In seiner Entscheidung vom 26. März 2019 (Aktenzeichen:
II ZR 244/17) hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, ob
Fremdgeschäftsführer einer GmbH in bestimmten Situationen vom Verbot der
Altersdiskriminierung profitieren können. Dabei geht er auch auf die Frage ein,
inwieweit Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen sind.
Traditionell sieht der BGH Organmitglieder von
Kapitalgesellschaften nicht als Arbeitnehmer an, weil sie selbst
Arbeitgeberfunktionen ausüben. Veranlasst durch die „Danosa-Entscheidung“ (EuGH
vom 11. November 2010, Aktenzeichen: C-232/09) hat der BGH dies in einer ersten
Entscheidung und für den Bereich des AGG allerdings bereits relativiert (BGH
vom 23. April 2012, Aktenzeichen: II ZR 163/10).
Der Fremdgeschäftsführer, über den der BGH nun zu entscheiden hatte, war aufgrund eines befristeten und bereits mehrfach verlängerten Anstellungsvertrags beschäftigt. Sofern keine Wiederbestellung erfolgte, sollte der Vertrag mit Ablauf der Bestellung enden. Darüber hinaus waren die Parteien berechtigt, den Vertrag bei Eintritt des Geschäftsführers in das 61. Lebensjahr mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende zu beenden. Nach einem Eigentümerwechsel wurde der Geschäftsführer abberufen und das Anstellungsverhältnis gekündigt.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass Fremdgeschäftsführer
einer GmbH jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AGG anzusehen sind, wie bei einer Kündigung ihres
Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist.
Zwar sind Organmitglieder bereits in § 6 Abs. 3 AGG
ausdrücklich erwähnt und in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG
einbezogen. Dies gilt aber dem Wortlaut nach nur für Bedingungen für den Zugang
zu Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg, jedoch nicht für
Kündigungen. Anders bei Arbeitnehmern: dort sind Kündigungen nur dann nicht
erfasst, wenn sie unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, was bei
Organmitgliedern generell nicht der Fall ist.
Die wesentliche Weichenstellung nimmt der BGH unter
Berufung auf die Danosa-Entscheidung bei der Zugrundelegung des maßgeblichen
Arbeitnehmerbegriffs vor. Weil die Vorschrift der Umsetzung europäischer
Vorgaben diene, sei nicht der nationale Arbeitnehmerbegriff maßgeblich. An
dieser Stelle betont der BGH, dass seine ständige, auf dem nationalen Arbeitnehmerbegriff
beruhende Rechtsprechung, Organmitglieder seien keine Arbeitnehmer im Sinne
arbeitsrechtlicher Bestimmungen, seinem Ergebnis daher nicht entgegensteht.
Wegen des unionsrechtlichen Hintergrunds sei vielmehr der
unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff entscheidend. Das wesentliche Merkmal
eines Arbeitsverhältnisses bestehe demnach darin, dass eine Person während
einer bestimmten Zeit weisungsabhängig Leistungen erbringt, für die sie als
Gegenleistung eine Vergütung erhält. Auch Mitglieder der Unternehmensleitung
einer Kapitalgesellschaft könnten Arbeitnehmer in diesem Sinne sein. Dies gelte
dann, wenn sie gegen Entgelt gegenüber der Gesellschaft Leistungen erbringen, in
der sie als Organ bestellt sind, sie eine Tätigkeit nach Weisung oder unter
Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft ausüben und jederzeit ohne
Einschränkungen von ihrem Amt abberufen werden könnten.
Diese Merkmale sah der BGH im Falle eines
Fremdgeschäftsführers als erfüllt an, wobei er den Schwerpunkt auf das
gesellschaftsrechtliche Über-/Unterordnungsverhältnis legt. Maßgeblich ist
hierbei das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht der
Gesellschafterversammlung, ihre gesetzlichen Prüfungs- und Überwachungsbefugnisse
sowie das Widerrufsrecht nach § 38 Abs. 1 GmbHG.
Während der BGH schließlich die Frage einer unmittelbaren Benachteiligung sehr kurz abhandelt, setzt er sich mit den Rechtfertigungstatbeständen ausführlicher auseinander. Dass sie letztlich nicht eingreifen, ist auch dem unzureichenden Vortrag des Dienstgebers geschuldet. So eröffnet § 10 Satz 1 AGG die Möglichkeit, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters durch die Verfolgung eines legitimen Ziels zu rechtfertigen, wenn die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind (§ 10 Satz 2 AGG). Der Dienstgeber hatte hierfür recht pauschal auf „betriebs- und unternehmensbezogene Interessen“ verwiesen. Mangels erkennbaren Zusammenhangs zur vertraglich vereinbarten Altersgrenze von 61 Jahren hat der BGH dies aber nicht gelten lassen. Zudem hat er die noch vom Berufungsgericht angenommene analoge Anwendung des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG auf Fälle der betrieblichen Altersversorgung von Geschäftsführern abgelehnt.
Das Urteil setzt die eingangs bereits erwähnte Entscheidung
zur Altersdiskriminierung eines Geschäftsführers durch Wiederbestellung (BGH
vom 23. April 2012 – II ZR 163/10) fort. Während der BGH dort noch ausdrücklich
offengelassen hatte, ob ein Fremdgeschäftsführer als Beschäftigter, insbesondere
als Arbeitnehmer im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG angesehen werden kann,
überschreitet er diese Schwelle nun zumindest für den Bereich der Kündigung des
Dienstvertrags. Gleichzeitig grenzt er die Fortentwicklung der europäischen
Auslegung gegen seine traditionelle Sichtweise auf den nationalen
Arbeitnehmerbegriff ab.
Dabei lässt das Urteil Gestaltungsspielraum erkennen. So
bildet die Anknüpfung an das Alter des Geschäftsführers die zentrale
Schwachstelle der Vertragsregelung. Eine schlichte Befristung mit Zeitablauf,
deren Ablauf mit dem Erreichen des 61. Lebensjahres zusammengefallen wäre, ohne
hieran explizit anzuknüpfen, hätte größere Erfolgsaussichten gehabt. Außerdem
hat der BGH im Rahmen der Rechtfertigung klar aufgezeigt, dass es der
substantiierten Darlegung eines nachvollziehbaren Zusammenhangs zwischen der
Verfolgung des legitimen Ziels und der hierzu getroffenen Abrede bedarf.
Ausgeschlossen hat er dies aber nicht.