Boni, deren Höhe von der Erreichung von Zielen abhängen, gehören in vielen Arbeitsverhältnissen zu einem wichtigen Instrument, vor allem zur Motivation und Führung von Mitarbeitenden.
Zielvereinbarungen – mögen sie auch noch so üblich sein – enthalten viele Fallstricke. Daher lohnt sich ein Blick auf den rechtlichen Rahmen.
I. Was gehört alles zu einer Zielvereinbarung?
Die Zielvereinbarung hat ihre Grundlage zumeist im Arbeitsvertrag. Dort wird vereinbart, dass der Mitarbeitende einen Bonus in einer bestimmten maximalen Höhe erhält, wenn er bestimmte – jährlich neu festzulegende Ziele – erreicht. Im nächsten Schritt werden die Ziele festgelegt und nach Ablauf des maßgeblichen Zeitraums wird die Zielerreichung festgestellt.
II. Wie werden die Ziele festgelegt?
Unterschiedlich geregelt ist, wie die Ziele festgelegt werden. Denkbar sind zwei Alternativen:
1. Der Arbeitgeber legt die Ziele einseitig fest
Ob einseitig durch den Arbeitgeber festgelegte Ziel wirklich dazu geeignet sind, Mitarbeitende zu motivieren, kann man diskutieren. Rechtlich zulässig ist die einseitige Zielvorgabe in jedem Fall. Der Arbeitgeber muss allerdings bestimmte Grenzen beachten. Gibt der Arbeitgeber Ziele vor, so handelt es sich rechtlich gesehen um eine Weisung, so dass § 315 BGB Anwendung findet. Die Weisung muss daher billigem Ermessen entsprechen. Ist das nicht der Fall, kann die Bestimmung der Ziele durch das Arbeitsgericht erfolgen (§ 315 Abs. 3 BGB).
Der Arbeitgeber muss bei der Vorgabe von Zielen beachten, dass diese unter normalen Umständen von dem Mitarbeitenden auch erreicht werden können. Ist dies nicht der Fall, entspricht die Zielvorgabe nicht billigem Ermessen.
2. Gemeinsame Festlegung der Ziele
Häufig finden sich in den Arbeitsverträgen Formulierungen, wonach Arbeitgeber und Mitarbeitender die Ziele einvernehmlich festlegen.
Das BAG formuliert es wie folgt:
„Hat ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil gemäß einer Zielvereinbarung, verpflichtet dies den Arbeitgeber, mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung zu führen und ihm realistische Ziele für die jeweilige Zielperiode anzubieten. Das sind Ziele, die der Arbeitnehmer nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können. (…) Der Arbeitgeber erfüllt diese Vertragspflicht regelmäßig nur dann, wenn er es dem Arbeitnehmer ermöglicht, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen und bereit ist, diese auszuhandeln“ (BAG, Urteil vom 3. Juli 2024 – 10 AZR 171/23).
Was muss der Arbeitgeber also machen?
- Angebot von realistischen Zielen;
- Aufnahme von Verhandlungen mit dem Mitarbeitenden;
- bereit sein, die Ziele wirklich auszuhandeln und dem Mitarbeitenden eine Einflussmöglichkeit auf die Festlegung der Ziele einzuräumen.
Schwierig zu bestimmen ist, wann die Möglichkeit des Mitarbeitenden gegeben ist, auf die Ziele Einfluss zu nehmen? Das ist nach Auffassung des BAG nur dann der Fall, „wenn der Arbeitgeber den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt”.
Außerdem muss die Vereinbarung über die Ziele so rechtzeitig erfolgen, dass die Zielerreichung noch möglich ist, also im Besten Fall vor Beginn der Periode, für die Ziele vereinbart werden.
3. Risiken für den Arbeitgeber
Was passiert, wenn keine Zielvereinbarung zustande kommt? Der Fall ist gar nicht so selten. Teils können sich die Parteien nicht einigen, teils macht der Arbeitgeber überhaupt keine Vorschläge und der Mitarbeitende fordert auch keine Zielvereinbarung ein.
Ist der Zeitraum, für den die Zielvereinbarung abgeschlossen werden sollte, erst einmal abgelaufen, kann eine Zielvereinbarung nicht mehr nachgeholt und mögliche Ziele können nicht mehr erreicht werden.
