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Arbeitszeitrecht mit Kristina Schilder – Aktuelles vom BAG zur gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepause

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Einleitung

Mit einem äußerst praxisrelevanten und dennoch bisher kaum beachtete Urteil vom 21. August 2024 – 5 AZR 266/23 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Arbeitgeber die aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Anforderung, dass eine Ruhepause „im Voraus feststehen“ muss, auch dann erfüllen, wenn die Pause „spontan“ gewährt wird, der Arbeitnehmer also erst zu Beginn der Pause weiß, dass er nun eine Pause haben wird und wie lange diese Pause dauern wird. Voraussetzung ist, dass betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen verlangen. Diese Entscheidung eröffnet neue Möglichkeiten einer gesetzeskonformen Pausengewährung.

Hintergrund der Entscheidung

Gemäß § 4 Satz 1 ArbZG ist die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden (§ 4 Satz 2 ArbZG). Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden (§ 4 Satz 3 ArbZG).

Ruhepausen werden nach der Rechtsprechung des BAG definiert als im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann. Das Erfordernis des „im Voraus Feststehens“ der Ruhepause soll sicherstellen, dass der Arbeitnehmer sich auf die Pause einrichten und sie auch tatsächlich zur Erholung nutzen kann. Die Ruhepause soll nicht durch kontinuierliche Weiterarbeit überlagert und vergessen werden. 

Zu welchem Zeitpunkt die Ruhepause feststehen muss – ob vor dem Beginn der täglichen Arbeitszeit, bei Beginn der täglichen Arbeitszeit oder sogar erst bei Beginn der jeweiligen Pause – war bislang umstritten. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass eine nachträgliche „Umwidmung“ unvorhergesehener Arbeitsunterbrechungen in eine Ruhepause ausgeschlossen ist.

Gesetzesbegründung

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/5888) steht eine Ruhepause jedenfalls dann „im Voraus fest“, wenn zu Beginn der täglichen Arbeitszeit ein bestimmter zeitlicher Rahmen feststeht, innerhalb dessen der Arbeitnehmer – gegebenenfalls in Absprache mit anderen Arbeitnehmern – seine Ruhepause in Anspruch nehmen kann.

Der Pausenkorridor – häufige Praxis in Unternehmen

In der Praxis haben viele Unternehmen einen Pausenkorridor (z. B. 12 bis 14 Uhr) eingeführt. Die Lage der Ruhepausen ist dann – innerhalb des festgelegten Pausenkorridors – flexibel. Mit einer solchen Regelung werden die gesetzlichen Anforderungen an eine Ruhepause in der Regel erfüllt.

Bisherige Rechtsprechung des BAG

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ruhepause unabhängig davon auch „spontan“ gewährt werden kann, ließ das BAG in früheren Entscheidungen weitestgehend offen.

Mit Urteilen vom 25. Februar 2015 – 5 AZR 886/12 und 1 AZR 642/13 – entschied das BAG, dass Beginn und Dauer einer Ruhepause jedenfalls nicht vor dem Beginn der täglichen Arbeitszeit feststehen müssen. Eine verbindliche Festlegung der Ruhepausen in Monats- oder Tagesschichtplänen sei daher nicht erforderlich. Vielmehr reiche es aus, wenn dem Arbeitnehmer Beginn und Dauer der jeweiligen Pause zu Beginn seiner täglichen Arbeitszeit mitgeteilt werden.

Mit Urteil vom 29. Oktober 2002 – 1 AZR 603/01 – entschied das BAG, dass es allerdings nicht ausreiche, wenn dem Arbeitnehmer bei dem Beginn der Ruhepause deren Dauer nicht bekannt sei. Eine Arbeitsunterbrechung, bei deren Beginn der Arbeitnehmer nicht wisse, wie lange sie dauern werde, sei keine Pause. Der Arbeitnehmer müsse sich dann durchgehend zur Arbeit bereithalten. 

Mit Urteil vom 13. Oktober 2009 – 9 AZR 139/08 – entschied das BAG (für den Sonderfall von Kurzpausen in einem Verkehrsbetrieb), dass die in einem Dienstplan erfolgte Festlegung tariflicher Kurzpausen von acht Minuten die Anforderungen an eine gesetzliche Ruhepause erfülle, und zwar auch dann, wenn sich der Beginn der Pausen im Einzelfall aufgrund von Verspätungen verschiebe. In diesem Fall stehe zumindest zum tatsächlichen Pausenbeginn fest, ob die tarifvertragliche Mindestzeit für die Annahme einer Kurzpause von acht Minuten noch erreicht werde und wie lange die Pause im konkreten Fall dauern werde. Ob dies auch dann noch gelten könne, wenn die tarifvertraglich vorgesehene Mindestdauer der Kurzpausen überwiegend oder häufig nicht erreicht werde, sah das BAG jedoch als fraglich an.

