Am Sonntag ist Bundestagswahl. Nicht nur für uns ist Arbeitsrecht ein wichtiges Thema, auch für die Parteien im Wahlkampf. Welche arbeitsrechtlichen Veränderungen strebt die nächste Bundesregierung an? Wir haben die Wahlprogramme einem Arbeitsrechts-Check unterzogen…
Erhöhung des Mindestlohns
Eines der zentralen Themen für SPD und Bündnis 90/Die Grünen („Grünen“) ist die Erhöhung des Mindestlohns. Dieser soll auf 12 € pro Arbeitsstunde erhöht werden. Zuletzt wurde der Mindestlohn am 1. Juli 2021 erhöht und beträgt aktuell 9,60 €. In zwei weiteren – bereits beschlossenen Schritten – wird der Mindestlohn nach aktuellem Stand bis zum 1. Juli 2022 auf 10,45 € steigen.
Home-Office und mobiles Arbeiten reformieren
Auf das Thema Home-Office bzw. mobile Arbeit kommt nahezu jede Partei in ihrem Wahlprogramm zu sprechen. Die SPD hat diesbezüglich sehr konkrete Vorstellungen: Sie fordert einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit. Arbeitnehmer:innen mit einer 5-Tage-Woche sollen demnach mind. 24 Tage im Jahr von Zuhause oder mobil arbeiten dürfen. Auch die Grünen wollen einen Anspruch auf Arbeit im Home-Office einführen.
Demgegenüber lehnt die FDP einen derartigen gesetzlichen Anspruch ab. Vielmehr möchte sie, dass Arbeitgeber:innen zukünftig verpflichtet werden, einen Antrag auf Arbeit im Home-Office zu prüfen und diesen mit dem/r Arbeitnehmer:in zu erörtern. Zudem sollen die bisherigen gesetzlichen Vorgaben gelockert werden. Für das Home-Office soll dann nur noch das Arbeitsschutzgesetz statt der Arbeitsstättenverordnung gelten.
Jedenfalls sind die Parteien sich einig, dass der Gesetzgeber auf diesem Gebiet aktiv werden muss. Mobiles Arbeiten soll insgesamt gesetzlich besser ausgestaltet werden. Dies ist allerdings keine neue Erkenntnis. Das Arbeitsministerium drängte schon in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode auf ein „Recht auf Homeoffice“ – ohne Erfolg.
Änderungen im Befristungsrecht
Auch im Befristungsrecht gehen die Vorhaben der Parteien auseinander. Während die CDU Befristungen ohne Sachgrund für die Höchstdauer von zwei Jahren beibehalten und lediglich gegen den Missbrauch durch sog. Kettenbefristungen vorgehen will, sprechen die SPD und die Grünen sich für eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung aus. Demnach wäre eine Befristung – entgegen der jetzigen Rechtslage – dann nur noch mit Sachgrund möglich.
Ob eine solche Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sinnvoll ist und die damit verfolgten sozialpolitischen Ziele erreicht werden können, erscheint fraglich. Die sachgrundlose Befristung ist ein wichtiges Flexibilisierungsinstrument für Arbeitgeber, welches oft ganz unterschiedliche Hintergründe hat.
Stärkung tariflicher und betrieblicher Strukturen
CDU, SPD und Grüne sind sich in ihren Wahlprogrammen grundsätzlich einig, dass tarifliche und betriebliche Strukturen gestärkt werden sollen.
Die SPD kündigt an, die Mitbestimmung auf Unternehmen in ausländischen Rechtsformen zu erweitern und die gesetzlichen Schwellenwerte für die Mitbestimmung abzusenken. Die CDU sieht hingegen vor allem die Tarifparteien in der Verantwortung und möchte diesen einen möglichst großen Spielraum bei der Gestaltung von Arbeitsregelungen belassen.
Sowohl die CDU als auch die SPD sehen die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen als ein Instrument, um branchenweit die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wie die diesbezüglichen Veränderungen konkret ausgestaltet werden sollen, ergibt sich aus den Wahlprogrammen nicht.
Auf betrieblicher Ebene möchte die CDU die Möglichkeit von Online-Betriebsratswahlen schaffen, um die betriebliche Mitbestimmung zu stärken.
Minijobs und Midijobs
Auch im Hinblick auf Mini- und Midijobs streben die Parteien laut ihrer Wahlprogramme Änderungen an. Während die CDU die Minijob-Verdienstgrenze von 450 € auf 550 € anheben will, spricht sich die FDP dafür aus, die Mini- und Midijob-Verdienstgrenzen an die Entwicklung des Mindestlohns zu koppeln.
Die Grünen wollen Minijobs hingegen weitestgehend abschaffen und größtenteils in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überführen.
Reformation des Arbeitszeitgesetzes
Dass unser Arbeitszeitgesetz schon lange nicht mehr zeitgemäß ist, ist nicht erst seit dem EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung klar. Verständlich, dass die Parteien den Reformbedarf in ihre Wahlprogramme aufgenommen haben. Die Grünen sprechen sich für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit aus, d.h. mehr Mitsprache für Arbeitnehmer:innen hinsichtlich Lage, Umfang und Ort der Arbeit. Dies soll unter anderem eine Wahlarbeitszeit zwischen 30 und 40 Wochenstunden umfassen.
Neben einer Flexibilisierung wollen CDU und FDP statt der bisherigen täglichen in Zukunft auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit setzen.
Kompromisse bleiben abzuwarten
Die Wahlprogramme der Parteien bilden auch im Hinblick auf das Arbeitsrecht deren politische Grundhaltungen und Zielgruppen deutlich ab. Teilweise sind die angestrebten Veränderungen klar definiert. In vielen Bereichen wird zwar ein Handlungsbedarf erkannt, konkrete Ansätze werden allerdings nicht präsentiert.
Wichtige Themen, wie das Arbeitszeitrecht, stehen schon seit Jahren auf der politischen Agenda. Zu hoffen bleibt daher, dass die nächste Regierung zeitnah die erforderlichen Reformen umsetzen wird. Im Übrigen bleibt es wohl eine politische Frage, welche arbeitsrechtlichen Veränderungen wir in den nächsten Jahren erwarten dürfen.