Was erst einmal gut klingt aus Arbeitgebersicht, hat aber einen Haken: einen Anspruch auf den Bonus kann der Mitarbeitende zwar nicht geltend machen, aber er hat eventuell einen Anspruch auf Schadensersatz. Und nun wird es eng für den Arbeitgeber: ihn trifft aus dem Arbeitsvertrag die Pflicht, eine Zielvereinbarung vorzuschlagen. Er muss daher darlegen, dass er „zu Verhandlungen über eine Zielvereinbarung bereit war und seinen Vorschlag ernsthaft zur Disposition gestellt hat sowie Umstände vortragen, aus denen zu schließen ist, dass er das Scheitern der Verhandlungen nicht zu vertreten hat.“ Da das Verschulden des Arbeitgebers nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird, muss er Umstände darlegen und ggf. auch beweisen, die dazu geeignet sind, die Vermutung des Verschuldens zu erschüttern.
Gelingt dem Arbeitgeber das nicht, muss das Gericht die Höhe des eingetretenen Schadens feststellen. Diese liegt in aller Regel bei 100% des maximal erreichbaren Bonus. Arbeitgeber tragen nicht selten vor, der Arbeitnehmer habe in der Vergangenheit seine Ziele auch nicht vollständig erreicht und hätte dies in der fraglichen Periode sicher auch nicht getan. Das hilft meist wenig, weil die Gerichte davon ausgehen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, Ziele vorzuschlagen, die für den Mitarbeitenden grundsätzlich erreichbar gewesen wären. Einen Abschlag kann der Arbeitgeber allenfalls erreichen, wenn er nachweist, dass den Arbeitnehmer eine Mitschuld an dem Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung trifft.
4. Kombination von Zielvereinbarung und Zielvorgabe?
Das BAG hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die Vertragsparteien eine Kombination aus Zielvereinbarung und Zielvorgabe vereinbart hatten (BAG, Urteil vom 3. Juli 2024 – 10 AZR 171/23). Danach sollten die Ziele jährlich zwischen den Parteien vereinbart werden. Weiter war vereinbart, dass für den Fall, dass sich die Parteien nicht auf die Kriterien einigen, diese vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen vorgegeben werden.
Das hört sich erstmal nach einer sicheren Variante für den Arbeitgeber an.
Das BAG hält eine Kombination von Zielvereinbarung und Zielvorgabe jedoch für unwirksam. Die Klausel benachteilige den Mitarbeitenden unangemessen, weil der Arbeitgeber es darauf anlegen könne, den Abschluss einer Zielvereinbarung zu verhindern, um so einseitig Ziele vorgeben zu können. Daran ändert nach Auffassung des BAG auch der Umstand nichts, dass diese Ziele dann billigem Ermessen entsprechen müssen und gerichtlich überprüfbar sind.
5. Was geschieht, wenn der Arbeitgeber die Zielvorgabe zu spät vornimmt?
Ein aktuelles Urteil des BAG (vom 19. Februar 2025 – 10 AZR 57/24) befasst sich mit der sehr häufig anzutreffenden Situation einer verspäteten Zielvorgabe. In diesem Fall hatte der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden trotz entsprechender Verpflichtung keine individuellen Ziele vorgegeben und die Unternehmensziele erst nach Ablauf von ¾ der Zielperiode mitgeteilt. Nach Auffassung des BAG war der Arbeitgeber hier zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Mitverschulden hat das BAG verneint, da bei einer unterlassenen oder verspäteten Zielvorgabe kein Verschulden des Mitarbeitenden vorliege. Die Initiativlast für die Vorgabe von Zielen treffe ausschließlich den Arbeitgeber.
Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber überhaupt keine Ziele vorgibt. Auch dann ist er zum Schadensersatz verpflichtet.
III. Fazit
Nicht nur auf den Inhalt der Vereinbarung im Arbeitsvertrag sollte Wert gelegt werden, sondern auch auf den Prozess zur Vorgabe der Ziele bzw. dem Abschluss einer Zielvereinbarung. Die vorgegebenen Ziele müssen erreichbar sein, eine Zielvereinbarung auch hinsichtlich ihres Kerninhalts ernsthaft zur Disposition gestellt werden. Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach und verweigert der Mitarbeitende den Abschluss der Zielvereinbarung, trifft den Arbeitgeber kein Verschulden. Wichtig ist nur, dass der Arbeitgeber den Prozess gut dokumentiert, um in einer etwaigen Auseinandersetzung darlegen und beweisen zu können, dass ihn an dem Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung kein Verschulden trifft.