würden, auszublenden. Hat ein Betriebsratsmitglied beispielsweise Englisch gelernt, um sich mit den Ansprechpartnern im Ausland verständigen zu können, so musste dies bei einer hypothetischen Entwicklung außer Betracht bleiben. Hat das Betriebsratsmitglied aber Englisch in seiner Freizeit gelernt, konnte es wiederum berücksichtigt werden. Eine kaum hinnehmbare Rechtslage für die beteiligten Personen auf Arbeitgeber- und Betriebsratsseite. Lässt dies doch außer Acht, dass sich Mitarbeitende auch und gerade wegen der Wahrnehmung des Amtes weiterentwickeln können. Vorsitzende von Gremien, wie eben Betriebsräte, müssen über Führungsfähigkeiten verfügen und empfehlen sich daher aufgrund dieser Erfahrungen auch eher für die Position einer Führungskraft; dies selbstverständlich ohne Automatismus, also ohne gleich „den Marschallstab im Tornister“ zu haben, wie der BGH ablehnend feststellt. 

Was ändert sich im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)? 

Dem § 37 Abs. 4 BetrVG werden folgende klarstellende, zum Teil auch die oben aufgeführte Rechtsprechung wiedergebende Sätze angefügt: 

Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.

Dies gibt zunächst nur wieder, was nach der Rechtsprechung des BAG schon heute gilt: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer ist die erstmalige Übernahme des Betriebsratsamts des Betriebsratsmitglieds. Die hiermit in der Praxis häufig verbundenen Probleme, insbesondere die Bestimmung der Vergleichsgruppe bei langjährigen Betriebsratskarrieren mit später Freistellung, bleiben also bestehen. Neu ist, dass die Betriebsparteien das Verfahren zur Bestimmung der Vergleichspersonen und auch die konkrete Festlegung dieser Personen selbst einvernehmlich regeln können und eine entsprechende Vereinbarung der Betriebsparteien nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann. Dies erweitert den Spielraum der Betriebsparteien erheblich und reduziert zeitgleich Risiken der Personalverantwortlichen was einen (bewussten) Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot angeht. 

§ 78 BetrVG wird wie folgt ergänzt:

Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

In Reaktion auf die Ablehnung von hypothetischen Karrieren durch den BGH, wird in der Gesetzesbegründung hierzu ausgeführt, dass bei der Stellenbesetzung auch die durch und während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen Berücksichtigung finden sollen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. 

Fazit

Das Thema der richtigen Betriebsratsvergütung beschäftigt die betriebliche Praxis schon lange. Die Änderungen der beiden zentralen Vorschriften zur Betriebsratsvergütung sind überfällig. Zu begrüßen ist insbesondere die Möglichkeit der Betriebsparteien, eigene betriebliche Regelungen im Hinblick auf konkrete Vergleichsgruppen und abstrakte Vergleichskriterien zu erarbeiten. Wie genau jedoch Arbeitgeber die während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnissen im Einzelfall berücksichtigen dürfen, bleibt noch unklar. 

In der Praxis wird das Augenmerk nun auf der rechtmäßigen Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen liegen, die ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer vorsehen. Den Betriebsparteien ist zu empfehlen nur Kriterien zu berücksichtigen, die einen sachlichen Bezug haben. Vor zu großer Kreativität muss gewarnt werden! Das Risiko strafbarer Untreue dürfte also nicht ohne Weiteres gebannt sein, die Änderungen des § 37 Abs. 4 und 78 BetrVG sind aber ein Schritt in die richtige Richtung und aus diesem Grund zu begrüßen.

Dr. Jochen Keilich, LL.M. (Exeter)

Dr. Jochen Keilich ist spezialisiert auf Umstrukturierungen, Personalabbaumaßnahmen, HR Compliance, Betriebsübergänge sowie Verhandlungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften.

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