Das aktuelle Urteil des BAG

Mit Urteil vom 21. August 2024 – 5 AZR 266/23 – hat sich das BAG nun dahingehend positioniert, dass es für den Fall, dass betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen verlangen, ausreichend ist, wenn Beginn und Dauer der Ruhepause erst zu Beginn der Pause feststehen.

Der Kläger war bei einem Industrieunternehmen als Mitarbeiter in der Produktion tätig. Er wurde in einem vollkontinuierlichen Fünfschichtsystem mit flexibler Pausengestaltung eingesetzt. Mit seiner Klage begehrte der Kläger von seinem Arbeitgeber die Vergütung von Pausenzeiten. Einen entsprechenden Anspruch leitete er aus dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag ab. Hilfsweise argumentierte der Kläger damit, dass es sich bei den ihm gewährten Pausen nicht um Ruhepausen im Sinne von § 4 Satz 1 ArbZG, sondern um Arbeitszeit im Sinne von § 2 ArbZG gehandelt habe. In diesem Zusammenhang befasste sich das BAG mit der – in dieser Fallkonstellation entscheidungserheblichen – Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine flexibel gewährte Ruhepause „im Voraus feststeht“. 

Verlangten betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, so das BAG, sei der in § 4 Satz 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung des „im Voraus feststehend“ auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause wisse, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause habe und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen könne.

Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Gesetzesbegründung zu Beginn der täglichen Arbeitszeit zumindest ein bestimmter zeitlicher Rahmen feststehen müsse, innerhalb dessen der Arbeitnehmer – gegebenenfalls in Absprache mit anderen Arbeitnehmern – seine Ruhepause in Anspruch nehmen könne. Dieser Rahmen werde weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung näher zeitlich fixiert und könne durch die Rechtsprechung auch nicht willkürfrei näher konkretisiert werden. Für eine Konkretisierung bestehe auch kein Bedürfnis, weil sich der Rahmen letztlich aus dem Erfordernis ergebe, innerhalb von sechs bzw. neun Stunden die Pausenzeit festzulegen. 

Die konkrete Ausübung der Pausenanordnung unterliege nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO), § 315 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Billigkeitskontrolle. Des Weiteren bestehe nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der Pausenzeiten. Bei der Anordnung von Ruhepausen sei zudem zu berücksichtigen, dass deren Zweck (insbesondere Erholung, Regeneration und Nahrungsaufnahme) in der Regel verlange, die Pausen nicht direkt an den Anfang oder kurz vor das Ende der Arbeitszeit des Arbeitnehmers zu legen. In diesem Rahmen könne der Arbeitgeber entsprechend den betrieblichen Interessen die Pausenzeiten festlegen, soweit nicht durch Betriebsvereinbarung anderes bestimmt sei.

Fazit

Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen.

Sie führt zu mehr Flexibilität bei der Gewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Das BAG hat klargestellt, dass diese auch „spontan“ gewährt werden können, wenn die betrieblichen Erfordernisse eine flexible Pausenfestlegung verlangen.

In einem Schichtbetrieb wird dies in aller Regel der Fall sein. Daneben dürfte es auch in vielen weiteren Betrieben betriebliche Erfordernisse geben, die eine flexible Pausenfestlegung verlangen. 

Werden die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen nicht, nicht mit der vorgeschriebenen Mindestdauer oder nicht rechtzeitig gewährt, stellt dies allerdings eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG dar. Die Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 22 Abs. 2 ArbZG mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro geahndet werden. Beharrliche Wiederholungen einer nicht gesetzeskonformen Pausengewährung stellen gemäß § 23 ArbZG sogar einen Straftatbestand dar.

Zur Vermeidung eines Ordnungswidrigkeitenrisikos sollten sich Arbeitgeber daher, bevor sie Ruhepausen „spontan“ gewähren, beraten lassen, ob bei ihnen die Voraussetzungen für eine flexible Festlegung der Pausen vorliegen.

Kristina Schilder

Kristina Schilder ist spezialisiert auf Restrukturierungen, betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen, HR-Compliance und Prozessvertretung.

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