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Ihr PWWL-Redaktionsteam

Christine Wahlig (Rechtsanwältin – Redaktionelle Leitung Blog) & Alice Tanke (Marketing Managerin)

Inside Workplace Law

Augen auf bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen im Rahmen eines Betriebsübergangs

Mann sitzt ratlos mit Händen am Kopf vor Laptop

Neues aus der Practice Group Betriebliche Altersversorgung:

Bei Unternehmenskäufen stellt sich aus Erwerbersicht regelmäßig die Frage, ob und wie Betriebsrentenzusagen übernommen werden bzw. ob eine Harmonisierung mit einem beim Erwerber bestehenden Versorgungssystem möglich ist? Einen besonderen Fall einer endgehaltsbezogenen Betriebsrentenzusage hatte nunmehr das Bundesarbeitsgericht (im Folgenden: BAG) zu entscheiden, da beim Erwerber nach Integration der Arbeitnehmer in einen Gehaltstarifvertrag die Frage aufkam, was nun als rentenfähiges Einkommen im Sinne der beim Veräußerer zugesagten Versorgungsordnung gilt? 

Das BAG hat in seinem nunmehr veröffentlichten Urteil vom 9. Mai 2023 (Az. 3 AZR 174/22) entschieden, dass Änderungen der Vergütungsstruktur und deren Auswirkungen auf rentenfähiges Einkommen im Sinne einer endgehaltsbezogenen Versorgungszusage konkreter Regelungen bedürfen. Ansonsten sei für Arbeitnehmer nicht erkennbar, dass der Erwerber den bisherigen Quotienten des rentenfähigen monatlichen Grundeinkommens vom regelmäßigen Bruttomonatsentgelt inkl. anteiliger Sonderzahlungen beibehalten will, wenn nach der neuen Vergütungsstruktur beim Erwerber an sich alle Vergütungsbestandteile als rentenfähiges Einkommen einzuordnen wären. 

Entwicklung von Vergütung und Betriebsrente beim Veräußerer

Im laufenden Arbeitsverhältnis wurde einem Arbeitnehmer eine Zusage zur betrieblichen Altersversorgung erteilt, die auf das Bruttomonatsgrundgehalt abstellte. Etwaige Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Abschlussgratifikationen etc.) sollten bei der Bemessung der Betriebsrente unberücksichtigt bleiben. 

Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses waren die Versorgungszusage und die Vergütungsstruktur aufeinander abgestimmt, sodass das rentenfähige Einkommen dem regelmäßigen monatlichen Bruttogrundgehalt entsprach. Daneben erhielt der Arbeitnehmer ein 13. Gehalt und Bonuszahlungen, welche bei der Berechnung der Betriebsrente nicht berücksichtigt wurden. Diese Vergütungsstruktur wurde im Laufe der Zeit angepasst. 

Zunächst stellte der Veräußerer die gesonderte Zahlung des 13. Gehalts ein und verteilte den diesbezüglichen Betrag gleichmäßig auf die laufende monatliche Vergütung. Der Veräußerer teilte seinen Arbeitnehmern dazu im Schreiben vom 22. Dezember 1998 mit: 

„Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter, 

mit Schreiben vom 21. Dezember 1998 haben wir Ihnen mitgeteilt, daß zum 1.1.1999 das 13. Gehalt auf 12 Monate umgelegt wird. […]“

Jahre später erhöhte der Veräußerer die laufende Vergütung auch um die Bonuszahlungen. Dazu informierte der Veräußerer seine Arbeitnehmer – bezüglich der Auswirkungen auf die Betriebsrente expliziter – in der Vereinbarung vom 11. März 2011 wie folgt:

Bonusswap

Das laufende monatliche Bruttogehalt wird durch Bonusumwandlung um rund 4,2 Prozent erhöht. Dies entspricht einem halben Monatsgehalt p.a.

Bei der Bemessung der betrieblichen Altersversorgung wird rückwirkend ein sogenanntes Schattengehalt definiert. Schattengehalt ist das jeweilige Monatsgehalt ohne den eingerechneten Bonusanteil einschließlich der Erhöhungen darauf. Der Bonusswap spielt bei der Altersversorgung keine Rolle. […]“

Praktisch erhielten die Arbeitnehmer damit eine regelmäßige laufende Bruttomonatsvergütung, wobei zur Berechnung der Betriebsrente die Umverteilung des 13. Gehalts und der Bonuszahlungen auf die laufende Vergütung herausgerechnet wurde. 

