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Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Spotlights

Best-of Urlaubsrecht 2022

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Auch im Jahr 2022 konnte von Langeweile im Urlaubsrecht keine Rede sein. Was die Rechtsprechung und der Gesetzgeber zu bieten hatten, lesen Sie in unserem nachfolgenden Best-of:

(Keine) Verjährung von Urlaubsansprüchen

Kurz vor Ende des Jahres „bescherte“ uns das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Entscheidung zur Verjährung von Urlaubsansprüchen (Aktenzeichen 9 AZR 266/20). Das Urteil war seit dem Paukenschlag aus Luxemburg vom 22. September 2022 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) (Aktenzeichen C-120/21) erwartet worden.

Das BAG bestätigte in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2022 zwar, dass der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub weiterhin der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Neu ist: Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst am Ende desjenigen Kalenderjahres, in dem der Arbeitgebende den Beschäftigten individuell über (i) den konkreten Urlaubsanspruch informiert sowie (ii) über die Verfallsfristen für diesen belehrt (sog. Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitgebenden) und der Beschäftigte, trotz dieser Belehrung, den Urlaub aus freien Stücken nicht genommen hat.

Auch wenn das BAG bereits in einem Grundsatzurteil vom 19. Februar 2019 (Aktenzeichen 9 AZR 541/15) die Mitwirkungsobliegenheiten für die Arbeitgebenden definiert hatte, ist die aktuelle Entscheidung für die Praxis relevant. Untätigkeit der Arbeitgebenden kann nunmehr erhebliche finanzielle Folgen haben. Die Arbeitgebenden haben es aber selbst in der Hand, diese Folgen zu vermeiden. 

Da bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, lässt sich noch nicht abschließend sagen, ob das BAG auch für die Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen die gleichen Maßstäbe anlegen wird. Wir werden Sie hierzu auf dem Laufenden halten.

(Kein) Verfall von Urlaubsansprüchen aus gesundheitlichen Gründen

In einem zweiten Urteil vom 20. Dezember 2022 (Aktenzeichen 9 AZR 245/19) setzte das BAG auch die weiteren vom EuGH am 22. September 2022 (Aktenzeichen C-727/20 und C-518/20) aufgestellten Vorgaben um.

Bislang galt: Können die Beschäftigten aufgrund einer länger andauernden Erkrankung bzw. aufgrund voller aber nicht dauerhafter Erwerbsminderung ihren gesetzlichen Erholungsurlaub nicht nehmen, so verfallen diese Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ohne weitere Voraussetzungen nach Ablauf einer 15-Monats-Frist.

Neu ist: Es muss in der Praxis differenziert werden. Arbeitet der Beschäftigte während eines Urlaubsjahres, bevor er krankheitsbedingt arbeitsunfähig oder voll erwerbsgemindert wird, treffen den Arbeitgebenden uneingeschränkt seine Mitwirkungsobliegenheiten. Der Arbeitgebende muss in diesen Fällen den Beschäftigten, wie oben beschrieben, rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzen, seinen Urlaub zu nehmen. Unterlässt er es, verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch – auch nach Ablauf der 15-Monats-Frist – nicht.

Fällt aber der Beschäftigte seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen aus, verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch auch dann, wenn der Arbeitgebende seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist. 

Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen 

In seinem Urteil vom 26. April 2022 (Aktenzeichen 9 AZR 367/21) äußerte sich das BAG dazu, ob die Mitwirkungsobliegenheiten den Arbeitgebenden auch beim Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen treffen.

Nicht überraschend übertrug das BAG seine Rechtsprechung zum gesetzlichen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz auch auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX. Die Arbeitgebenden sind auch bezüglich des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen verpflichtet, ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen und damit die Beschäftigten in die Lage zu versetzen, diesen zusätzlichen Urlaubsanspruch tatsächlich zu nehmen. Tun sie es nicht, verfällt der Urlaubsanspruch nicht.

Das BAG stellte im Rahmen der Entscheidung vom 26. April 2022 zudem klar, dass die Verpflichtung die Arbeitgebenden nur dann trifft, wenn sie die Schwerbehinderteneigenschaft kennen oder diese offenkundig ist. Ist dem Arbeitgebenden die Eigenschaft nicht bekannt, verfällt der Anspruch auf den Zusatzurlaub auch dann, wenn der Arbeitgebende seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist. 

Welche Urlaubsansprüche werden zuerst gewährt?

In der Praxis finden sich manchmal Regelungen, wonach zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch und erst im Anschluss der arbeits- oder tarifvertragliche Mehrurlaub gewährt wird. Was gilt aber, wenn eine solche Regelung fehlt? 

Über einen solchen Fall hatte das BAG am 1. März 2022 (Aktenzeichen 9 AZR 353/21) zu entscheiden. Das Neue bei dieser Entscheidung: Das BAG stellte klar, dass ohne eine solche ausdrückliche Regelung zunächst der gesetzliche Mindesturlaub gewährt wird. Das Gericht argumentierte hierbei, dass dieses Ergebnis regelmäßig dem Willen der Arbeitgebenden und Beschäftigten entspricht. Das Urteil umfasst sowohl den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz als auch den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX. 

Quarantäne während des Urlaubs

In seiner Entscheidung vom 16. August 2022 (Aktenzeichen 9 AZR 76/22 (A)) beschäftigte sich das BAG mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Richter:innen in Erfurt entschieden über die Frage, was mit bewilligten Urlaubstagen während einer vom Gesundheitsamt angeordneten Quarantäne passiert. Sind diese Urlaubstage nachträglich zu gewähren oder kann der Urlaub vom Urlaubskonto des Beschäftigten abgezogen werden? 

Nachdem die Vorinstanzen diese Frage unterschiedlich beantwortet hatten, rief das BAG zur Klärung den EuGH an. Die Richter:innen vertreten wohl die Auffassung, dass der beantragte und bewilligte Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten Quarantäne zeitlich überschneidet, nicht nachträglich zu gewähren sei. Grund hierfür ist, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht erkrankt sei. 

Noch bevor der EuGH über die Vorlagefrage des BAG entscheiden konnte, ist der Gesetzgeber aktiv geworden. Nunmehr ist in § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt, dass die Urlaubstage während einer behördlich angeordneten Quarantäne den Beschäftigten gutzuschreiben sind. Damit ist die Rechtslage für Fälle ab dem 17. September 2022, dem Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung, geklärt. Die Entscheidungen des EuGH sowie des BAG werden daher nur noch Auswirkungen auf Fälle vor dem 17. September 2022 haben. 

PWWL wünscht Ihnen alles Gute für das Jahr 2023!

Wir wünschen Ihnen auf diesem Weg einen guten Start in das Jahr 2023! Wir freuen uns auf weitere spannende arbeitsrechtliche Entwicklungen in diesem Jahr. Es wird sicher wieder die ein oder andere Überraschung geben, über die wir Ihnen in unserem Blog berichten werden.

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