Verkauf und Post Merger-Integration

Im Interessenausgleich des Veräußerers, der im Vorfeld eines Betriebsübergangs abgeschlossen wurde, regelte der Veräußerer mit seinem Betriebsrat die Überführung der bisherigen Vergütungsstruktur auf jene des Erwerbers im Rahmen des Betriebsübergangs. Daraufhin wurden in dem neuen Arbeitsvertrag des Klägers die beim Erwerber geltenden Tarifverträge in Bezug genommen und eine auf Basis der konkreten Eingruppierung bezifferte Vergütung vereinbart. Zudem ist sowohl im Interessenausgleich des Veräußerers als auch im neuen Arbeitsvertrag des Klägers festgehalten, dass der Erwerber in die Direktzusagen zur betrieblichen Altersversorgung eintritt bzw. diese unverändert fortgeführt und diese Zusage ggf. zu einem späteren Zeitpunkt wertgleich in das System des Erwerbers überführt werden soll. 

Eine Regelung zur Zusammensetzung der nunmehr geltenden Vergütung in Grundgehalt und Sonderzahlungen ist tarifvertraglich nicht vorgesehen und wurde auch von den Parteien nicht anderweitig geregelt. Die tarifvertragliche Vergütung sah ein einheitliches monatliches Gehalt vor, was in der Folge an die Arbeitnehmer ausgezahlt wurde. 

Die Weitergeltung der bisherigen Versorgungsordnung mit der darin enthaltenen Herausnahme von Sonderzahlungen aus dem rentenfähigen Einkommen wurde explizit vertraglich vereinbart, auch wenn diese im Rahmen des Betriebsübergangs ohne eine derartige Regelung ohnehin zunächst Bestandteil des Arbeitsverhältnisses geblieben wäre. 

Der Kläger machte auf Basis seiner tarifvertraglichen Vergütung die Zahlung seiner Betriebsrente geltend. Die Berechnung und Höhe war bei Zugrundelegung des vollen Bruttomonatsgehalts unstreitig. Der Erwerber wandte allerdings ein, das geltende (tarifliche) Bruttomonatsgehalt zur Berechnung des rentenfähigen Einkommens um den gleichen Faktor kürzen zu dürfen, wie dies aufgrund der Vergütungsentwicklung beim Veräußerer der Fall war. 

Im Ergebnis argumentierte der Erwerber, dass das volle Bruttomonatsgehalt inklusive anteiligem 13. Gehalt und Bonuszahlung Ausgangspunkt für die Einordnung in die tarifvertragliche Vergütung, eine Änderung des Anteils des rentenfähigen Einkommens aber nicht beabsichtigt war. 

Die Entscheidung des BAG und eine kritische Einordnung 

Das BAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers, sodass die Betriebsrente auf Basis des vollen tariflichen Bruttomonatsgehalts berechnet werden muss. 

Dabei bestätigte das BAG zunächst, dass die Umverteilung des 13. Gehalts und Bonuszahlungen auf das Bruttomonatsgehalt beim Veräußerer keinen Einfluss auf die Berechnung der Betriebsrente hatte und das rentenfähige Einkommen weiterhin durch Herausrechnung der umverteilten Sonderzahlungen aus dem einheitlichen Bruttomonatsgehalt berechnet werden konnte. 

Wirksame Änderung der Vergütungsstruktur beim Veräußerer

Dies ist insofern beachtlich, da jedenfalls bei der Umverteilung des 13. Gehalts im Schreiben vom 22. Dezember 1998 weder eine konkrete Regelung noch ein expliziter Hinweis an die Arbeitnehmer darauf erfolgte, dass das umverteilte 13. Gehalt bei der Berechnung der Betriebsrente nicht berücksichtigt wird. Das Schreiben selbst beschreibt nur in einem Satz die Umverteilung des 13. Gehalts an sich. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass die Rechtsprechung des BAG im Rahmen von AGB-Kontrollen strenge Maßstäbe hinsichtlich Transparenz, Bestimmtheit und Angemessenheit von Klauseln anlegt, erschien es im vorliegenden Fall nicht unwahrscheinlich, dass schon die Umverteilung des 13. Gehalts auf das reguläre Monatsgehalt beim Veräußerer ohne klarstellende Regelung zu einer insoweit unwirksamen Vereinbarung und infolgedessen bereits zur Erhöhung des rentenfähigen Einkommens beim Veräußerer führen könnte. Gleichwohl sieht das BAG ohne vertiefte Auseinandersetzung die weiterhin gewollte Herausnahme des 13. Gehalts aus dem rentenfähigen Einkommen für typische (durchschnittliche) Arbeitnehmer als „erkennbar“ an. Eine nähere Begründung wäre wünschenswert gewesen, bleibt der 3. Senat des BAG an dieser Stelle jedoch schuldig. 

Im Rahmen der Umverteilung der Bonuszahlungen regelte der Veräußerer explizit, dass die umverteilten Bonuszahlungen für die Berechnung des rentenfähigen Einkommens weiterhin nicht berücksichtigt werden. Nachdem das BAG schon die Umverteilung des 13. Gehalts bestätigt und dadurch keine Erhöhung des rentenfähigen Einkommens angenommen hat, hat es aufgrund der expliziten Regelung im Schreiben vom 11. März 2011 erst recht die Bonuszahlung bei der Ermittlung des rentenfähigen Einkommens unberücksichtigt gelassen. Dabei hätte sich das BAG nach unserer Einschätzung allerdings schon an anderer Stelle näher mit der Regelung auseinandersetzen müssen. Im Schreiben vom 11. März 2011 ist nämlich explizit ein Schattengehalt definiert, welches zur Bemessung der betrieblichen Altersversorgung relevant sein soll. Zur Ermittlung dieses Schattengehalts wird vom jeweiligen Monatsgehalt jedoch nur der eingerechnete Bonusanteil ausgenommen. Es scheint nicht fernliegend, dass sich hieraus der Rechtschluss hätte ziehen lassen können, das bereits zuvor umverteilte Weihnachtsgeld hätte zur Ermittlung des rentenfähigen Einkommens nicht weiterhin vom vollen Bruttomonatsgehalt herausgerechnet werden müssen. 

Keine Fortwirkung der Vergütungsstruktur des Veräußerers bei Wechsel zum Vergütungssystem des Erwerbers

Diese (nach Ansicht des BAG im Ergebnis) wirksamen Regelungen zur Zusammensetzung des rentenfähigen Einkommens sollen jedoch nicht fortwirken, wenn die Vergütungsstruktur insgesamt auf die tarifvertragliche Vergütung beim Erwerber umgestellt wird. Das BAG führt aus, dass die Abreden zur Umverteilung des 13. Gehalts und der Bonuszahlungen unter dem Vorbehalt stünden, dass das Gehalt in dieser Weise weiter gewährt wird. 

Den Arbeitnehmern war nach Ansicht des BAG damit vor der Veräußerung an den Erwerber zwar bewusst, dass sich ihr letztes Bruttomonatsgehalt aus dem Grundgehalt, dem umverteilten 13. Gehalt und den umverteilten Bonuszahlungen zusammensetzt, aber nur das Grundgehalt als rentenfähiges Einkommen berücksichtigt wird. Wenn dieses Gesamtgehalt dann aber für die Eingruppierung in eine tarifvertragliche Vergütungsstruktur herangezogen wird, die keine Bonuszahlungen oder 13. Gehalt vorsieht, sollen die Arbeitnehmer nach der Ansicht des BAG plötzlich davon ausgehen, dass dadurch die Hintergründe der bisherigen Zusammensetzung des Gehalts und deren Einfluss auf die Berechnung der Betriebsrente nach der fortgeltenden Versorgungsordnung vollständig untergehen und nicht (mehr) fortgelten. 

Das BAG hat seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass der Tarifvertrag keine Zahlung eines 13. Gehalts und Bonuszahlungen vorsieht, was unseres Erachtens nach nur bedingt überzeugt. Insbesondere scheint der Prüfmaßstab der Rechtsprechung nicht einheitlich. Auf der einen Seite interpretiert der 3. Senat des BAG die bloße Mitteilung, das 13. Gehalt auf 12 Monate umzuverteilen und dadurch praktisch das Grundgehalt zu erhöhen, dahingehend, dass jeweils nur 12/13 dieses Gehalts rentenfähiges Einkommen sein sollen. Dabei mutet der 3. Senat des BAG auch den Arbeitnehmern ein diesbezügliches Verständnis des Schreibens vom 22. Dezember 1998 zu und bestätigt, dass die nunmehr monatlich gezahlte Jahressonderleistung das rentenfähige Einkommen ebenfalls nicht erhöht. Daran sollen Arbeitnehmer auch nicht zweifeln müssen, wenn im Schreiben vom 11. März 2011 ein Schattengehalt zur Bemessung der betrieblichen Altersversorgung definiert wird, bei dessen Berechnung das umverteilte Weihnachtsgeld keine Erwähnung findet. 

Kritische Betrachtung der Argumentationskette des BAG

Auf der anderen Seite soll eine Übertragung dieses seit vielen Jahren so zusammengesetzten Gehalts in eine neue Vergütungsstruktur dazu führen, dass sich die bisherige Zusammensetzung „auflöst“ und damit in der Übertragung der Wille enthalten ist, das rentenfähige Einkommen erheblich aufzustocken und damit im Ergebnis die Versorgungsleistung nach oben hin anzupassen. 

Ebenso gut hätte der 3. Senat des BAG aber auch darauf abstellen können, dass in der Kommunikation an die Arbeitnehmer eine Übertragung der bisherigen Versorgung auf das beim Erwerber bestehende Konzept beschrieben ist, was den Rückschluss erlaubte, dass sich an der bisherigen Zusammensetzung und Berechnung der Betriebsrente nichts ändern soll. Dabei hätte das BAG berücksichtigen können, dass auch beim Veräußerer zuletzt über viele Jahre praktisch eine einheitliche monatliche Vergütung ohne zusätzlich abgerechnete Sonderzahlungen bestand und sich die Vergütungssysteme von Veräußerer und Erwerber damit im Ergebnis und vor allem aus Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers kaum unterschieden haben. 

Das BAG führt für die weitere Begründung seiner Entscheidung an, dass sich das gefundene Ergebnis auch aus der Vergütungsregelung im Arbeitsvertrag ergebe, in welchem keine Begrenzung oder Regelung zur anteiligen Berücksichtigung des tariflichen Monatsentgelts bei der Berechnung des rentenfähigen Einkommens enthalten sei. In gleicher Weise soll die Regelung im Interessenausgleich aufzeigen, dass nur eine etwaige Ablösung der bisherigen Zusage durch das bei dem Erwerber geltende System wertgleich sein soll und ansonsten keine wertgleiche Fortführung der Zusage, sondern das Eintreten in die Zusage mit der nunmehr geltenden Vergütungsstruktur gewollt sei. Aber auch hier hätte man diese Regelungen mit mindestens ebenso guten Argumenten in anderer Weise auslegen und zur Begründung der Fortgeltung des bisherigen Verhältnisses von Monatsgehalt zu rentenfähigem Einkommen heranziehen können, da für den Willen zur Erhöhung der Altersversorgung im Rahmen des Betriebsübergangs keine Anhaltspunkte bestehen und die Arbeitnehmer darauf auch nicht anderweitig vertrauen durften. 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das BAG Arbeitnehmern im Rahmen der Auslegung von Versorgungsordnungen und deren Änderungen im laufenden Arbeitsverhältnis teilweise ein hohes Maß an Rechtsverständnis abverlangt und zumutet. Gleichwohl macht die Entscheidung deutlich, dass die Überführung arbeitsvertraglicher Regelungen in neue (Vergütungs-)Systeme anspruchsvoll und fehleranfällig ist. Dies insbesondere, da mögliche Fehlerquellen – wie im Fall der Berechnung der Betriebsrente – oftmals erst nach einem Systemwechsel auffallen, wenn die ersten Fragen im Zusammenhang mit Versorgungsberechtigten, bei denen der Versorgungsfall eintritt, aufkommen. 

Dem kann für die Betriebsrente dadurch begegnet werden, dass das neue Vergütungssystem als Ganzes betrachtet wird und im Zweifel klarstellende Regelungen in Überleitungsvereinbarungen oder den Interessenausgleich beim Veräußerer aufgenommen werden, aus denen sich der Wille der Vertragsparteien eindeutig ergibt. 

Um potentielle Stolpersteine identifizieren zu können, empfiehlt es sich zudem durch die bAV-Dienstleister Probeabrechnungen der Betriebsrente auf Basis des neuen Vergütungssystems erstellen zu lassen und diese auf Konsistenz mit dem beabsichtigten Ergebnis zu überprüfen. 

„Unsere Practice Group Betriebliche Altersversorgung berät Sie sehr gerne zu diesem Thema.“

Johannes Wicklerer
Johannes Wickler

Johannes Wickler ist spezialisiert auf betriebliche Altersversorgung, SE-Gründungen, Mitbestimmungsmanagement, die Gestaltung von Arbeitsverträgen, Auflösungsvereinbarungen sowie auf Unternehmensumstrukturierungen.

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